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Thor: Love and Thunder (2022) – Filmkritik

„Space Viking“

Der Gott des Donners scheint Marvels Liebling zu sein. Bereits beim vierten Einzelfilm darf THOR mit keltischen Lettern seine Kinoplakate zieren. THOR: LOVE AND THUNDER verspricht genau das, was der Titel andeutet: ein zweischneidiges Schwert, ein Hammer mit verschiedenen Seiten oder eine Axt mit zwei Klingen, wenn man so will. Es ist ein Blockbuster mit zwei polarisierenden Filmhälften. Die erste ist wie erwartet im Bespaßungsmodus, die zweite fokussiert und versöhnlich. Das kann natürlich auch anders sein, je nachdem mit welchen Unterhaltungswünschen man das Kino betritt.

© Marvel Studios 2022

Der Vorgänger THOR: RAGNAROK (2017) ist wie ein bunter Bonbonladen – voller süßer Geschmackrichtungen, aber kaum sättigend. Die Handschrift von Regisseur Taika Waititi (JOJO RABBIT) leuchtet zu jeder Szene in Neonreklameschrift: viele Jokes, wenige die zünden, jede Menge Spaß, der kaum Substanz hat und Nebenfiguren, die an den Grenzen der Fremdscham vorbeigleiten (Jeff „Grandmaster“ Goldblum). Waititi’s THOR: LOVE AND THUNDER beginnt genau dort, wo man den Gott mit Existenzkrise zuletzt gesehen hat, bei dem verrückten Haufen der GUARDIANS OF THE GALAXY.

© Marvel Studios 2022

Handlung

Der Speck ist weg. Thor (Chris Hemsworth) hat sich nach AVENGERS: ENDGAME die Wampe abtrainiert. Als Weltall-Wikinger in Lederweste reist er mit den Guardians durch das Universum und sorgt für Gerechtigkeit. Nichts hält ihn und seine Axt Stormbreaker auf, aber eine emotionale innere Leere ist deutlich zu erkennen. Die Beziehung mit Jane Foster (Natalie Portman) ging im Zuge der Infinity-Krise zu Bruch. In der Gegenwart hat die Wissenschaftlerin Jane mit der bitteren Diagnose Krebs zu kämpfen. New Asgard hat sich auf der Erde jedoch prächtig entwickelt. Valkyrie (Thessa Thompson) managt das Dorf und die dazugehörige Tourismusbranche. Doch auf der anderen Seite des Weltalls ist Gorr „The God Butcher“ (Christian Bale) auf dem Weg zur Erde. Hinter ihm verläuft eine Spur der Verwüstung voller toter Götter und dunkler Schatten. In New Asgard stellt er dem Donnergott eine Falle, um sich mit Hilfe von Stormbreaker einen Lebenswunsch zu erfüllen, der sicher kein friedlicher sein wird.

© Marvel Studios 2022

Zuckerrausch

Der Start ist ein Sprung ins kalte Wasser oder eher ein kunterbunter Paradigmenwechsel. Wie bereits in THOR 3 passiert gleich allerhand, ohne dass näher darauf eingegangen wird. Der Krankheitszustand von Jane Foster, ihre Rettung mit den Bruchstücken von Mjölnir, ein antriebsloser Thor, dem die Herausforderungen fehlen und ein erklärender Korg (Taika Waititi), der sich über die ganze Legende mit seinen Erzählungen, wie auch die New Asgard Theatergruppe (Achtung Cameoauftritte) lustig macht. Wir sind bereits voll im FSK-12-Humor eines Deadpool, der satirisch sein eigenen Genre kritisiert, ohne selbst darüber hinauszuwachsen. Man beginnt jeden Witz zu erahnen, befindet sich im Weed-Keller der Drehbuchautoren und mag schon fast das Kino verlassen, spätestens wenn es zu den alten Göttern geht.

© Marvel Studios 2022

Superhelden sind die Götter der Popkultur, aber ein Russell Crowe als schmieriger Zeus ist zum Glück die letzte Spitze dieses Narrenspiels. Denn selbst wenn man in der ersten Hälfte glaubt, dass es nicht noch nerviger geht, kommen zwei riesige schreiende Ziegen aus dem Spaßmaschinengewehr der Drehbuchschreiberin und des Drehbuchschreibers. Aber dann, auf einmal gleitet THOR: LOVE AND THUNDER in die Sphären des Beziehungsfilms ab, das Tempo wird auf Schrittgeschwindigkeit gedrosselt und wir sind tatsächlich in einer gut erzählen Geschichte.

© Marvel Studios 2022

Fokus

Eine ordentliche Packung Ritalin wird zur Halbzeit eingeworfen und THOR: LOVE AND THUNDER ist auf einmal spartanisch geradlinig. Der Fokus liegt auf den Figuren, ihren Waffen, ihren Möglichkeiten und tatsächlich so etwas wie Verlustängste um die Charaktere kommen bei uns auf. Die Joke-Parade hat Feierabend und selbst der Gegenspieler Gorr, den Christian Bale mit routiniert irrem Grinsen verkörpert, kann so etwas wie Bedrohung erzeugen. Auf ganzer Linie gewinnt dann doch das Finale, welches sich nicht auf bekannte Lösungen nach dem Motto, welches Kräftefeuerwerk ist nun stärker, verlässt, sondern eine kooperative Lösung findet. Natürlich nicht ohne Heldenpathos und die moralisch fragwürdige Verwandlung von Kindern zu Kriegern, aber eine gewisse Eleganz ist dem Finale nicht abzusprechen. Vielleicht liegt es aber auch an der orientierungslosen Filmhälfte davor.

© Marvel Studios 2022

Gut, mit Luft nach oben

Die zweite Hälfte versöhnt die Nicht-Marvel-Fans und kann sogar etwas wie moralische Weisung bieten. THOR: LOVE AND THUNDER lässt jedoch jede Menge gute Themen auf dem Weg dahin liegen. Die Figur von Gorr, der als Gläubiger von seinem Gott in Stich gelassen wird und nun als Killer durch das Universum zieht, könnte ebenfalls die Superhelden – die Götter der Neuzeit – anzweifeln. Er bleibt eine dunkle Bedrohung ohne Kritik an der Welt, in der er lebt, ganz im Gegensatz zu Thanos, den man direkt in seiner kaltblütigen Geradlinigkeit verstanden hat.

Ein Generationswechsel vollzieht sich einfach, indem ein Marvel-Superheld dem griechischen Gott seinen Zauberblitz klaut. Das wird auch nicht besser je witziger oder je nackter man es erzählt.

© Marvel Studios 2022

Die zu rettenden Kinder, die zukünftige Generation, hat zu wenig Persönlichkeit – nicht etwa im Aussehen, das hat Disney wieder ethnologisch fein ausbalanciert – sondern bei den Differenzen in Sachen Charakter. Je besser man eine Figur im Film kennenlernt, je mehr fiebert man mit ihr. Hier ruht sich die Story viel zu sehr auf ihren etablierten erwachsenen Figuren aus und die gekidnappten Kinder in einem Käfig, bleiben nur „Kinder in einem Käfig“. Das Thema Nachwuchs zieht sich, auf die eine oder andere Weise, wie ein roter Faden durch die Geschichte, ohne überhaupt auf Augenhöhe mit ihnen zu gehen. Chancen vertan.

Fazit

THOR: LOVE AND THUNDER scheint aus den Fehlern seines Vorgängers zumindest in der zweiten Filmhälfte gelernt zu haben. Es gibt viele gute Themen, die aber leider an der Oberflächlichkeit ihres Geschichtenerzählers abprallen, so dass man sich einen Tag später nicht daran zu erinnern vermag. Bleibt zudem die Frage, ob der Marvel-Ultra-Fan mit dem Finale beseelt nach Hause gehen kann, denn das nächste aufregende Abenteuer ist nicht zu erkennen, trotz Abspannspruch „Thor will return.“

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewThor: Love and Thunder (2022)
Poster
RegieTaika Waititi
ReleaseKinostart: 06.07.2022
Trailer
BesetzungChris Hemsworth (Thor)
Natalie Portman (Jane Foster / Mighty Thor)
Christian Bale (Gorr the God Butcher)
Tessa Thompson (Valkyrie)
Taika Waititi (Stimme von Korg)
Russell Crowe (Zeus)
Chris Pratt (Peter Quill / Star-Lord)
Karen Gillan (Nebula)
Bradley Cooper (Stimme von Rocket)
Vin Diesel (Stimme von Groot)
Dave Bautista (Drax)
Sean Gunn (Kraglin)
Melissa McCarthy (Actor Hela)
Sam Neill (Actor Odin)
Matt Damon (Actor Loki)
Luke Hemsworth (Actor Thor)
DrehbuchTaika Waititi
Jennifer Kaytin Robinson
KameraBarry Baz Idoine
FilmmusikMichael Giacchino
SchnittPeter S. Elliot
Tim Roche
Matthew Schmidt
Jennifer Vecchiarello
Filmlänge125 Minuten
FSKAb 12 Jahren

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