„Wenn Lämmer Löwen anführen“
Ein Film, der mit drei Hollywood-Schwergewichten auffährt und dem es dennoch nicht gelingt an der Kinokasse zu punkten, muss schon extrem schlecht sein oder etwas mit Politik zu tun haben. Meryl Streep, Tom Cruise und Robert Redford (vor wie auch hinter der Kamera) konnten VON LÖWEN UND LÄMMERN nicht zu einem Kinoerfolg werden lassen. Selbst auf ein Blu-ray-Release musste man hierzulande 10 Jahre warten, was Studio Hamburg nun beendet hat. Aber selbst die Filmproduktion stand schon 2007 auf wackligen Beinen, als das Filmprojekt von der Filmgesellschaft United Artists, welche 2019 ihr 100-jähriges Jubiläum feiert, gestartet wurde. Zu diesem Zeitpunkt gehörte die Leitung von UA tatsächlich Tom Cruise, der aber bereits 2008 wieder von dem Posten zurücktrat. Cruise machte es zusammen mit Robert Redford möglich, das komplexe Drehbuch von Matthew Michael Carnahan zu inszenieren.
Cruise, Redford und Streep verzichteten sogar auf ihre Schauspielergage zugunsten einer Gewinnbeteiligung, die bei 35 Millionen Dollar Budget und gleichen Einspielergebnissen kaum zustandekam. Entwickelt denn ein politisch und gesellschaftlich anspruchsvolles Thema sowie eine Handlung, die fast nur aus Dialogen besteht, eine solche Abscheu für den Kinobesucher 2007, dass jener sich lieber TRANSFORMER, SPIDER-MAN 3, HARRY POTTER UND DER ORDEN DES PHOENIX und SHREK 3 anschaut? Anscheinend schon, denn 2007 hatte man von Politik die Nase gestrichen voll, die USA war in einem „Krieg gegen den Terror“ eingetreten, der Irak wurde militärisch erobert und es sah nicht danach aus, dass die Weltmacht es jemals wieder aus dem mittleren Osten herausschaffen würde. Also, warum soll man sich auch noch im Kino mit dieser Thematik auseinandersetzen, wenn schon die Talkshows voll mit Debatten dieser Art sind?
Weil die Diskussion über ein solch komplexes Themengebiet selten so spannend erzählt wurde wie in VON LÖWEN UND LÄMMERN.
Handlung
Wie auch das Kinoplakat und die Besetzung klarmachen, die Story orientiert sich an der Zahl Drei. VON LÖWEN UND LÄMMERN besitzt ebenfalls drei Handlungsstränge. Die Journalistin Janine Roth (Meryl Streep) hat einen Interviewtermin bei Senator Jasper Irving (Tom Cruise), der versucht ihr seine neue Strategie im Afghanistan-Konflikt zu verdeutlichen und sie mit einer exklusiven Berichterstattung lockt. Genau in diesem Land befinden sich die Soldaten Ernest Rodriguez (Michael Peña) und Arian Finch (Derek Luke), die die neue Strategie bereits in einer Mission umsetzen. Im dritten Handlungsstrang hat der Student Todd Hayes (Andrew Garfield) einen Termin bei seinem Professor für Politikwissenschaften Stephen Malley (Robert Redford), der ihm ein Projekt anbietet, worauf sich Todd die Anwesenheit in den Vorlesungen sparen könnte. Alle drei Storylines finden zur selben Zeit und in Echtzeit statt. Das heißt, es gibt nur einen Zeitsprung, weil wir in diesem Moment gerade anderen Figuren folgen.
Anspruchsvoll umgesetzt
VON LÖWEN UND LÄMMERN ist genau 91 Minuten lang und somit die beste Vorlesung, die man in Politikwissenschaften der USA im Jahr 2007 ohne eine Immatrikulation erhalten kann. Auch der zeitgleiche Handlungsverlauf und die immer weiter erkennbaren Zusammenhänge sind spannend geschrieben. Aber erst richtig genial sind die Dialoge, welche anspruchsvoll, doppeldeutig und von diesen Schauspielgrößen auf höchstem Level ausgespielt werden. Wenn man als Zuschauer 100 Prozent seiner Aufmerksamkeit mitbringt, bekommt man dafür auch eine Diskussion zum Thema Kriegseinsatz am anderen Ende der Welt geboten, wonach sich Maischberger die Finger lecken würde. Was der Drehbuchschreiber Carnahan und Redford in der Regie ebenfalls genial gelöst haben, ist, dass man recht unwissend zum Thema den Dialogen dennoch folgen kann. Es wird einem Stück für Stück die Tiefe der Situation klar.
Vielleicht lag es nur an Robert Redford, aber man ist an den genial erzählten SPY GAME erinnert und fiebert mit allen Protagonisten in ihrem Lauf mit den Sekundenzeigern der Uhren mit. Sympathieträger-Handlung ist sicherlich das Zusammentreffen von Robert Redford und Andrew Garfield (UNDER THE SILVER LAKE), wo ich persönlich am meisten es nachvollziehen konnte, was gerade beim Studenten Todd für ein Lebenswandel stattfindet, man selbst das System „Uni“ in Frage stellt und sich ein solches Treffen mit einem Professor dieses Kalibers einmal die Woche wünscht. Aber auch die Freundschaft der beiden Soldaten in der Gefahrensituation ist selbst ohne große Action aufreibend. Tom Cruise als aalglatter Politiker im blütenweißen Hemd und noch viel strahlenderen Zähnen, der glaubt mit der Journalistin Roth leichtes Spiel zu haben, zeigt als Schauspieler eine neue Seite. Aber die Figur von Meryl Streep erwacht im Verlauf des Interviews aus ihrer passiven Arbeitsweise und macht diese Szenen anspruchsvoll und spannend zugleich. Den Effekt, dass man einen Wechsel zum anderen Handlungsstrang bedauert, weil der aktuelle gerade so spannend ist, stellt sich gar nicht erst ein, so perfekt wird der Zuschauer hier in die Schnitt-Montage mitgenommen.
Fazit
Ein spannendes, anspruchsvolles Triptychon zur poltischen Debatte der USA wurde hier in einem Film mit der Länge einer Universitäts-Vorlesung inszeniert. Ein hochkarätiges Schauspiel trifft auf ein Drehbuch, was von seinen Zuschauern viel fordert, aber dafür auch viel Wissen zurückgibt. Ein Film, bei dem man nach dem Abspann definitiv noch Redebedarf hat, also nicht allein ansehen.
Die Blu-ray
Die Blu-ray bietet leider ausschließlich den Film. Keinerlei Bonusmaterial ist darauf zu finden, dabei hätten gerade bei der Thematik ein paar audiovisuelle Extras manchem Zuschauer noch dankbar etwas Wissen vermittelt. Aber zehn Jahre auf eine materielle HD-Auswertung zu warten beweist, welches Kassengift politische Filme immer noch sind, auch wenn sie so gut wie VON LÖWEN UND LÄMMERN inszeniert werden.
Titel, Cast und Crew | Von Löwen und Lämmern (2007) OT: Lions for Lambs |
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Poster | |
Release | ab dem 07.12.2018 auf Blu-ray erhältlich Bei Amazon kaufen (Affiliate Link) |
Regisseur | Robert Redford |
Trailer | |
Darsteller | Robert Redford (Prof. Stephen Malley) Meryl Streep (Janine Roth) Tom Cruise (Senator Jasper Irving) Michael Peña (Ernest Rodriguez) Andrew Garfield (Todd Hayes) Derek Luke (Arian Finch) Peter Berg (Lt. Col. Falco) |
Drehbuch | Matthew Michael Carnahan |
Musik | Mark Isham |
Kamera | Philippe Rousselot |
Schnitt | Joe Hutshing |
Filmlänge | 91 Minuten |
FSK | ab 12 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter