Zum Inhalt springen

Twisters (2024) – Filmkritik

Wenn es draußen heiß ist, sind ein paar Stunden im kühlen Kinosaal genau richtig. In den USA ist die umsatzstärkste Zeit der Sommer, wenn alle den klimatisierten Konsum suchen. Für uns Deutsche ist es immer etwas schwer vorstellbar im Sommer in einem Kinosaal zu sitzen, aber der gemeine Filmfan freut sich auch über nicht so volle Säle und bombastisches Entertainment frisch aus Hollywood. Katastrophenfilme sind die besten Blockbuster für diese Kinozeit. 1996 kam TWISTER in die Kinos und schaffte es Wetterphänomene entertainmentwürdig zu inszenieren. Bill Paxton und Helen Hunt jagen hier nicht nur Tornados für wissenschaftliche Zwecke hinterher, sondern kitten auch noch ihre Beziehung. Kein Klassiker der Filmgeschichte, aber ein guter Film, auf den man sich ohne Probleme für einen Filmabend einigen kann.

Der Filmindustrie gehen schon seit einigen Jahren die originellen Ideen aus und es ist an der Zeit für ein Remake. Knapp 30 Jahre später und mit einem „s“ mehr im Titel, gehen in TWISTERS Regisseur Lee Isaac Chung und ein frischer Cast erneut auf Windhosenjagd. Doch es ist dieses Mal einiges anders: Manches ist etwas fortschrittlicher und andere Dinge scheinen umso altbackener. Aber zumindest kann man hier schon ein kurzes Vorfazit verkünden, am Ende bekommen die Tornados doch noch die richtige Drehung zum luftigen Entertainment für warme Sommertage.

Photo Credit: Melinda Sue Gordon/Universal Pictures; Warner Bros. Pictures & Amblin Entertainment

Handlung

Kate (Daisy Edgar-Jones) ist mit ihren Freunden auf Tornadojagd. Sie wollen nicht nur mit der guten alten Dorothy Daten über einen Tornado sammeln, sondern sein Verhalten auf chemische Stoffe testen. Im besten Fall bricht der Strudel mit ein paar Tonnen Sodiumpulver in sich zusammen. Doch sie geraten nicht in einen Tornado, sondern in DEN Tornado mit der höchsten Zerstörungskraft, ein F5. Ausschließlich Kate und Javi (Anthony Ramos), der in Sicherheit den Datentransfer kontrolliert, überleben. Seit dem Vorfall lebt Kate seit fünf Jahre in New York in der sicheren Umgebung eines Bürokomplexes, und der Big Apple ist nicht gerade ein Tornado-Hot-Spot. Doch eines Tages taucht Javi bei ihr auf und schafft es sie zu überreden bei einer neuen Tornado-Scan-Technik in Oklahoma zu helfen.

Photo Credit: Melinda Sue Gordon/Universal Pictures; Warner Bros. Pictures & Amblin Entertainment

Javi und sein Team sind perfekt ausgestattet, auch dank eines betuchten Investors. Doch die Szene der Tornadojäger gehört dem YouTube-Star Tyler Owens (Glenn Powell) und seinem bunten Draufgängerteam. Sie donnern am liebsten während eines Livestreams mit ihrem Truck direkt in den Tornado und schießen ein paar Feuerwerke ab. Der Kampf um den nächsten großen Tornado beginnt.

Zu Beginn, viel lauwarme Luft

Die erste Filmhälfte von TWISTERS ist erschreckend oberflächlich und belanglos. Das Publikum wird direkt in eine Gruppe überdrehter, naiver Teenager geworfen, die leider auch dementsprechend unbekümmert im Sturm ums Leben kommen. Man meint eher einen neuen Slasher- oder Horrorstreifen zu sehen als einen Katastrophenfilm. Aber die Klischees reißen nicht ab. Unsere Protagonistin erzählt gar nichts von sich und die beiden Jungs fügen sich in ihre Rollen aus Streber und Rebell. Alles ist überdreht und die flachen Nebenfiguren (Wohnmobil-Typ, Drohnenpilotin, anhimmelnder Kameramann) machen es nicht besser. Was aber wirklich stört, ist dieser Social-Media-Ruhm. Jede Art von Ansehen wird nur noch in Abonnentenzahlen und Follower gemessen. Für coole Sprüche und interessante Persönlichkeiten scheint kein Platz mehr im Drehbuch. Um es kurz zu machen: Die erste Filmhälfte nimmt das Geschehen nicht ernst, geschweige denn, schafft es eine einzige dreidimensionale Figur zu konstruieren.

Photo Credit: Melinda Sue Gordon © Universal Pictures; Warner Bros. Pictures & Amblin Entertainment

Bodenkontakt

TWISTERS gewinnt zum ersten Mal an Vertrauen, wenn Kate bei ihrer Mutter Cathy (Maura Tierney) vorbeischaut. Auch wenn es weiter nach Standard-Drehbuch voranschreitet, tut es gut, ein paar Momente den Aufgekratztheit hinter sich zu lassen und einfach etwas Dialog zu folgen. Das Ganze kippt dann schnell, wenn TWISTERS in die Gewässer der Romanze abdriftet und man die Protagonistin nicht diesem eitlen Cowboy Jr. mit sturmresistenter Frisur und zu engen Jeans anvertrauen möchte. Aber dann legt der Film zum Glück wieder den Actionmodus ein und ihr ahnt es: Das Ziel lässt sich natürlich nur gemeinsam erreichen. Das Finale dreht gut auf, befreit Kate von den schützenden Männerarmen und beweist, dass der sicherste Platz immer noch das Kino ist – besonders in den hinteren Reihen.

Photo Credit: Melinda Sue Gordon/Universal Pictures; Warner Bros. Pictures & Amblin Entertainment

Zeiten ändern sich

Vor allem im Vergleich zu TWISTER (1996) hat sich doch hier bei TWISTERS einiges geändert. Zum einen ist der Cast wesentlich jünger, was vielleicht an der Zielgruppe liegen mag, und man sollte sich selbst hinterfragen, warum man dieser jungen Truppe die akademische Kompetenz für meteorologische Physik nicht zugestehen will. Was aber heute nicht mehr funktioniert, ist das Ignorieren der Klimaveränderungen auf unserem Planeten. Okay, es gibt ein paar kleine Nebensätze wie „mehr Tornados in den letzten Jahren“ oder „das Tierfutter ist teurer geworden“. Aber die richtigen Fragen stellt hier keiner, warum solche Wetterkatastrophen auch Klimakatastrophen sind. Da donnern die Protagonisten mit RAM-Trucks (Stellantis war offensichtlich Sponsor) durch endlose Felder von überdüngten und gesprühten Futterpflanzen und die Bewohner werden als Opfer dargestellt, wenn ihnen die Holzhütten über den Köpfen fortfliegen. Selbst wenn der Tornado sich sogar einen Booster aus der lokalen Ölraffinerie, die dank des Frackings, tonnenweise CO2 in die Atmosphäre befördert, zu einem Feuerbiest entwickelt, sieht das vielleicht beeindruckend aus, lenkt aber von den Verursachern ab.

Photo Credit: Melinda Sue Gordon/Universal Pictures; Warner Bros. Pictures & Amblin Entertainment

Etwas Klassenkampf und Kapitalismuskritik dürfen in dem unmoralischen Immobilienhändler zum Zuge kommen, der billig Land von verwüsteten Orten aufkauft. Aber insgesamt stehen alle Beteiligten vor der verstärkten Unwetter-Bedrohung wie die Kuh vorm neuen Scheunentor. Diese fehlende Weitsicht mag nicht jeden stören oder auffallen, was diesen Wirbelwind aber noch toppt, ist die Lösung des Problems. Nicht die Forschung für Frühwarnsysteme stehen im Fokus, sondern die Lösung mit Hilfe von Wettermodifikation, deren Auswirkung niemand einschätzen kann. Wenn es für uns nicht giftig ist, wird schon alles gut gehen. Diese Rücksichtlosigkeit und die dicke Schicht vom amerikanischen Patriotismus mit Klischeemomenten aus Rodeo, Baseball und BBQ verdirbt nicht nur die wissenschaftliche Grundidee, sondern stört einfach beim Mitfiebern und dem Überlebenskampf.

Photo Credit: Melinda Sue Gordon/Universal Pictures; Warner Bros. Pictures & Amblin Entertainment

Fazit

Wenn man das Hirnchen mal wieder richtig durchblasen lassen will, ist TWISTERS eine gute Wahl für eine lauwarme Sommernacht. Jedoch muss bereits zu Beginn schon einiges auf Durchzug gestellt sein, so dass die amerikanische Naivität nicht übermäßig nervt.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewTwisters (2024)
Poster
ReleaseKinostart: 17.07.2024
RegieLee Isaac Chung
Trailer
BesetzungDaisy Edgar-Jones (Kate Cooper)
Glen Powell (Tyler Owens)
Anthony Ramos (Javi)
Brandon Perea (Boone)
Maura Tierney (Cathy)
Harry Hadden-Paton (Ben)
Sasha Lane (Lily)
Daryl McCormack (Jeb)
Kiernan Shipka (Addy)
Nik Dodani (Praveen)
David Corenswet (Scott)
Tunde Adebimpe (Dexter)
Katy O'Brian (Dani)
DrehbuchMark L. Smith
KameraDan Mindel
MusikBenjamin Wallfisch
SchnittTerilyn A. Shropshire
Filmlänge122 Minuten
FSKab 12 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert