Zum Inhalt springen

Thelma & Louise (1991) – Filmkritik

„Americana Women“

Wir kritisieren heute immer noch, dass es an Filmen mit starken weiblichen Hauptrollen mangelt. Ich rede jetzt nicht von Filmen wie FURIOSA: A MAD MAX SAGA (2024), POOR THINGS (2023) oder BARBIE (2023). Es geht um Filme, in denen die weiblichen Figuren nicht isoliert, allein oder unsozial sind. Die feminine Hälfte der Menschheit gehört auch zur Gesellschaft, wer hätte das gedacht? Aber viele Filme geben eben nur eine weibliche Hauptrolle frei. 1991 war das Kino hier schon weiter, vor allem dank Drehbuchautorin Callie Khouri, die mit THELMA & LOUISE eine lebensechte Freundschaft in einem emotionalen und tiefsinnigen Roadtrip erzählt. Es ist ein richtiger Rebellinnen-Film, der mit seinem berühmten Finale, zur Legende geworden ist, Wunderschön gespielt, fotografiert und effektiv von Regisseur Ridley Scott inszeniert. Ein Klassiker, der immer noch wegweisend ist, für Filme, Gleichberechtigung und gegen die Ketten des Patriarchats.

© Capelight Pictures

Handlung

Mit einem Thunderbird Cabrio soll es in die Freiheit gehen, zumindest für ein Wochenende. Die Kellnerin Louise (Susan Sarandon) und die Hausfrau Thelma (Geena Davis) wollen ihre Heimatstadt für ein paar Tage hinter sich lassen, offiziell nur campen, aber eigentlich Party machen. In einer Country-Bar in Arkansas wird ein Aufreißer jedoch zu aufdringlich. Thelma entkommt der Vergewaltigung auf dem Parkplatz nur dank ihrer Freundin Louise und einem geladenen Revolver in der Hand. Es kommt zu einem Wortgefecht zwischen dem Täter und Louise, ein plötzlicher Schuss im Affekt richtet ihn auf der Stelle. In Panik fliehen die beiden Frauen Richtung New Mexiko, denn kaum einer wird ihnen die Notwehr glauben. Sie brauchen Geld, was Louise‘ Freund Jimmy (Michael Madsen) ihnen in ein Motel bringt. Doch mit dem Umschlag brennt der gutaussehende Anhalter J.D. (Brad Pitt) am nächsten Morgen durch, den Thelma unterwegs mitgenommen hatte. Jetzt lassen sie alles hinter sich, ihr Leben, ihre Wertevorstellungen und alten Persönlichkeiten. Vor ihnen liegen die endlos langen Straßen im Herzen Amerikas, aber das FBI mit Hal Slocumb (Harvey Keitel) ist ihnen bereits auf der Spur. Denn die beiden sind nicht gerade unauffällig unterwegs.

© Capelight Pictures

Rollentausch

Charakterentwicklung ist eine der wichtigsten Grundlagen einer guten Geschichte. Bei THELMA & LOUISE verändern sich nicht nur die Persönlichkeiten der Protagonistinnen, sondern auch ihre Beziehung zueinander. Zu Beginn ist Thelma die naive Ehefrau mit einem Vollidioten-Ehemann Darryl (Christopher McDonald). Etwas ängstlich vor ihrer geheimen Flucht, aber noch umsorgt wegen des unselbstständigen Mannes. Scheinbar ist die Bedienung der Mikrowelle das Maximum seiner Kochfertigkeiten. Sie trifft auf die ordnungsliebende Louise mit dem polierten Oldtimer und leichter Zwangskontrolle. Eine Mutter-Tochter Beziehung, wenn man so möchte. Louise durchschaut den fadenscheinigen Typen in der Bar sofort, Thelma lässt sich abfüllen. Das Trauma der Vergewaltigung und des Mordes löst aber in beiden eine fundamentale Veränderung aus, die eine stufenweise Neuentwicklung zulässt. Thelma lässt die Zwänge der Ehe hinter sich, erweitert ihre Sexualität, dank eines Diebes. Er nimmt zwar das Geld, befreit Thelma aber körperlich und gibt noch Outlaw-Tipps. Louise beendet ihre Beziehung und gibt ihren Vertrauensverlust gegenüber Männern zu. Die Rollen tauschen, Thelma wird die Aktive und bestimmt, wo es langgeht, spätestens nach ihrem Raub. Das Machtverhältnis pegelt sich jedoch auf ein Gleichgewicht ein, doch dann gibt kein Zurück.

© Capelight Pictures

Wie sich ihr Inneres ändert, ändert sich auch ihr Äußeres, vor allem toll bei Louise zu sehen. Die zugeknöpfte, weiße Bluse wechselt sie gegen Arbeitskleidung, weißes Unterhemd und Halstuch.  Ihre Uhr und ihren Schmuck gibt sie einem alten Einsiedler in der Ödnis. Beide Frauen bräunt die Sonne, ihre Gesichtszüge werden weicher und das Haar wilder. Die Kostüme ihrer gesellschaftlichen Rollen lassen sie hinter sich, werden eins mit der Landschaft und der Lebenskultur der Gegend, die sie durchstreifen, dem Americana.

© Capelight Pictures

Der wahre American Dream

Wenn man die Rebellion gegen das Gesetz beiseitelässt, sind die Frauen auf dem Weg in ihre Freiheit. Die Kamera von Adrian Biddle und die originellen Drehorte von Ridley Scott bilden für diese Geschichte die perfekte Leinwand. Scott musste das Budget übersichtlich halten (knapp 17 Mio. Dollar) und drehte hauptsächlich in der Nähe von L.A.. Würde man heute für diesen Preis, selbst inflationsbereinigt, einen Film erhalten, der so fantastisch aussieht? Die Kamera ist immer im Auto dabei, auch wenn es vielleicht auf einem Anhänger steht. Aber die echte Außenwelt rauscht an ihnen vorbei und keine einfache digitale Kulisse.

© Capelight Pictures

Die Szenen mit den markanten Felsformationen wurden in Utah gedreht. Schnurgerade Straßen, staubige Nebenwege, Felder voller Ölpumpen und endlose Reihen von Telefonmasten werden in elegantes Licht getaucht. Ridley Scott ist Brite und vielleicht gerade deswegen, weiß er diese Stimmung auf Film zu belichten. Die Kultur des Americana: Blue Jeans, Dust Bowls, verchromte Trucks und verlassene Orte, die nur durch einen Highway am Leben gehalten werden. Zu dieser Landschaft und Kultur gehört eine Geschichte aus Rebellion und Freiheit.

Grandiose Heimkinoveröffentlichung

Das Mediabook (UHD+BD+Bonus-BD) direkt beim Label bestellen >>>

In den USA vom Criterion Collection Label veröffentlicht und in Deutschland von Capelight Pictures: Die Restaurierung für die Ultra HD Blu-ray und Blu-ray ist hervorragend geworden. Ich selbst muss zugeben, THELMA & LOUISE erst ein paar Wochen vorher auf Amazon Prime gesehen zu haben, aber diese Veröffentlichung auf Disk schlägt die Streamingqualität um Längen. Im Mediabook ist eine Bonus-Blu-ray mit Dokumentation und haufenweise Extras enthalten. Das 24-seitige Booklet von Robyn Kerkhof liest sich sehr gut. Die Autorin ordnet die Produktion filmgeschichtlich und feministisch ein und gibt noch Genreverweise – ein echter Mehrwert. Wenn man einen Kritikpunkt finden will, dann ist es die Coverwahl mit dem Kinoposter, was ein bisschen dröge gegen das von Criterion wirkt. Dennoch volle Kaufempfehlung!

Fazit

Ein Film wie es sie heute nicht mehr gibt: rebellisch, wunderschön, unterhaltsam und mit einem Finale für die Ewigkeit!

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewThelma & Louise (1991)
Poster
© Capelight Pictures
Releaseseit dem 04.07.2024 im Mediabook (UHD + Blu-ray + Bonus-Blu-ray), auf Blu-ray und DVD erhältlich.

Direkt beim Label bestellen.
RegieRidley Scott
Trailer
BesetzungSusan Sarandon (Louise Sawyer)
Geena Davis (Thelma Dickinson)
Harvey Keitel (Hal Slocumb)
Michael Madsen (Jimmy Lennox)
Brad Pitt (J. D.)
Stephen Tobolowsky (Max)
Lucinda Jenney (Lena, Kellnerin)
Christopher McDonald (Darryl Dickinson)
Timothy Carhart (Harlan Puckett)
Jason Beghe (State Trooper)
Marco St. John (Lkw-Fahrer)
DrehbuchCallie Khouri
KameraAdrian Biddle
MusikHans Zimmer
SchnittThom Noble
Filmlänge130 Minuten
FSKab 16 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert