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johnny-mnemonic Vernetzt Keanu Reeves

Vernetzt – Johnny Mnemonic (1995) | Filmkritik

„Zukunftsvisionen aus der Kindheit“

Als Kind, welches in den 90er Jahren seine Bildung hauptsächlich aus Science-Fiction- und Actionfilmen erhielt, kam ich an VERNETZT – JOHNNY MNEMONIC nicht vorbei. 1995 hatte man sich die Zukunft, in diesem Film konkret 2021, düster, dreckig und mit einer ordentlichen Portion Klassenkampf vorgestellt. Außerdem konnte man in dieser Zukunft mit der Concorde noch über Ozeane fliegen, mit riesigen roten Telefonen weltweit telefonieren und ein 320-Gigabyte-Datenspeicher stellte noch etwas enorm Umfassendes dar. All dies ist in unserer Zeit, aktuell 2018, nicht richtig eingetreten, die Concorde wurde wegen Sicherheitsproblemen und wirtschaftlichem Irrsinn 2003 eingestellt, Telefone passen in die Hosentasche und können locker mit 320 GB Katzenvideos gefüllt werden. Warum sollte man sich diesen, bisweilen etwas trashigen, Cyberpunktstreifen im Jahr 2018 in HD-Auflösung auf dem heimischen Fernseher noch einmal ansehen? Nur ein Satz: Keanu Reeves und ein Delfin retten die Welt!

Nein, es gibt natürlich mehrere Gründe, aber dazu später mehr. Wer seinen Hintern Ende des 20. Jahrhunderts nicht vor der Glotze geparkt hatte, dem gebe ich erst einmal eine kleine Inhaltsangabe.

Johnny Mnemonic Fish
© Turbine Medien

Inhalt

2021 gehört die Weltmacht ein paar wenigen Großkonzernen. Für Regierungen interessiert sich keiner mehr und die Arm-Reich-Schere ist so weit auseinander geklappt, dass man sich den eigenen Körper mit technischen Upgrades erweitern muss, um überhaupt noch einen Job zu finden. Johnny (Keanu Reeves) hat sich eine Festplatte ins Hirn implantieren lassen, um darauf geheime Daten zu schmuggeln. Dafür musste er „nur“ die Erinnerung an seine Kindheit hergeben. Es lebt sich ohne Langzeiterinnerungen in Luxus-Hotels und mit 10.000-Dollar-Prostituierten doch zu langweilig, so dass er seine Kindheitserinnerungen von Ralfi (Udo Kier) zurückkaufen will.

johnny Mnemonic verkabelt Keanu Reeves
© Turbine Medien

Dafür muss er aber noch einen letzten Job machen, bei dem er seine silicone Großhirnplatte extrem überlädt und diese droht innerhalb von 24 Stunden in seiner Birne zu schmelzen. Außerdem wollen die Yakuza im Auftrag der Pharmaindustrie und Boss Takahashi, gespielt vom internationalen Dauer-Yakuza Takeshi Kitano, ebenfalls an die Daten, am liebsten gleich seinen ganzen Kopf. Jede Menge Action und schrullige 90er-Animationen lassen Johnny zu besagtem fischigem Säugetier gelangen und hoffentlich die Welt retten.

Johnny-Mnemonic-Takeshi Kitano
© Turbine Medien

90er Jahre Team-Up

Es ist schon bemerkenswert, wie sich dieser Film in manche Filmerinnerungen eingebrannt hat. Vor allem durch die dunkle Zukunftsvision, die Rebellion gegen das Establishment und die kräftige Würze durch Gewaltszenen. Ich konnte damals VERNETZT – JOHNNY MNEMONIC nur geschnitten im Fernsehen bestaunen und musste mit dem seltsamen Verschwinden von Nebenrollen wie der von Henry Rollins als Spider und Udo Kier als Ralfi, dem in der geschnittenen Version ironischer Weise gerade nicht sein Körper zerschnitten wird, leben. VERNETZT ist jetzt ungeschnitten auf Blu-ray zu haben und sogar in der Jugendfreigabe von 18 auf 16 Jahren heruntergestuft worden.

johnny_mnemonic Diana Meyer
© Turbine Medien

Der Cast bekommt durch Ice-T als obercoolen Chef der Low-Tecs, Dolph Lundgren als Über-Cyborg-Prister und Dina Meyer (STARSHIP TROOPERS) als Kettenhemd tragende Bodyguardin Jane ordentlichen Nostalgie-Credit. Allen voran ist der 29-jähige Keanu Reeves als „Just Johnny“ geschaffen für dunkle Anzüge und zeigt als verzogener Cyber-Bengel viel Charisma. Vier Jahre nach VERNETZT – JOHNNY MNEMONIC wird er mit der „Matrix-Trilogie“ international mit dem Science-Fiction-Genre verschmelzen. Sicherlich ist den beiden Matrix-Regisseuren/innen sein Bild beim Schreiben des Drehbuchs gleich in den Sinn gekommen.

Johnny Mnemonic Keanu Reeves Diana Meyer
© Turbine Medien

Aber VERNETZT – JOHNNY MNEMONIC kann nicht nur als Schauspielsprungbrett gesehen werden. Der Regisseur Robert Longo hat nach dem mittelprächtigen kommerziellen Erfolg des Films nie wieder einen Spielfilm gedreht und sich der bildenden Kunst zugewandt. Mich hat, nach einer ca. 15-jährigen Pause meiner letzten Sichtung, die interessante Zukunfts-Prämisse fasziniert. Das ist sicherlich zu großem Teil der Kurzgeschichten-Grundlage von William Gibson zu verdanken. Aber die Aussage Dr. Spiders, dass die technische Abhängigkeit uns nicht nur alle krank macht, sondern auch abstumpfen lässt, hat heute immer noch Gewicht, wenn Menschen im blauen Schein ihres Telefons durch die Gegend geistern.

Johnny-Mnemonic-Henry Rollins
© Turbine Medien

Das Blu-Ray-Release von Turbine

Turbine zeigt in seinem Katalog einen höchst eigenwilligen Filmgeschmack, da stolpert man neben Horrorfilmen auch mal über Trickfilme und Fußballvereins-Videos. Aber mit VERNETZT – JOHNNY MNEMONIC haben sie viel Filmherz gezeigt und anscheinend in den 90ern auch genug Sitzfleisch vor der Glotze bewiesen. Das Blu-Ray-Release kam zusammen mit THE FAN (1996), DEATH MACHINE (1994), GLENGARRY GLEN ROSS (1992) und vielen weiteren Filmen in einer ordentlichen Nostalgiewelle aus dem Turbine-Hangar. Das Bild der Blu-Ray ist vollkommen in Ordnung, mehr war hier sicherlich nicht aus den Aufnahmen herauszuholen und hat ordentliche Schwarzwerte. Die Disc besitzt einen Dolby Atmos Ton, über den ich leider kein Urteil fällen kann, weil mir hierfür die technischen Mittel fehlen. Die deutsche Synchronisation und der Originalton in Stereo sind jedoch bestens für eine Reise in die Film-Kindheit geeignet. Vor allem die Filmmusik von Brad Fiedel (TERMINATOR, ROBOCOP) kommt gut zur Geltung. Interessant ist die japanische Langfassung, die es im Bonusmaterial gibt und sieben Minuten länger als die US-Version ist. Es gibt hierbei nicht nur zusätzliche Szenen, sondern auch neue thematische Schwerpunkte. Es wurde nicht nur der Soundtrack mit Stücken von Filmkomponist Mychael Danna (MONEYBALL, LIFE OF PI), geändert, sondern auch die Rolle von Takeshi Kitanao bekommt wesentlich mehr Tiefgang. Wer VERNETZT – JOHNNY MNEMONIC schätzt und zu oft gesehen hat, sollte hier reinschauen. Die Japan-Version ist leider nur in DVD-Qualität (SD) und in OmU enthalten.

Johnny Mnemonic Cyberspace
© Turbine Medien

Fazit

Der Film ist für alle Fans von 90er-Jahre-Action mit Cyberpunk-Dystopie ein Must-Have. „Vernetzt – Johnny Mnemonic“ reiht sich perfekt als Wegbereiter für „Matrix“ mit „Strange Days“ (1995) und „Existenz“ (1998) in die heimische Filmsammlung ein. Für diejenigen, die den Film bereits kennen, sollten sich der Griff zum schicken Steelbook von Turbine und ein Blick in die japanische Langfassung sicher lohnen.

TitelVernetzt - Johnny Mnemonic (1995)
OT: Johnny Mnemonic
RegisseurRobert Longo
Poster
ReleaseVon Turbine
Blu-Ray in Softbox (bei Amazon kaufen)
Mediabook in 3 Varianten (2.000/500/500) Im Turbine-Shop kaufen
Steelbook (limitiert auf 2.000 Stück) (bei Amazon kaufen)
SchauspielerKeanu Reeves (Johnny)
Dina Meyer (Jane)
Ice-T (J-Bone)
Takeshi Kitnao (Takahashi)
Dolph Lundgren (Street Preacher)
Henry Rollins (Spider)
Udo Kier (Ralfi)
Trailer
DrehbuchWilliam Gibson
KameraFrançois Protat
MusikMychael Danna (Director's Cut) (japansiche Langfassung)
Brad Fiedel (US-Version)
SchnittRonald Sanders
Technische Daten der Blu-rayTon: Deutsch und Englisch in Dolby Atmos und DTS-HD Master Audio 2.0
Bild: 1,85:1 (1080p24)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Laufzeit: 98 min (US-Version) 105 min (japanische Langfassung)
Regionalcode: B

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