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Über dem Jenseits (1981) – Filmkritik

„Lovecraft und die Geisterstadt der Zombies“

Die erste Verfilmung einer Vorlage von Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) erschien 1963 und galt lange auch als die werkgetreuste: Bereits der aus Publicity-Gründen gewählte Original-Titel von Roger Cormans DIE FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS (The Haunted Palace) – es handelt sich um das Gedicht, welches in die Handlung von Edgar Allan Poes Untergang des Hauses Usher eingeflochten ist – verweist auch auf Themen des Lovecraftschen Kosmos: die Metapher eines uralten, nahezu „lebendigen“ Hauses als Spiegelbild des Zustandes, in dem sich dessen Bewohner (üblicherweise eine Familie) befinden, eingebettet in eine doppelt narrative Erzählstruktur, bei der die Geschichte selbst in der Vergangenheit und in der Gegenwart berichtet wird. 1965 folgte DAS GRAUEN AUF SCHLOSS WITLEY (Die, Monster, Die!), eine atmosphärisch dichte Inszenierung von Daniel Haller, die sich sowohl an Lovecrafts „Farbe aus dem All“, aber auch an Poe orientiert.

ÜBER DEM JENSEITS (1981)

 

THE DUNWICH HORROR, der Anfang 1970 seine Premiere hatte, war die erste Verfilmung einer Lovecraft-Geschichte, bei welcher der Titel der Erzählung und des Films identisch war. Entstanden als Gemeinschaftsarbeit von Roger Corman als Produzent und erneut Daniel Haller als Regisseur, greift der Film, die Thematik der „Dämonenschwängerung“ – ein in der Okkult-Welle in Folge von Roman Polanskis ROSEMARIES BABY (1968) häufiges Motiv im Horrorfilm der 1970er Jahre – in verhältnismäßig drastischen Bildern wie die Vergewaltigung durch ein mit Tentakeln besetzten Wesen auf.

Lucio Fulcis Geister-Film ÜBER DEM JENSEITS (…E tu vivrai nel terrore! L’aldilà), der auch unter den Titeln EIBON – 7 TORE DES SCHRECKENS oder GEISTERSTADT DER ZOMBIES bekannt ist, nimmt wie Cormans FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS deutlichen Bezug auf „Der Fall Charles Dexter Ward“, eine von Lovecraft bereits 1927 verfasste Erzählung, die allerdings erst nach seinem Tod erschien, ohne dies Vorlage im Vorspann zu nennen.

ÜBER DEM JENSEITS (1981)

 

Handlung

Am Beginn zitiert Fulci ausgiebig Corman und vielleicht noch deutlicher Lovecraft selbst: der Maler Schweick (Antoine Saint-John) wird in den 1920er Jahren in Louisiana als Hexenmeister beschuldigt von einer wütenden Menge gekreuzigt und mit Kalk überschüttet. Jahrzehnte später erbt die New Yorkerin Lisa Merrill (Katherine MacColl) das Gebäude, indem die grausame Tat geschah. Sie möchte das ehemalige Hotel wieder eröffnen. Bei den Renovierungsarbeiten geschehen seltsame Dinge: bei Malerarbeiten stürzt ein Handwerker zu Tode, ein weiterer, Joe (Giovanni De Nava = Tonino Pulci), stirbt im feuchten Keller des Gebäudes. Joe wird als Zombie zurückkehren und seine Familie infizieren. Von einer blinden Frau, Emily (Cinzia Monreale), wird Lisa schließlich gewarnt, sie solle das Hotel aufgeben. Schließlich offenbart Emily, dass das Hotel auf einen der sieben Tore der Hölle errichtet wurde.

Stellenwert

Im Unterschied zu Fulcis früheren Filmen verfügt ÜBER DEM JENSEITS über eine nicht-lineare, elliptische Erzählweise, Traumsequenzen und plötzlichen Wendungen in der ohnehin nur fragmenthaft vorhandenen Geschichte. Fulci selbst sagte hierzu: „Meine Idee war einen absoluten Film zu drehen. Dies ist praktisch ein Film ohne Handlung, es gibt keine Logik, nur eine Abfolge von Bildern.“ Der Film entstand zwischen Oktober und Dezember 1980 in Louisiana, als Kulisse für das Hotel diente das Otis House in Madisonville. Teilweise fanden auch die Innenaufnahmen dort statt. Die von Massimo Lentini entworfene Schlusssequenz des Films, dass das Meer der Finsternis wie ein riesiges Gemälde zeigt, wurde in den De Paolis Studios in Rom gedreht. Lentini ließ sich hierfür durch Bilder des Surrealisten Fabrizio Clerici inspirieren. Die einprägsame Filmmusik wurde von Fabio Frizzi komponiert, der mit Fulci bereits mit WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES (Zombi 2, 1979) und EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL (Paura nella città dei morti viventi, 1980) zusammenarbeitete.

