Zum Inhalt springen

Top Gun: Maverick (2022) – Filmkritik

„Eine alte Liebe kehrt zurück“

Nicht STAR WARS, TERMINATOR oder INDIANA JONES, in meiner Kindheit gab es einen Film, der zu meinem liebsten Gefährten in die verrückte Welt der Pubertät wurde: TOP GUN (1986). Die VHS leierte bestimmt dutzende Male durch meinen Videorekorder. Der oberflächliche Kampf zwischen einer Handvoll Alpha-Piloten, die sich permanent beweisen wollen, wer der Beste ist, gesichtslose Feinde abschießen und im spannendsten US-Navy-Werbefilm der Filmgeschichte mitspielen, hat mich jedes Mal aufs Neue begeistert. Natürlich wollte ich Kampfpilot werden, aber meine schwache Sehstärke machte mir schnell einen Strich durch diesen Berufswunsch, bescherte mir jedoch das Hobby des Modellbauens. Mein erster Bausatz? Natürlich eine Grumman F-14 Tomcat mit beweglichen Flügeln. Heute sind die Modelle schon lange durch die Müllverbrennungsanlage geflogen, aber eine Leidenschaft ist mir geblieben: Filme. In der heutigen Kinovorstellung der Fortsetzung TOP GUN: MAVERICK ist mir aber noch viel mehr bewusst geworden, wie mich TOP GUN vor 30 Jahren durch seine ehrliche und direkte Art beeinflusst hat. Mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit wurde ich heute in den Sessel gedrückt, die Jahre spulten zurück und ich war wieder jung. Gut und Böse haben keine Zwischentöne, die Sonne scheint endlos, die Berufung ist der Job und die Mission ist glasklar. TOP GUN: MAVERICK ist ein Laserstrahl durch unsere verschachtelte Welt der Abhängigkeiten, Verpflichtungen und Alltäglichkeiten. Aufrecht, mit Augen auf das Ziel gerichtet und selbstbewusster denn je, habe ich das Lichtspielhaus verlassen, auch ohne Sonnenbrille und Hyperschall-Düsenjet.

© Paramount Pictures

Handlung

Die Welt ändert sich, aber einer bleibt sich treu: Pete Mitchell, Codename Maverick (Tom Cruise) fliegt die schnellsten Jets der Welt. Sein Feind im 21. Jahrhundert ist die Geschwindigkeit. Mit einer Hyperschallrakete in Form eines Jets stellt er Rekorde am Himmel auf, doch dann kommt der Auftrag vom Admiral und altem Freund Tom ‘Iceman‘ Kazansky (Val Kilmer): Er soll sein Wissen als Lehrer weitergeben. Im Fall von Maverick ist das kein langweiliger Unterricht. Die Besten der Besten werden von ihm in drei Wochen auf eine der gefährlichsten und spektakulärsten Luftkampfmissionen vorbereitet, die man sich nur in seinen wildesten Träumen vorstellen kann. Unter den Schülern ist auch der Sohn seines verstorbenen Freundes Goose, der junge Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller). Rooster ist immer noch sauer auf ihn, weil Maverick seine Karriere als Kampfpilot damals gehörig ausbremste.

© Paramount Pictures

Satisfaktion

Wenn man ein paar Jahrzehnte später in eine Vorstellung der Fortsetzung seines Lieblingsjugendfilms geht, spulen sich mögliche Szenarien ab, was einen auf der Leinwand erwartet. Das Missionsbriefing (PR) macht schon einmal Laune. Tom Cruise ist dank der MISSION-IMPOSSIBLE-Reihe actionfilm- und stunt-hungriger, wie noch nie. Er und Christopher McQuarrie sorgen auf den Plätzen der Produzenten für ausreichend künstlerische Absicherung und geben die Garantie kein Computerspiel zu sehen, sondern echte Fliehkräfte. Regisseur ist Joseph Kosinski, da Tony Scott, Regisseurs des Originals, sich traurigerweise 2012 von dieser Welt verabschiedet hat. Kosinski steht für maßgeschneiderte Actionunterhaltung wie im Science-Fiction (OBLIVION, 2013) oder im Katastrophenfilm (NO WAY OUT, 2017). Heldengeschichten ohne doppelten Boden und ohne verklärten US-Pathos. Außerdem sieht Miles Teller mit Schnodderbremse, im Trailer wie auch auf den ersten Promofotos, so authentisch aus, dass alle persönlichen Vorfreude-Zeiger direkt im hohen Drehzahlbereich landen. Aber auf diese ersten Minuten war mein mit Nostalgie überlaufendes Herz nicht vorbereitet. Harold Faltermeyers Score von 1986 mit dem berühmten Gong klang durch die Lautsprecher, Texttafeln charakterisieren das Medium und verleihen dem Ganzen etwas Vergessenes. Kenny Loggins schreit zum Chor der aufgedrehten E-Gitarren-Verstärker die „Danger Zone“ und befeuert das Treiben auf einem Flugzeugträger. Hier bin ich richtig, hier will ich bleiben.

© Paramount Pictures

Doch dann erstmal zum Helden. Maverick frickelt an einer glänzenden Propellermaschine, die Motorräder stehen aufgereiht daneben. Er muss los, greift zum Gefährt unter einer Plane, die vertraute Kawasaki Ninja 900 erscheint, springt treu an und Maverick schießt mit wehendem Haar und Sonnenbrille über leere Straßen zur „Arbeit“. TOP GUN: MAVERICK versucht gar nicht erst seine Herkunft zu verstecken, er kennt sie genau und weiß meine emotionalen Rezeptoren zu treffen. Mit einem Testflug und Mach 10 (12.348 km/h) fliegt Maverick ins Jahr 2022, natürlich nicht ohne verschmitztes Lächeln im Gesicht gegen den grummeligen Admiral – in diesem Fall Ed Harris – zu rebellieren und imponieren. Das ist das Tolle an solchen Filmen: Wenn Soldaten sich nicht mehr an die Regeln halten und dennoch Großartiges vollbringen, werden sie wegbefördert. In diesem Fall zum Trainer für die Besten der Besten. Kräftemessen auf dem Boden oder in der Luft, die jungen Fliegerasse können noch so fit und schnell sein, keiner ist wie Coach Maverick.

© Paramount Pictures

Die Supermission, die einem schon den Hauch des fulminanten Showdowns vor Augen hält, ist wie das letzte Level eines Videospiels. Die Strategie voll von unmenschlichen Wundern und immer noch mit Luft nach oben für cineastische Überraschungen. Die Darsteller sitzen in keiner Gondel auf dem sicheren Filmstudiogelände, sondern donnern in einem Jet durch die Schluchten an den Drehorten über Kanadas Gebirgszüge oder die kalifornische Wüste. Fliehkräfte reißen an ihren Gesichtern und wenn Maverick durch eine Schlucht prescht und mit der menschlichen Anatomie kämpft wie ein Löwe, will ich vor lauter Freude aufstehen, in die Hände klatschen und das realistische Actionkino im Jahre 2022 jubelnd willkommen heißen.

© Paramount Pictures

Nicht denken, handeln

In unserer heutigen Welt wünscht man sich mehr von diesem einfachen Cowboy-Mantra, das man im Film stets mit einem Schmunzeln quittiert und in sein Leben integrieren will. Fast alles ist heute zu einer intellektuellen, moralischen und organisatorischen Kraftanstrengung geworden. TOP GUN MAVERICK ist wie eine Wellness-Kur in unserer stets hinterfragenden Welt. Die Handlung ist minimalistisch, es gibt kaum zivile Statisten in diesem Szenario. Das Filmparadies ist ein Strand mit einer gemütlichen Bar, durchtrainierten Körpern, einfachen Charakteren und dem Lebensziel der Beste zu sein. Komplexität wird verbannt und so springen Gefühle klar auf uns über. In TOP GUN (1986) trifft einen den Tod von Goose jedes Mal wie ein Paukenschlag. Wir werden zu trauernden Freunden, stehen neben der jungen Meg Ryan, die die zurückgelassene Familie gefallener Piloten verkörpert. Und so stehen wir dank dieser Erfahrung auch heute mit feuchten Augen gemeinsam mit Tom Cruise in diesem Film vor einer Bar und schauen auf Miles Teller als der junge Rooster am Klavier im Hawaihemd seines Vaters, Sonnenbrille auf der Nase und blicken nicht nur in die Vergangenheit der Figuren, sondern auch in die eigene. Selbst die Liebesgeschichte mit Barkeeperin/Seglerin Penny (Jennifer Connelly) ist so stereotypisch erzählt, dass man nicht anders kann als beiden nur Glück zu wünschen. Die anderen jungen Piloten bekommen nicht mehr charakterlichen Tiefgang als ihre kernigen Sprüche untereinander, aber geschenkt, denn das alles ist hier nicht wichtig. Nachdem TOP GUN MAVERICK uns von all dieser Last, dem Grübeln und Hinterfragen befreit hat, ist die Bahn frei für ein packendes Finale, was einem das Kribbeln in Schüben über die Nackenhaare jagt.

© Paramount Pictures

Fazit

In meiner Kindheit hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, dass TOP GUN eine Fortsetzung braucht. Aber hier bin ich im Jahre 2022, sitze mit leuchtenden Augen im Kinosaal und liebe jede Minute von TOP GUN: MAVERICK, dieser reinen Action-Helden-Geschichte, die mich von allem auf dieser Welt befreit, für das ich nicht verantwortlich bin. Danke Wingman Maverick.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewTop Gun: Maverick (2022)
Poster
RegieJoseph Kosinski
ReleaseKinostart: 26.05.2022
ab 03.11.2022 auf Ultra HD Blu-ray, Blu-ray & DVD erhältlich.

Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen?
Dann geht über unseren Treibstoff-Link:
Trailer
BesetzungTom Cruise (Pete 'Maverick' Mitchell)
Jennifer Connelly (Penny Benjamin)
Miles Teller (Bradley 'Rooster' Bradshaw)
Monica Barbaro (Natasha 'Phoenix' Trace)
Val Kilmer (Tom 'Iceman' Kazansky)
Lewis Pullman (Robert 'Bob' Floyd)
Glen Powell (Jake 'Hangman' Seresin)
Jon Hamm (Beau 'Cyclone' Simpson)
Ed Harris (Rear Admiral)
Jean Louisa Kelly (Sarah Kazansky)
Jay Ellis (Reuben 'Payback' Fitch)
Danny Ramirez (Mickey 'Fanboy' Garcia)
Greg Tarzan Davis (Javy 'Coyote' Machado)
Charles Parnell (Solomon 'Warlock' Bates)
Bashir Salahuddin (Bernie 'Hondo' Coleman)
DrehbuchEhren Kruger
Eric Warren Singer
Christopher McQuarrie
KameraClaudio Miranda
FilmmusikLorne Balfe
Harold Faltermeyer
Hans Zimmer
SchnittEddie Hamilton
Filmlänge131 Minuten
FSKAb 12 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert