WOLF CREEK ist ein guter moderner Horrorfilm, sofern man „Horror“ ohne das Phantastische gelten lässt. Ein Terrorfilm vielmehr, denn das Grauen bleibt durchgängig menschlich. Ein beklemmender und sehr atmosphärischer Film – brutal, wenn auch nicht so extrem oder gar verstörend, wie oft behauptet wird. Vor allem ist er ein beeindruckender Film in und über Australien. Und da ich großer Australienfilm-Fan bin, würde ich persönlich sagen, WOLF CREEK ist doch ein sehr guter Film.

WOLF CREEK handelt als Outback-Variante des Backwood Slashers vom Suchen und Finden des Abgrunds. Ein Film über das Töten, einer, der das Thema ernstnimmt, wie es Rochus Wolff in seiner überzeugenden Filmkritik betont hat (critic.de). Immer wieder bezeugen wir in Greg McLeans famosem Debüt Wege nach unten: Klippen an der australischen Westküste, finstere Abgründe im Outback oder das Aufknüpfen menschlichen Fleisches von der Decke abwärts. Vieles scheint bekannt in WOLF CREEK: eine kleine Gruppe junger Leute, auf eigene Faust im Roadtrip durchs Hinterland. Dass das nicht gut ausgeht, kannte man 2005, als der Film veröffentlicht wurde, in und auswendig. McLeans Kunststück bleibt weniger das Was (die Story hält sich eng an wahre Begebenheiten) als vielmehr das Wie. Er tünchte die Leinwand nicht auf Zwang blutrot, um auf der sich gerade aufbäumenden Torture-Porn-Welle mitzureiten, sondern er kreierte mit seinem Kameramann Will Gibson eine eigene filmische Welt voller Dunkelheit und Schatten – und betörenden Farben. Die Landschaft Australiens wird zum eigenen Protagonisten in WOLF CREEK. Isolation und Verzweiflung sowie allgemein die Überwältigung durch das Fremdartige kommen auf ästhetisch-topografischer Ebene durchweg zum Ausdruck.

McLean geht so weit, die Originalschauplätze zur Hauptattraktion zu machen, sich hierin auf vier Figuren zu konzentrieren und die mystische Qualität des fünften Kontinents fast gänzlich beiseitezulassen. Die Natur steht im Vordergrund, auch die bestialische zwischen Jäger und Beute. John Jarratt, u. a. aus Peter Weirs Klassiker PICNIC AT HANGING ROCK (Picknick am Valentinstag, 1975) bekannt, geht in der Rolle des fremdenfeindlichen Wilderers Mick Taylor derart furchteinflößend auf, dass man Gänsehaut bekommt, wenn man nur seinen irren Blick erhascht und sein markantes, eigens für die Rolle einstudiertes gutturales Kichern hört. WOLF CREEK kombiniert atmosphärische, betörend fotografierte Bilder mit purem Survival-Thrill und einer gehörigen Portion Abscheu und Gemeinheit. Im Vergleich zu einigen Vertretern seiner Zeit hat er sich den Status des stilsicheren Terrorfilms mehr als verdient. Umso schöner, dass Turbine den Streifen soeben in brillanter Qualität neu herausgebracht hat.

Das Mediabook von Turbine
Ich habe WOLF CREEK wiederholt von Blu-ray gesehen, aber die neue 4K UHD-Präsentation von Turbine hat mir noch einmal die Augen geöffnet. Der Film fokussiert wie erwähnt die australische Landschaft in all ihren Facetten: anfangs der Strand, lange Straßen durchs Outback, pure Wildnis zu verschiedenen Tageszeiten und Witterungsbedingungen (einmal regnete es unplanmäßig während der Dreharbeiten). Die visuelle Offenbarung beginnt – nach einem Textvorspann des Regisseurs, der das neue Master absegnet – bereits im ersten Filmbild: die flache Zunge einer auflaufenden Welle benetzt den Strandsand mit Feuchtigkeit und zieht sich wieder sanft zurück. Diese Nahaufnahme der äußersten natürlichen Grenze bietet ein detailreiches Farben- und Formenspiel: das behutsame Vor- und Zurückziehen des klaren Wassers, dessen strukturelle Veränderung zwischen glitzernder Oberfläche und leicht schaumigem Kräuseln; der frisch bespülte sandige Untergrund, dessen dunkleres Braun sich in Sekundenbruchteilen aufhellt und schließlich kleine Bläschen schlägt; allgemein die Farbmixtur von Azurblau, Weiß, sandigem Braun und leichten Rottönen, die sich im Licht der kräftigen Sonne zu einem Farbenspiel vermischen, einem Gemälde gleich. Und wie sanft und doch detailliert und raumfüllend so ein kleines Meeresrauschen klingen kann, lässt einen der brandneue Dolby Atmos-Sound fühlen, der so kraftvoll und klar durch den gesamten Film erklingt, dass es eine wahre Freude ist.
Später manifestiert sich die Bild- und Tonqualität der 4K UHD in betörenden, facettenreichen Aufnahmen des Outback: weite Ebenen, Hügellandschaften, Sonnenaufgänge und -untergänge, der titelgebende Wolf Creek-Krater in einer aus der Luft gefilmten Supertotalen. Aber auch die Handkamera, die nah bei Objekten und Personen ist, profitiert enorm vom neuen Master, das selbst kleinste stilistische Fokusverschiebungen – etwa zwischen Gesicht und davor befindlicher Autofensterscheibe – in brillanter Schärfe erlebbar macht. Schweißperlen auf der Haut, Kratzer auf Glasflächen, millimeterlange Schatten neben Sandkörnern, mit einer Taschenlampe als einzige Lichtquelle. Da entscheidende Szenen nachts spielen, ist es umso erfreulicher, dass Schwarztöne durchgehend satt erscheinen und kräftige Kontraste im Umfeld eine klare Räumlichkeit erkennen lassen. Selbst bei einem nächtlichen Feuer wird der Hintergrund nicht verschluckt, sondern bleibt als Ebene sichtbar. So punktet WOLF CREEK erstmals im Heimkino mit der nötigen Bildtiefe, HDR und Dolby Vision unterstützen das neue 4K-Master perfekt.

Der Ton liegt in Englisch (austral.) und Deutsch jeweils in Dolby Atmos (True HD 7.1 kompatibel) sowie in DTS HD 5.1 und 2.0 vor, wahlweise mit englischen oder deutschen Untertiteln, hier je auch optional für Hörgeschädigte. Der informative und unterhaltsame Audiokommentar mit Regisseur Greg McLean, Co-Produzent Matt Heam und den Darstellerinnen Cassandra Magrath und Kestie Korassi ist optional deutsch untertitelt und hier bis auf einzelne Typografiefehler makellos. Das 50-minütige Making of ist ebenso interessant und aus vorherigen Veröffentlichungen übernommen, auch hier wahlweise deutsch untertitelt, ebenso verhält es sich beim 7-minütigen Interview mit Hauptdarsteller John Jarratt und einer knapp 1-minütigen Bonusszene. Im Booklet beleuchtet Turbine-Stammautor Tobias Hohmann auf 28 Seiten noch einmal alle wichtigen Hintergründe zur Entstehungsgeschichte des Films, Überschneidungen zum Making of und Audiokommentar sind obligatorisch. Die Blu-ray (Disc 2) bietet mit geringerer Qualität dieselben Inhalte wie die UHD (Disc 1). Präsentiert wird die komplett ungekürzte Unrated-Fassung (104 Min.), die neben 6 Sekunden reinen Gewaltschnitten zwei längere Deleted Scenes enthält, die in der Kinofassung nicht zu sehen waren.

Das Mediabook ist haptisch auf höchstem Niveau, wie man es vom Label gewohnt ist: robust, sauber verarbeitet, punktgenau gelayoutet, mit Liebe zum Detail. Das Mediabook kommt in vier verschiedenen Cover-Varianten, neben dem Originalplakat-Motiv auch in zwei schlichten Character-Artworks, die je eine Figur umrisshaft inmitten gelb eingefärbter Outback-Kulisse abbilden, sowie einem blutrot leuchtenden Gemälde-Artwork, gestaltet von Timo Wuerz. Für Fans des Originalfilms, die auf das Sequel (2013) und die gleichnamige Serie (2016–2017) verzichten können, ist dies die definitive Edition von McLeans Erstling.
Fazit
Mit dem ungekürzten 4K UHD-Mediabook legen Turbine die definitive Veröffentlichung von Gregg McLeans Regiedebüt WOLF CREEK vor. Die atmosphärische Backwood Slasher-Variante erstrahlt in bisher nie gekanntem düsterem Glanz, zieht uns mitten hinein in den Schauplatz des Schreckens. Bild und Ton sind hervorragend, das Bonusmaterial bietet viel Hintergrundwissen.
Titel, Cast und Crew | Wolf Creek (2005) |
---|---|
Poster | ![]() |
Release | seit dem 12.12.2024 im Mediabook (Ultra HD Blu-ray+ Blu-ray) erhältlich. Direkt beim Label bestellen. |
Regie | Greg McLean |
Trailer | |
Besetzung | John Jarratt (Mick (Michael) Taylor) Cassandra Magrath (Liz Hunter) Kestie Morassi (Kristy Earl) Nathan Phillips (Ben Mitchell) Guy O’Donnell (Autoverkäufer) Gordon Poole (Alter Mann) Guy Petersen und Jenny Starvall (Schwedische Touristen) Greg McLean (Polizist) |
Drehbuch | Greg McLean |
Kamera | Will Gibson |
Musik | François Tétaz |
Schnitt | Jason Ballantine |
Filmlänge | 99 Minuten (gekürzt) 104 Minuten (Unrated) |
FSK | ab 16 Jahren (gekürzt) ab 18 Jahren (ungeshnitten) |
Liebt Filme und die Bücher dazu / Liest, erzählt und schreibt gern / Schaltet oft sein Handy aus, nicht nur im Kino / Träumt vom neuen Wohnzimmer / Und davon, mal am Meer zu wohnen