ÜBER DEM JENSEITS (1981)

Immer wieder wird Bezug auf ein mysteriöses Buch Eibon genommen: Literarisch von Clark Ashton Smith im Hyperboreanischen Zyklus aufgegriffen, integrierte Lovecraft mit der Zustimmung Smiths das fiktive Werk mehrmals in eigene Erzählungen wie „Träume im Hexenhaus“ oder „Das Ding auf der Schwelle“. Mit der Szene, in der Emily von ihrem Blindenhund getötet wird, zitiert Fulci deutlich aus SUSPIRIA (1977) von Dario Argento: aber nicht nur an den grausamen Tod des blinden Pianisten auf dem Münchener Königsplatz erinnert die Sequenz, sondern auch an Lovecrafts frühe Kurzgeschichte „Der Hund“, indem er auch erstmals das geheimnisvolle Buch Necronomicon erwähnt, auf welches auch im „Der Fall Charles Dexter Ward“ Bezug genommen wird. In dem kurzen Roman wird geschildert, wie der Hexenmeister Curwen zur Zeit der Salemer Hexenprozesse auch bedingt durch Intrigen der politischen Elite grausam zu Tode kommt. Ist Curwen bei Lovecraft ein erfolgreicher Kaufmann, wird dessen Entsprechung in Fulcis ÜBER DEM JENSEITS als Künstler präsentiert, dessen schreckliches Ende wie ein Kunstwerk zelebriert wird: „an die Wand geschlagen“ wird er wie Hans Schifferle schreibt, ein „lebendes Gemälde“. Die Ambivalenz der Vorlage, die Curwen als verleumdeten und verfolgten Außenseiter darstellt und dadurch als nicht ausschließlich negative Figur beschreibt, bleibt bei Fulci mehr als bei Corman erhalten. Die Darstellung verweist auf eine weitere Erzählung Lovecrafts, Pickmans Modell. Hierin geht es um Abbildungen von höllischen Monstern, ein Element, welches Fulci mit seinen mechanisch wirkenden Zombies aufnimmt. Beeinflusst wurden diese Szenen auch durch George A. Romeros „Living-Dead“-Filme und Romero selbst sollte 1993 in STEPHEN KINGS STARK – THE DARK HALF einzelne Elemente aus Lovecrafts Grauen von Dunwich aufnehmen.

Spätestens ab den 1980er Jahren erlebt das Werk Lovecrafts – der dem Hollywood-Film allgemein skeptisch gegenüberstand – bis in die Gegenwart eine filmische Renaissance, häufig allerdings ohne, dass er als Quelle genannt wurde wie z. B. bei TANZ DER TEUFEL (The Evil Dead, 1982). 1985 folgte RE-ANIMATOR von Stuart Gordon. Der Drehbuchautor Dan O’Bannon, der H.G. Giger aufgrund dessen Bildersammlung Necronomicon für die Spezialeffekte von ALIEN (1979) vorschlug, verfilmte 1991 mit THE RESURRECTED – SAAT DES BÖSEN (The Resurrected) erneut „Der Fall Charles Dexter Ward“, erreichte jedoch in keinster Hinsicht die Qualität der beiden Vorläufer.

© Stefan Preis

Weiterführende Literatur

  • Derie, Bobby (2017): Sex und Reversion im Cthulhu-Mythos. Ein intimer Blick auf H. P. Lovecraft und sein literarisches Erbe. Leipzig.
  • Rottensteiner, Franz (1997) (Hrsg.): H. P. Lovecrafts kosmisches Grauen. Frankfurt am Main
  • Schifferle, Hans (1994): Die 100 besten Horrorfilme. München.
  • Schneider, Steven Jay (2012) (Hrsg.): 101 Horrorfilme, die Sie sollten, bevor das Leben vorbei ist. Zürich.

 

Titel, Cast und CrewÜber dem Jenseits (1981)
OT: ...E tu vivrai nel terrore! L'aldilà
int. Titel: The Beyond
Poster
ReleaseKinostart: 15.05.1981 (BRD)
RegisseurLucio Fulci
Trailer
BesetzungCatriona MacColl (Liza Merril)
David Warbeck (Dr. John McCabe)
Cinzia Monreale (Emily)
Antoine Saint-John (Schweick)
Veronica Lazar (Martha)
Larry Ray (Larry)
Giovanni De Nava (Joe)
DrehbuchDardano Sacchetti
Giorgio Mariuzzo
Lucio Fulci
Buchvorlagebasiert auf dem Roman von Dardano Sacchetti
KameraSergio Salvati
MusikFabio Frizzi
SchnittVincenzo Tomassi
Filmlänge87 Minuten
FSKab 18 Jahren

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