Wenn es um Kriegsfilme geht, die im Zweiten Weltkrieg spielen, werden meist Filme wie DER SOLDAT JAMES RYAN, DER SCHMALE GRAT oder vielleicht noch DIE BRÜCKE VON ARNHEIM genannt. WINDTALKERS hingegen ist bei den Antworten sehr selten zu hören. Der Film setzt sich mit dem Einsatz von Navajo-Indianern als Funker im Konflikt um die militärische Herrschaft im Pazifischen Ozean auseinander. Warum dieser Film vergleichsweise noch unbekannt ist und gemischte Kritiken erhielt, wird mir – ich kannte den Film vorher auch nicht – nach dem Sehen des neuen FilmConfect Mediabooks dann doch klar. Eine Möglichkeit warum das so ist, verrate ich euch gleich.
Inhalt „Windtalkers“
1944, Salomon Inseln, Joe Enders (Nicolas Cage) hat seine Einheit durch einen japanischen Hinterhalt bis auf den letzten Mann verloren und ist selbst nur mit schweren Verletzungen dem Tod von der Schippe gesprungen. Nachdem er seinen Ärzten mit Hilfe der reizenden Schwester Rita (Frances O‘Connor) vortäuscht, über sein komplettes Gehör zu verfügen, bekommt er einen Spezialauftrag. Die US-Kriegsmarine entwickelte einen neuen geheimen Nachrichten-Code, der auf der Sprache der amerikanischen Ureinwohner, den Navajo, basiert. Dieser Code könne, wegen der schwer verständlichen Sprache, nur von Muttersprachlern verstanden werden. Die Marine bildet kurzerhand eine Handvoll Angehöriger des Diné-Volks aus.
Sie sollen im Feuergefecht Nachrichten zwischen den Kommandos übertragen und Koordinaten für Luft- und Artilleriegeschütze übermitteln. Enders wird der Gefreite Ben Yahzee (Adam Beach) zugeteilt. Es gibt noch ein zweites Team in dieser Konstellation mit Ox Henderson, gespielt von Christian Slater, dem Charlie Whitehorse (Roger Willie) zugeteilt wird. Beide Marines erhalten den Auftrag die zwei Funker, aber noch viel mehr ihr Wissen über den Navajo-Code, mit allen Mitteln zu schützen, denn die Geheimsprache darf nicht in feindliche Hände geraten. Mit diesem moralisch schwierigen Befehl und nicht überwundenen Kriegstrauma von Ender, zieht die Einheit um Sergant Hjelmstad, gespielt von Peter Stormare (FARGO), in die Schlacht um die Insel Saipan.
Blutfontänen in Zeitlupe
John Woo ist als Regisseur für diese über 130 Minuten lange Filmschlacht um eine kleine Insel im Pazifischen Ozean verantwortlich. Woo, ein Ikone des Hong Kong-Actionkinos, allem voran mit seinem Lieblingsdarsteller Chow Yun-Fat, machte Zeitlupen in Actionsequenzen zu einem seiner markanten Stilmittel. Der Filmheld schießt in Zeitlupe um sein Leben, die Patronenhülsen fliegen bedächtig aus den Waffen und Blut spritzt fast ästhetisch aus den getroffenen Körpern. Man kann bei einer solchen Inszenierung von Gewaltverherrlichung sprechen, WINDTALKERS ist aus gutem Grund erst ab 18 Jahren freigegeben, aber hier ist es eher ein unendlicher Moment.
Wer selbst schon einmal in einer kritischen Situation war oder vielleicht nur einen Bungeesprung gemacht hat, kennt den Moment, wenn die Welt kurz innehält und alles in Zeitlupe geschieht. Diese Art der tötenden und sterbenden Slowmotion des Krieges um die Insel Saipan wird in WINDTALKERS schon fast inflationär benutzt, aber durch die geschickte Schnittfolge auf keinen Fall langweilig. Wie Marcus Stigglegger im Mediabook befindlichen Booklet schon so treffend formuliert: Es ist eine Art „Todesballett“, was hier aufgeführt wird.
Aufwändige Produktion trifft auf geringe Gegenliebe
Als WINDTALKERS produziert wurde, saß John Woo schon fest im Hollywood-Sattel und konnte mit FACE/OFF (1997) und MISSION IMPOSSIBLE II (2000) große Erfolge an der Kinokasse verbuchen. Es ist also nicht verwunderlich, dass MGM ihm hierfür mit 115 Millionen Dollar eine enorme Unterstützung als Filmbudget zur Verfügung stellte. Auch wenn der Film nun schon über 15 Jahre alt ist, sieht man ihm die hohen Produktionskosten immer noch an. Wenn die Landung der Truppen auf der Insel stattfindet, beginnt eine dauerhafte Spezial-Effekte-Aufführung der Profiliga. Schlachten mit einer Vielzahl von Statisten, jeder Menge Explosionen und Kugeleinschlägen sind zu bestaunen. Stuntmen werden die ganze Zeit durch Feuerfontänen und Dreck in die Luft gewirbelt.
Hier sieht man wieder, dass Computereffekte ein professionelles Stuntteam mit den richtigen Pyrotechnikern in realistischer Optik nie schlagen werden. Aber WINDTALKERS konnte sein Geld an der Kinokasse nicht einspielen. Das liegt sicherlich am hohen Gewaltgrad und auch an der doch sehr amerikanischen Inszenierung des Kriegsgeschehens. Japanische Soldaten fallen gesichtslos der Maschinengewehrsalven von Nicolas Cages Blutrausch zum Opfer. Auch wenn es in diesem Film um die Navajo geht, spielt der Soldat Enders als amerikanischer Held die Hauptfigur. Die Persönlichkeit Enders ist nicht uninteressant, aber ich bin mir sicher, dass die Gruppe der Windtalker eine wesentlich gehaltvollere Story erzählt hätte. Dies war auch einer der Gründe, weshalb der Film auch bei den Kritikern durchfiel. John Woo ist und bleibt eben ein Action-Regisseur.
Das Mediabook von FilmConfect
WINDTALKERS ist im Zuge der FilmConfect Essentials-Reihe im Mediabook zu erstehen. Die immer schön schlicht gehaltenen Covers der Vor-und Rückseiten der Reihe sind auch hier wieder sehr passend zum Film designt. Das Mediabook ist etwas kleiner als das Standard-Format (ungefähre Höhe einer normalen Blu-ray-Hülle). Die Scheibe im Blu-ray-Format ist die bereits veröffentlichte Version von MGM/20th Century Fox. Dadurch ist leider der Begriff Essential auch auf die Ausstattung der Blu-ray anzuwenden. Es gibt nämlich ausschließlich den Film zu sehen, kein Bonusmaterial oder ähnliches.
Wer hier mehr als den Film haben möchte und dazu noch den Director´s Cut muss leider immer noch zur vergriffenen Golden Edition auf DVD ausweichen, aber dann natürlich mit einem schlechteren Bild gegenüber dieser Blu-ray klarkommen. Warum es der Director’s Cut und das Bonusmaterial noch auf keine deutsche Blu-ray geschafft haben, lässt sich wohl nur im Lizenz-Wirrwarr der Verleihe erklären. Über dieses schlichte Paket trösten ein enthaltenes Kinoposter und der interessante Text von Prof. Marcus Stigglegger hinweg. Das 20-seitige Booklet mit seinem Aufsatz macht nicht nur Lust John Woo-Filme wiederzuentdecken, sondern gibt auch eine clevere Sicht auf die Filmästhetik von WINDTALKERS.
Fazit
Eine problemlose Kaufempfehlung für Genre-Fans und John Woo-Liebhaber. Der Film begeistert immer noch durch seine realistischen Spezialeffekte und spannende Inszenierung.
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter