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Why Don’t You Just Die! (2018) – Filmkritik

Wieder einmal landet eine russische Produktion in meinem Player und diesmal bin ich wirklich froh darüber. Auch wenn es sich nicht um einen Science-Fiction-Film handelt, ist Kirill Sokolovs Regiedebüt mehr als nur fantastisch. Geboren wurde Sokolov 1989 in Sankt Petersburg und erhielt im Jahre 2012 seinen Abschluss in Physik(!). Doch schon immer galt seine wahre Liebe dem Film. Während seines Physikstudiums drehte er mit Freunden überwiegend Kurzfilme und verfeinerte seine Technik im Schneiden. Lediglich ein paar Abendkurse absolvierte Sokolov in Sachen Regie und Drehbuch, der Rest ist Talent und Leidenschaft. Nun liegt sein erster abendfüllender Spielfilm vor, doch eine kurze Warnung vorweg: wer mit der Kombination von brutaler Gewalt, Splatter und bitterbösem schwarzen Humor nichts am Hut hat, der sollte einen großen Bogen um WHY DON‘T YOU JUST DIE! machen, alle anderen: bitte Anschnallen!

© Pierrot Le Fou

Inhalt

Irgendwo in Moskau: Matvey (Aleksandr Kuznetsov) besucht seine Schwiegereltern in spe, bewaffnet mit einem Hammer, den er vorerst hinter seinem Rücken versteckt. Die Tür wird von Olyas (Evgeniya Kregzhde) Vater, Andrey (Vitaliy Khaev) geöffnet, ein kräftiger, gefährlich aussehender Polizist, der den jungen Mann nach einigem Zögern hereinlässt. Als Andrey schließlich den Hammer entdeckt, ist sofort klar, was nun folgt. Ein gnadenloser Kampf um Leben und Tod entbrennt und zieht alles um sich herum in einen Strudel aus Gewalt und Tod. Doch der wilde Kampf zwischen den beiden Männern ist nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von unglaublichen Ereignissen und Wendungen, die niemand von ihnen ohne ein größeres Blutopfer beenden wird.

© Pierrot Le Fou

„Sterbe ich?“ – „Ja“ – „Tschuldigung.“

Das im Comic-Stil gehaltene Cover des hochwertigen Mediabooks gibt uns schon eine erste Ahnung davon, was hier die nächsten Minuten auf den geneigten Zuschauer einprasselt. Überzogene, durchgeknallte und äußerst skurrile Charaktere, einer verrückter als der andere, aber im positiven Sinne. Denn schon nach wenigen Minuten schließt der Betrachter jeden Einzelnen in sein Herz und möchte ihn nicht mehr missen, auch den grobschlächtigen Polizisten Andrey. Gerade Andrey und sein viel jüngerer und schmächtigerer Gegenspieler Matvey haben einen großen Anteil daran. Nicht nur der körperliche, sondern auch der psychische Kontrast der beiden Akteure befeuert dieses Tom-Und-Jerry-Theater ungemein. Wenn man bedenkt, dass der komplette Cast, bis auf Mikhail Gorevoy, relativ unerfahren ist, beeindrucken die Leistungen der Darsteller umso mehr.

Mediabook Uncut #19 von Pierrot Le Fou

Die komplette Handlung presst sich in die kleine, nur wenige Quadratmeter umfassende, typisch russische Hochhauswohnung. Trotz der Enge erschafft sich Sokolov einen gigantischen Kosmos, in dem seine Charaktere zu jeder Sekunde glänzen können. Begleitet von grandiosen Kamerafahrten und berauschenden Bildern seines Kameramannes Dmitriy Ulyukaev. Man spürt und sieht die Liebe zum Detail, die Sokolov in jedes Bild investiert. Zudem brilliert sein erster Spielfilm mit einer beeindruckenden, atmosphärischen Beleuchtung und einem schlichten, aber genialen Soundtrack. Hinzu kommt noch das filmische Wissen des Regisseurs um all die großen Klassiker der Filmgeschichte die immer wieder bei WHY DON‘T YOU JUST DIE! rezitiert werden. Nicht nur für das Ohr, sondern auch für das Auge gestaltet der junge Regisseur hier besonders die Showdowns von Thrillern oder Westernklassiker, Kirill Sokolov nennt so etwas „Apartment-Western“.

Aber gerade die Gewaltausbrüche werden nicht einfach stumpfsinnig heruntergespielt, oder zielen lediglich auf eine möglichst schockierende Unterhaltung wie etwa im Film HARDCORE (HARDCORE HENRY, 2015) seines Kollegen Ilya Naishuller. Nein, denn hier wird die Gewalt zelebriert, bis zur letzten Einstellung und bis zum letzten Blutstropfen. Ein unglaublicher Blutrausch, der immer wieder vom schwarzen, sehr bissigen Humor seines Regisseurs abgelöst wird. Jedes bekannte Vorurteil und Topoi, das die russische Kultur hergibt, werden hier bemüht und auf die Spitze getrieben. Zum einen tragen die beiden charismatischen Kontrahenten dazu bei, aber auch die Ausstattung tut ihr Übriges. Dazu gesellt sich noch ein atemberaubendes Tempo wie auch die mehr als gelungene Schnittführung, die bei diesem Spießrutenlauf par excellence zur Unterhaltung beitragen. Obwohl für WHY DON‘T YOU JUST DIE! nur ein minimales Budget vorhanden war, lässt der Film sich das zu keiner Zeit anmerken, ganz im Gegenteil.

© Pierrot Le Fou

Fazit

WHY DON‘T YOU JUST DIE! ist eine sehr intensive und verrückte Erfahrung, wie ich sie schon lange nicht mehr bei einem Film erlebt habe. Hier stimmt einfach alles, vor allem die wendungsreiche Story, die sich erst nach und nach für alle Beteiligten, wie auch den unwissenden Zuschauer, entblättert. Nichts ist hier so, wie es scheint, und mit jeder weiteren Minute kann sich alles erneut um einhundertachtzig Grad drehen. Als Bonus findet der Filmfreund noch jede Menge Reminiszenzen an bekannte Werke, man denke nur an den Hammer, OLDBOY (OLDEUBOI, 2003) und dann diese Tapete, die eine sehr große Ähnlichkeit mit dem legendären Teppichmuster aus Stanley Kubricks SHINING (THE SHINING, 1980) besitzt. Dazu jede Menge Quentin Tarantino, Sergio Leone, Martin Scorsese und etwas TANZ DER TEUFEL (THE EVIL DEAD, 1981) sind hier zu finden. Am ehesten würde ich dieses abgefahrene Kammerspiel mit dem durchgeknallten SHOOT ‘EM UP (2007) von Michael Davis vergleichen, der ebenfalls überspitze Gewalt, eine unglaubliche Story und rabenschwarzen Humor zu einem wilden Cocktail vermischte. Hoffentlich bewahrt sich Kirill Sokolov seine Begeisterung für den Film und beglückt uns weiterhin mit solch großartigen Werken. Ganz sicher sollte man diesen jungen Regisseur im Auge behalten.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewWhy Don't You Just Die (2018)
OT: Papa, Sdonkhni
Poster
Releaseseit dem 27.03.2020 auf Blu-ray, DVD und im Mediabook

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RegisseurKirill Sokolov
Trailer
BesetzungAleksandr Kuznetsov (Matvey)
Vitaliy Khaev (Andrey Gennadievitch)
Evgeniya Kregzhde (Olya)
Mikhail Gorevoy (Yevgenich)
Elena Shevchenko (Natasha)
DrehbuchKirill Sokolov
KameraDmitriy Ulyukaev
FilmmusikKirill Bodrov
Alexander Kopeikin
SchnittKirill Sokolov
Filmlänge102 Minuten
FSKab 18 Jahren

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