Ende der 1950er-Jahre war das Genre des amerikanischen Western im Umbruch, die legendären, aber auch recht friedlichen Klassiker wie zum Beispiel ZWÖLF UHR MITTAGS (1952) wurden abgelöst und die nach Revolution rufenden 60er-Jahre klopften unerbittlich an die Tür. UM KOPF UND KRAGEN aus dem Jahr 1957 ist ein geradliniger, schlüssiger und ebenso harter Western, der sich als B-Movie tarnt und viele Jahre später immer noch zu den Klassikern zählt. Martin Scorsese und Quentin Tarantino schwärmen nicht ohne Grund von Budd Boettichers Geiselnahme-Thriller mit Film Noir-Elementen. Koch Films bringt den im Original betitelten THE TALL T auf Blu-ray in ihrer Filmreihe EDITION WESTERN-LEGENDEN als Nummer #58 heraus. Ein Grund, sich der Filmempfehlung der Regie-Ikonen Scorsese und Tarantino zu fügen.
Inhalt
Pat Brannan (Randolph Scott) hat das Leben eines Ranchverwalters hinter sich gelassen. Er hat nun sein eigenes Stück Land und muss nicht mehr Pferde zureiten oder Rinderherden über die karge Landschaft treiben. Als er bei einer Wette um einen Zuchtbullen sein Pferd verliert, fährt er per Anhalter in der Kutsche des frisch vermählten Ehepaars Doretta (Maureen O‘Sullivan) und Willard Mimms (John Hubbard) mit. Sie werden an der nächsten Station irrtümlich für die Postkutsche gehalten und von drei Banditen überfallen. Diese machen sofort klar keine Zeugen zu wollen. Der Anführer der Bande Frank (Richard Boone) erfährt jedoch, dass Doretta die Tochter eines reichen Kupferminenbesitzers ist. Daraufhin werden die drei Geiseln von den Ganoven gefangen genommen und versteckt. Doretta soll erst wieder gegen ein Lösegeld freikommen, somit brauchen die Verbrecher die anderen beiden Männer wohl nicht mehr.
Simpel, aber effektiv
Beeindruckend bei UM KOPF UND KRAGEN ist der schnelle Stimmungswechsel nach dem ersten Akt. Vorher fühlt man sich noch in der Zeit von Hollywoods Familien-Western eingehüllt, als viel gelacht, immer ein ehrliches Wort gesprochen und auch mal ein Kinnhaken verteilt wird. Aber mit dem Auftritt der bedrohlichen Gangster aus dem Halbschatten, welche auch über Kinderleichen zu schreiten bereit sind, schlägt der Film in eine ganz andere Richtung. Dieser einfache, aber effektive Aufbau ist auch dem B-Movie-Charakter des Films zu verdanken. Regisseur Budd Boetticher und sein Hauptdarsteller Randolph Scott können insgesamt sieben Filme zusammen vorweisen und zeigen auch bei diesem Streifen ihr Talent als Kreativteam. 18 Drehtage sind für eine Filmproduktion dieser Art sehr spärlich und mit gerade einmal sechs aktiv agieren Filmrollen ist dieser Western wie das Land in dem er spielt geradezu spartanisch inszeniert. Die Rolle der Frau wirkt für unsere aufgeklärten Augen etwas naiv und fügsam. Aber man muss bedenken, dass im Wilden Westen Frauen nach ihren Kochkünsten beurteilt wurden und Schauspielerinnen in den 50er-Jahren beim leidenschaftlichen Kuss willenlos fast der Hals verdreht wurde. Diese „Romanze“ lenkt auch etwas von den beiden Kontrahenten Brennan und Frank ab. Beide wollen das Gleiche, etwas Land mit einem einfachen Leben, haben sich jedoch für unterschiedliche Wege dorthin entschieden. Brennan, ein ehrlicher Mann, würde auch einen Mörder niemals in dessen Rücken schießen, wohingegen Frank einer Geisel problemlos Hoffnung auf Freiheit macht, um diese darauf gnadenlos abknallen zu lassen. Interessant ist der auch damals schon gruselige Henry Silva (BOTSCHAFTER DER ANGST, NICO) als Revolverheld Chink, der mehr Bedrohung ausstrahlt als sein Anführer.
Fazit
UM KOPF UND KRAGEN ist spartanisch wie das Western-Genre selbst und kann mit düsteren Film Noir-Elementen jede Menge Spannung aufbauen. Die Veröffentlichung von Koch Films macht es dem Film gleich und zeigt ein scharfes Bild mit sehr gutem Ton, auch bei der deutschen Synchronisation. Kleines Extra auf der Scheibe ist die 6-minütige Schwärmerei von Martin Scorsese über den Film. Wer Western mag, sollte bei diesem „historisch, kulturell und ästhetisch signifikanten“ Kulturgut von Amerika (Zitat der National Film Registry by the Library of Congress) definitiv einen Stopp einlegen.
Eine umfangreiche Sammlung von Reviews zu der EDITION WESTERN-LEGENDEN stellen die Kollegen bei „Die Nacht der lebenden Texte“ parat.
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter