„Michael Bay: Verzweifelt gesucht!“
Die Transformers sind zurück! Gut, dass sie weg waren, realisiert man erst dadurch, dass ihre Rückkehr jetzt mehr oder weniger groß medial umworben wird. Eigentlich ist alles beim Alten: Gute gegen böse Roboter, Held:innen aus der Arbeiterklasse, ans grenzdebile grenzende Oneliner. Doch die wichtigste Zutat fehlt: Michael Bay.
Einem Film im Jahre 2023 zu attestieren, er sei von einer KI geschrieben worden, ist in etwa so originell, wie Witze übers Gendern zu machen. TRANSFORMERS: AUFSTIEG DER BESTIEN verdeutlicht uns über diesen ersten Gag hinaus doch etwas erstaunlich klassisches und ist trotz seiner Erzählung über große Maschinen im Mittelpunkt, ein Plädoyer für den Menschen hinter dem Produkt.
Im Kern ist alles altbekannt: Noah Diaz (Anthony Ramos) ist unser sympathischer, down-with-his-luck Arbeiterprotagonist. Zu Unrecht (natürlich) unrühmlich aus dem Militärdienst entlassen, verdingt er sich als Bastler im Brooklyn des Jahres 1994, um die horrenden Krankenhausrechnungen für seinen unter Sichelzellkrankheit leidenden Bruder bezahlen zu können. Ein einmaliger Ausrutscher in die Kriminalität bringt ihn mit dem Autobot Mirage (Stimme: Pete Davidson) zusammen, der ihm die Existenz der Autobots offenbart, die… ach, egal. Warum genau die Erde mal wieder der Austragungsort für Blechkämpfe geworden ist und seit wann die Autobots jetzt genau eigentlich auf unserer Erde unterwegs sind (Mondlandung? Dinos? Artus?), ist letztendlich belanglos. Genauso belanglos wie die Suche nach this year’s model, Verzeihung, McGuffin, die noch die Museumspraktikantin Elena Wallace (Dominique Fishback) ins Spiel bringt und irgendwie in Peru mit einer desorientierenden Schlacht endet.
Kennt man. Was Michael Bay noch verstand, nämlich die absolut egale Beschaffenheit einer Handlung, ja der Unsinn dies überhaupt zu versuchen, das hat Steven Caple Jr. nicht verstanden. Mit welcher einer Lust Bay jegliche narratologische Kohärenz im Laufe seiner fünf TRANSFORMERS-Filme zu Nichte machte, sucht im Hollywoodkino seines Gleichen. Bay begriff, dass der Plot hier niemals mehr sein darf als ein kleines notwendiges Übel, um immer ermüdendere Bilder getränkt in Stahlgewittern zu zeigen. Gepaart mit dem Bayschen Zynismus, ja sogar Nihilismus, der keinen Respekt vor jeder Art von Leben kennt, entstanden dadurch wahrhaft einzigartige Filme.
Die insgesamt fünf (!) Drehbuchautoren von TRANSFORMERS: AUFSTIEG DER BESTIEN haben zwar gut daran getan, die Grundidee einer Transformers-Story zu kopieren, haben aber schlussendlich zu viel Respekt vor filmischen Regeln und dem Leben an sich. Abgesehen davon, dass der Film penibelst inklusiv besetzt ist, sprechen alle POCs dieses Filmes ungefähr so, wie sich wohl ein weißer, mittelalter Mann das Leben in Brooklyn so vorstellen würde. Ziemlich cringe, wie die jungen Leute so sagen. Natürlich ist dies auch bei Bay dabei, aber Bay geht einen Schritt weiter: Das langweilig-unangenehme, weil spürbar aseptische, transformiert (ha ha) sich in Gestalt etwa der Hip-Hop-Transformer ins performativ-unangenehme.
Ein best-of 90er Jahre Rap-Soundtrack versichert alle naslang mal wieder, dass wir uns diegetisch tatsächlich in den 90ern befinden, sollte man das zwischen all den unmotivierten Platzierungen einschlägiger Zeitgeistitems (GameBoy, Discman, OJ Simpson Prozess) und Filmzitaten („You can’t handle the truth“) mal kurzfristig vergessen haben. Alleine die Lustlosigkeit dieser intertextuellen Referenzen überrascht etwas. Während man STRANGER THINGS bei aller berechtigter Kritik tatsächlich noch anerkennen kann, mit seinem Referenzspektrum auch etwas über den nostalgischen 80er-Jahre-Raum zu erzählen, so verweist der GameBoy bei TRANSFORMERS: AUFSTIEG DER BESTIEN doch nur noch auf sich selbst. Die 90er bleiben reine Kulisse. Es gibt, abseits der Prequeldisposition des Films, keinen Grund, den Film in diesem vergangenen Jahrzehnt spielen zu lassen.
Natürlich gab es auch keinen (textlich erklärbaren) Grund, TRANSFORMERS: ÄRA DES UNTERGANGS in China enden zu lassen. Wirtschaftlich war das natürlich absolut begreifbar und auch eben diese Unverfrorenheit Bays, so klar wirtschaftliche Interessen vor filmische Integrität zu setzen, ist so offensiv publikumsverachtend, dass sie schon wieder interessant wird, anstatt nur zu langweilen.
Wer davon ausging, dass das Unerträglichste in der Filmlandschaft prätentiöse Nachahmer:innen von David Lynch und Co. sind, der hat sich noch nie mit einem Michael-Bay-Klon beschäftigt. All das Unerträgliche findet sich zwar fast unverändert auf der Leinwand, aber es fehlt der letzte Funken menschenverachtender-ästhetischer Wahnsinn, mit dem das Genie Bay verlässlich unsere Sehnerven aufs Neuste überstrapaziert. Einen Bay-TRANFORMERS zu schauen, das heißt den Körper ans Äußerste zu treiben, bis er entkräftet zusammensackt. Bei TRANSFORMERS: AUFSTIEG DER BESTIEN passiert dieses Zusammensacken auch, aber eigentlich nur aus Langeweile.