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Thief (Der Einzelgänger, 1981) – Filmkritik & Review der Editionen von OFDb Filmworks

„Juwel der Dunkelheit“

Michael Manns Kinodebüt

Über THIEF (dt. DER EINZELGÄNGER), der alternativ VIOLENT STREETS getauft wurde, habe ich bereits einen ausführlichen Audio-Essay beim Deep Red Radio eingesprochen, der auch Ton- und Dialogsequenzen aus dem Film beinhaltet. Über meinen Kontakt zur OFDb bin ich nun in der Lage, Euch lieben Lesern zusätzlich die neueste Veröffentlichung im Vergleich mit den bisherigen Fassungen angereichert mit Bezügen zum Film selbst auch in Textform nahezubringen. Das Kinodebüt von Michael Mann (HEAT, INSIDER, COLLATERAL) war schon immer eine absolute Empfehlung. Mehr noch steigt sein Wert, dessen originelle Stimmung auf den Betrachter, mit jedem Jahr, den dieser Film zusätzlich reift.

© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

James Caan (DER PATE, ROLLERBALL) spielt die Hauptrolle, Frank, den ersten High-Tech-Gangster der Achtzigerjahre. Zu Tage ein geschniegelt gekleideter Autohändler, verdient Frank sein eigentliches Geld mit sorgfältig im Voraus geplanten Heists. Seine Ware: lupenreine Diamanten, die er zum verhältnismäßig fairen Marktpreis weiterveräußert. Caan spielt in Manns Kinodebüt nicht weniger als die Rolle seines Lebens, so konsequent verinnerlichte sich der Schauspieler die Figur des Frank. Frank ist gerissener Geschäftsmann, der nichts dem Zufall überlässt und sich stets vorsichtig seine Partner aussucht; zudem ist er aber auch körperlich belastbarer Handwerker, der seine Profession mit exakt gefertigtem Inventar ausnahmslos beherrscht. Als Beispiel darf sogleich die virtuose Eröffnungssequenz gelten, dieser zehnminütige, komplett wortlose Einbruch in einen massiven Safe, der aus mehreren Schichten kaltgewalzten Stahls besteht. Zu den Klängen von Tangerine Dream („Diamond Diary“) bohren sich Franks Utensilien – und auch die Kamera in einer mehr als denkwürdigen Einstellung – ins Innere des Tresors. Das Geschehen wird in seine Einzelteile seziert.

© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

Bereits in diesen ersten Kinobildern von Thriller-Spezialist Mann kommt dessen ganze visuelle Leidenschaft gezielt und komprimiert zum Tragen: der Detailreichtum, die technische Sorgfalt, gepaart mit stimmungsvollen Stadtbildern – etwa der nächtliche Regen, dessen Substanz vom elektrisch-kühlen Gegenlicht inmitten einer tiefen Häuserschlucht sicht- und spürbar gemacht wird. Es wird ein ästhetisch komplexer und faszinierender, urbaner Kosmos entwickelt. Zugegebenermaßen, es dauerte ein paar Jahre, bis Mann diesen Weg mit der ersten Thomas Harris-Verfilmung MANHUNTER (ROTER DRACHE, 1986) im Kino fortsetzte und den Weg bereitete für HEAT und Konsorten (hier sogleich mit dem direkten Vorbild, dem Fernsehfilm L.A. TAKEDOWN von 1989). Zur Zeit Anfang und Mitte der Achtziger war Mann noch maßgeblich an der Produktion der Kult-TV-Serie MIAMI VICE (1984-89) sowie seinem zweiten, heute legendärem Kinofilm THE KEEP (1983) beteiligt, dessen rekonstruierte Veröffentlichung Fans seit etlichen Jahren herbeisehnen, der Macher jedoch kein großes Interesse daran bekundet.

© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

VIOLENT STREETS

Das Terrain von Franks professionellem Treiben ist noch nicht Los Angeles, wie in Manns späteren Filmen, sondern Chicago, Hochburg von Kriminalität und organisiertem Verbrechen. Für sein Debüt ließ sich der Regisseur maßgeblich von Frank Hohimers Roman „The Home Invaders“ (1975) inspirieren und sicherte sich zudem durchgängige Assistenz von technischen Beratern, um seiner düsteren Großstadtparabel möglichst authentischen Anstrich zu verleihen. James Belushi agiert im Film als vertrauter Kollege von Caans Frank, Countrylegende Willie Nelson hat einen kurzen Gastauftritt als Franks Mentor Okla hinter einer Gefängnisscheibe aus perforiertem Glas. Die Beziehungen zu den Charakteren in den Nebenrollen sind durchaus wichtig, werden aber bewusst nur angerissen. Damit wird die Unabhängigkeit und auch Isolation von Frank inmitten der urbanen Hölle aus Gewalt und Kälte, den „Violent Streets“, nur noch betont. Die bewegende Szene mit Jessie, seiner baldigen Lebensgefährtin, sticht hierbei dezent heraus. Natürlich erfüllt Tuesday Weld in ihren Szenen das Geschehen, ihre Präsenz ist einnehmend, doch auch sie ist streng genommen nur ein notwendiges Bauteil des Handwerkers Frank, der fehlende Part für die Konstruktion dessen Lebenstraums. Das einerseits sehr intime und doch distanziert-kühle Gespräch zwischen ihr und Frank ist sehr gut geschrieben und noch besser gespielt, finden hier doch zwei Menschen zueinander, die sich abseits jeglicher Romanzen-Klischees schmerzlich ihren widrigen Umständen ausgesetzt fühlen. Es ist eine derjenigen Szenen des Kinos, die man in wenigen Absätzen nur schwer beschreiben kann und einfach selbst gesehen haben muss.

© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.

Manns avisierte Professionalität des Verbrechens setzte intensives Training, auch mit Schusswaffen, für Hauptdarsteller Caan voraus. Die Resultate sind in THIEF auf Film gebannt und setzten Maßstäbe für kommende Großstadtthriller, die ebenso Wert auf Details legten: die Pistole stets beidhändig und geradlinig, in stabiler Verlängerung der Armlinie, auf den Gegner gerichtet; die Augen als permanente Überwachungsorgane, denen keine Unachtsamkeit unterläuft; die Dialoge messerscharf und auf den Punkt. Keine Zeit soll verschwendet werden. Wer nur einen Augenblick zögert, wird mit schweren Verletzung bis hin zum Tod gestraft. Zu den stilsicheren, bewusst technisch-kühlen Stadtbildern gesellt sich das warme Rot nicht in Form von Liebe, sondern in blutigen Ergüssen, die gerade gegen Ende des Films die immer noch gültige FSK 18-Einstufung rechtfertigen.

Schmuckstück-Editionen zu einem filmischen Juwel

Michael Manns lange Zeit sträflich vernachlässigter THIEF erscheint seit einiger Zeit hochkarätig restauriert auf Blu-ray – auch hierzulande. OFDb Filmworks hatte sich 2015 die Rechte gesichert und das von Criterion ein Jahr zuvor in Zusammenarbeit mit Michael Mann neu erstellte Director’s Cut-Master (2014) im März 2016 in einer 5-Disc-Collector’s Edition im Schuber veröffentlicht.

Collector’s Edition // © OFDb Filmworks

Zu den gewaltigen Extras dieser Sammler-Veröffentlichung, die zuletzt für schlappe 20 Euro erhältlich war, zählen folgende Features:

  • Audiokommentar (englisch) mit Michael Mann und James Caan
  • Audiokommentar (deutsch) mit Prof. Dr. Marcus Stiglegger
  • 3 Versionen des Films: Kinofassung (1981) und Director’s Cut (2014) auf Blu-ray und DVD sowie die seltenere 1995er-Special Director’s Edition (nur DVD), die vormals auf LaserDisc veröffentlicht wurde und signifikante Änderungen zur ursprünglichen Kinofassung aufweist, welche wiederum fast ausnahmslos für die 2014er-Fassung rückgängig gemacht wurden
  • „Stolen Dreams“ – Interview mit James Caan
  • „Hollywood USA: James Caan“ – Episode der französischen TV-Serie „Ciné regards“ über James Caan, die kurz nach Abschluss der Dreharbeiten von THIEF entstand
  • „The Art of the Heist“ – Analyse des Films mit Schriftsteller und Kritiker F.X. Feeney
  • Kinotrailer
  • Booklet mit einem Essay von Prof. Dr. Marcus Stiglegger
  • gefaltetes Filmposter
Single-Amaray

Diese Sammleredition war, wie erwähnt, teilweise sehr günstig, jedoch stets preislich fair zu erwerben (25-35 Euro). Im Zuge einer fehlenden Tonhöhenanpassung der deutschen Sprachfassungen auf den Blu-ray-Discs wurde vom Label umgehend eine zufriedenstellende Austauschaktion eingeleitet. Eine Einzelauswertung auf Single-Amaray folgte und beinhaltete den Hauptfilm (Director’s Cut) auf Blu-ray für ca. 13 Euro. Ebenso wurde eine Hartbox mit 2 Blu-rays veröffentlicht (ca. 30 Euro).

Das Mediabook © OFDb Filmworks

Nach dem erfolgreichen Ausverkauf der Collector’s Box legt OFDb aktuell nun noch eine 2-Disc-Mediabook Edition (Januar 2019, inkl. korrigierter Tonhöhen bei den deutschen Fassungen) nach, die als erste Veröffentlichung weltweit den alternativen englischen Titel VIOLENT STREETS mit anderem Artwork bereithält. Frank und Jessie sind beide hierauf zu sehen, hinter ihnen funkeln bedrohlich die Lichter der Großstadt in Form beleuchteter Wolkenkratzer. Dem Mediabook liegt der Essay von Marcus Stiglegger als fest eingebundener Booklet-Teil bei sowie beide Filmfassungen in HD – Kinofassung und Director’s Cut inkl. sämtlichem A/V-Bonus. Während der Preis bei amazon aktuell ütopische 40 Euro erreicht hat, ist dieses limitierte Mediabook noch direkt via OFDb Filmshop für 25 Euro zu haben.

Wer noch gar nicht im Besitz dieses Films sein sollte, dem empfehlen wir uneingeschränkt ein Update mit einer der hierzulande erhältlichen, restaurierten Fassungen. Wer noch einen Eindruck mehr gewinnen möchte, so haben wir hier einen Bildvergleich zwischen Kinofassung (farbintensiver) sowie Director’Cut (vom Regisseur bewilligter, entsättigter Look mit stärker metallischem Farbschema) gegenübergestellt. Viel Freude mit THIEF – ein Film, der in Euren Sammlungen glänzen wird. Versprochen.

Kinofassung © OFDb Filmworks
Director’s Cut © OFDb Filmworks
TitelViolent Streets - Der Einzelgänger (1981)
OT: Thief
RegisseurMichael Mann
Poster
Releaseseit dem 18.01.19 im Mediabook,
seit dem 25.08.16 als Blu-ray Ultimate Edition (5 Discs)
erhältlich.
Trailer
LiteraturvorlageNach dem Roman „The Home Invaders“ von Frank Hohimers (1975)
DrehbuchMichael Mann
BesetzungJames Caan (Frank)
Tuesday Weld (Jessie)
Willie Nelson (Okla)
Jim Belushi (Barry)
Robert Prosky (Leo)
Dannis Farina (Carl)
MusikTangerine Dream
KameraDonald E. Thorin
SchnittDov Hoenig
Technische DatenBlu-ray
Bildformat: 1,85:1 (HD 1080p)
Tonformat: Deutsch (DTS-HD Master Audio 2.0) & Englisch DTS-HD Master Audio 2.0)
Filmlänge125 min
AltersfreigabeAb 18 Jahren freigegeben

 

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