„Tiefer die Tröten nie tuten“
– Eine Exkursion ins zamonische Brauchtum der Lindwürmer –
Als gestandene Leserin der Bücher von Walter Moers und Expertin für zamonische Angelegenheiten, freute sich mein Dichterherz bereits bei der Ankündigung des neuen Buches „Prinzessin Insomnia und der alptraumfarbene Nachtmahr“. Doch als nun, nach so langer Stille um die geheimnisumwobene Person Walter Moers das Buch „Weihnachten auf der Lindwurmfeste“ erschien, war für mich die weihnachtliche Vorfreude perfekt. Trotz des Untertitels „Warum ich Hamoulimepp hasse“, kann ich versprechen, dass euch die Weihnachtsstimmung nach Genuss der Lektüre nicht abhandenkommen wird.
Inhalt
Auch bei diesem Buch fungiert Moers lediglich als Übersetzer des zamonischen Textes von Hildegunst von Mythenmetz. Mythenmetz, seines Zeichens erfolgreichster Schriftsteller Zamoniens und Bewohner der Lindwurmfeste, erläutert in Form eines Briefes seinem vertrauten Freund, dem Eydeeten Hachmed Ben Kibitzer, das Wesen des dreitägigen traditionellen Festes der Lindwürmer „Hamoulimepp“. Wie im moers´schen Vorwort erklärt, weist Hamoulimepp einige frappierende Parallelen zu unserem Weihnachtsfest auf.
Mindestens eine Woche vor den Hamoulimepp-Feierlichkeiten, welche an den drei letzten Tagen des Jahres gefeiert werden, geht der Hamoulimeppstress auf der Lindwurmfeste los. Mythenmetz beschreibt es so
„als habe eine Geisteskrankheit (…) die Lindwurmfeste eingehüllt und sämtliche Bewohner kollektiv um den Verstand gebracht.“
Es werden typische „Weihnachtsvorbereitungen“ getroffen, wie zum Beispiel Hamoulimeppbäume bemalt. Vorerst müssen diese Steinspitzen aus den Zinnen der Feste gebrochen werden. Sie dienen dazu, kleine Geschenke, welche in Eierschalen der dort beheimateten Felsengeier gepackt werden, stilsicher in Szene zu setzen. Natürlich dürfen der Hamouli und sein Mepp nicht fehlen. Aus den Überlieferungen geht nicht hervor, was genau diese beiden Wesen sind und wie sie überhaupt aussehen. Mythenmetz versteigt sich hier recht typisch in abnorme Umschreibungen über deren Wortwahl man einige Male herzlich lachen kann. Er lässt sich auch nicht lumpen, ausschweifend über seine Kindheitstraumata zu berichten, die durch den sadistischen Mepp und die sogenannte Hamoulirute zustande kamen. Die seiner Meinung nach „(…) abwegige pädagogische Einschüchterungsmethode“ lässt den Leser einmal mehr über die Geschichten um den Weihnachtsmann reflektieren.
Wer kennt schließlich nicht den Satz aus der Kindheit: „Wenn du nicht brav bist, kommt der Weihnachtsmann mit seiner Rute und es gibt bloß Kohlen unterm Weihnachtsbaum.“? Auch der alljährliche Verpackungswahnsinn bekommt durch die Parallelen zu Hamoulimepp einen ordentlichen Seitenhieb ab. Die oben beschriebenen Felsengeier sind mittlerweile nämlich vom Aussterben bedroht, was die Lindwürmer jedoch nicht daran hindert, weiterhin ihre Geschenke in den Eierschalen zu verpacken. Die Hamoulimeppbäume werden zudem nach den Feierlichkeiten ungeachtet über den Rand der Feste entsorgt. Moers stellt damit auch in diesem Buch wieder seine Fähigkeit unter Beweis, gesellschaftskritische Themen mit viel metaphorischem Feingefühl zur Sprache zu bringen.
Mythenmetz beendet das Buch mit der Beschreibung des Hamoulimepp-Finales. Ein vierstündiges, todlangweiliges „Krippenspiel“ mit einfältiger Lindwurmmusik, gefolgt von reichhaltigem Essen und einem Abschlussfeuerwerk ohne Feuer. Schlussendlich wird klar, dass sogar Hildegunst von Mythenmetz einige positive Dinge an Weihnachten, Verzeihung Hamoulimepp natürlich, findet. So liebt er das Essen und dessen Tradition an vergangene Zeiten zu erinnern und auch das Feuerwerk hat für ihn durchaus seinen Charme.
Design
Wer Moers liebt, liebt nicht nur die Prosa an sich, sondern auch seine detailgenauen, stets in schwarz-weiß gehaltenen, Illustrationen. Nun, auf diese müssen wir im Buch leider verzichten, denn auch wie bei „Prinzessin Insomnia“ reichte Moers die Zeichenfeder an die Berlinerin Lydia Rode weiter. Sie zeichnet mit pastelligen Wasserfarben und weniger Details, aber dafür in deutlich mehr Einzelbildern. Trotzdem passt ihr Stil gut ins zamonische Universum. Auch wenn mein inneres Gewohnheitstier etwas mäkelt, so muss ich sagen, dass dieser Zeichenstil dem Buch guttut. Im Anhang befindet sich eine sogenannte „Taxonomische Tafel“, wo alle zamonischen Besonderheiten der Lindwurmfeste, welche im Buch angesprochen werden (Hamoulimeppbäume, Felsengeiereier…), nochmal mit einer Illustration hinterlegt sind. Man kann somit während des Lesens mit Hilfe von Fußnoten nachschlagen oder so wie ich es gemacht habe, erst am Ende alle Bilder genauer ansehen. Das Buch ist mit seinen 112 Seiten recht dünn und jede Seite ist im Briefformat gestaltet. Rein quantitativ betrachtet bekommt man für 15 Euro wenig geboten. Dies wird aber durch die gute Qualität locker wett gemacht.
Fazit
„Weihnachten auf der Lindwurmfeste“ schließt ohne große Veränderungen an die vorherigen Moers-Romane an. Der detailreiche und sprachlich hochwertige Schreibstil liest sich locker und streichelt das Dichterherz. Nebenbei wird zum Nachdenken über Konsumwahnsinn und all die verschrobenen Traditionen, denen wir zum Weihnachtsfest frönen, angeregt. Die allgegenwärtige moers´sche Komik äußert sich zum Beispiel bei den typischen Hamoulimepp-Liedern der Lindwürmer („Tiefer die Tröten nie Tuten“; „Morgen, Würmer wird’s was geben“) Damit ist dieses Werk definitiv lustig angelegt, aber keineswegs albern. Für jeden Bücherliebhaber und Freund der zamonischen Dichtkunst gebe ich hiermit eine Empfehlung raus.
Ich wünsche euch ein frohes Hamoulimepp!
- Mit Illustrationen von Walter Moers, Lydia Rode
- Hardcover, 112 Seiten, 17,0 x 24,0 cm
- durchgehend vierfarbig illustriert
- ISBN: 978-3-328-60071-8
- Preis 15 € Bei Amazon kaufen (Affiliate Link)
- Erschienen am 23. November 2018 im Penguin Verlag