Das Cover der THE-UNHOLY-Blu-ray erinnert entfernt an die des Klassikers DAS OMEN (THE OMEN; 1976) bei seiner Veröffentlichung auf der blauen Scheibe. Der blutrote Hintergrund umrahmt eine betende Engelsstatue, die Blut weint. Ein stark christlich-religiös konnotiertes Thema, das nun bei THE UNHOLY leicht verändert erneut zur Anwendung kommt. Der Hintergrund ist ebenfalls blutrot getränkt, was per se schon an Gefahr und Tod erinnert. Nur die steinerne Statue wurde durch eine betende Marienfigur ersetzt, die zusätzlich ein auf den Kopf stehendes Kreuz spendiert bekommt, sowie knöcherne, an ein Skelett erinnernde Hände. Hier wird das Teuflische deutlich stärker in den Vordergrund gerückt als beim Klassiker von 1976, bei dem die Betonung mehr auf das Böse im Kind liegt. Mit diesen kleinen, aber feinen Änderungen steigen die Erwartungen des Rezipienten.
Bis auf das thematisch ähnliche Cover haben jedoch beide Filme keine Gemeinsamkeiten. Bei beiden Bildern werden bewusst die ersten Anzeichen des Bösen betont, dass sich unerkannt hinter der Unschuld verbirgt. Der Wolf im Schafspelz sozusagen. Weniger gelungen, erscheint mir das DVD-Cover, denn das präsentiert die dunkle Seite in Form eines Spiegelbilds des Guten, was an dieser Stelle bereits einen Großteil der Handlung offenbart. Das hintergründige Spiel wird dabei komplett verworfen und stattdessen auf den Dualismus der uns umgebenden Welt und des Glaubens verwiesen.
Handlung
Alles beginnt im Jahre 1845: Wir begleiten eine Hexenverbrennung aus den Augen des Opfers. Gefesselt an einen alten, verkrüppelten Baum bekommt die Hexe eine metallene Dornenmaske auf das Gesicht genagelt, danach wird sie stranguliert und verbrannt, während der übliche Mob samt Pfarrer sie zum Teufel schickt. Szenenwechsel, unsere Gegenwart: Der in Ungnade gefallene Journalist Gerry Fenn (Jeffrey Dean Morgan) wird in die abgelegene Kleinstadt Banfield in New England geschickt, um angebliche Verstümmelungen an Kühen zu dokumentieren. Durch einen Unfall lernt er dabei das taubstumme Mädchen Alice (Cricket Brown) kennen, die glaubt, die Jungfrau Maria sei ihr erschienen. Am nächsten Tag ist Alice in der Lage, wahre Wunder zu vollbringen, die nicht nur immer mehr Menschen in das kleine Städtchen treiben, sondern auch besorgte Männer der Kirche. Plötzlich mehren sich mysteriöse Ereignisse und Fenn macht sich auf die Suche in die dunkle Vergangenheit des Ortes und entdeckt einen furchtbaren Fluch, der die Zeiten überdauerte.
Was ist ein Wunder?
Die eiserne Dornenmaske, die der Hexe in der archetypischen Zeremonie zu Beginn auf das Gesicht geschlagen wird, erinnert einige Zuschauer sofort an Mario Bavas DIE STUNDE, WENN DRACULA KOMMT (LA MASCHERA DEL DEMONIO, 1960). Damals war es Barbara Steele, die eine ähnliche Tortur erleiden musste, nur ein Unwetter verhinderte ihre Verbrennung. Ähnliches passierte auch dem Weltstar Christopher Lee in Harald Reinls Kult-Klassiker DIE SCHLANGENGRUBE UND DAS PENDEL (1967), zu allem Überfluss wurde er anschließend noch in vier Teile gerissen. Trotz der äußerlichen Unterschiede dieser Masken bleibt das Prinzip und die angebliche Wirkung dabei deckungsgleich, dem bösen Menschen sein altes Gesicht zu rauben (Gesichtsverlust) und ihm das Antlitz des Bösen zu verpassen. In THE UNHOLY wird nur das Prinzip auf den Kopf gestellt, denn die Hexe präsentierte sich als Heilige, doch ihre Absichten waren finster und so bekam sie eine Maske verpasst, die dem Antlitz der Maria ähnelt. Dass sich dahinter etwas Schreckliches verbirgt, ist ein offenes Geheimnis und wird überdeutlich im Cover thematisiert, wie weiter oben bereits beschrieben.
Auch wenn die Hexe und ihr ganzes Auftreten, die seltsamen Visionen, die Gerry Fenn erlebt (ein roter Himmel und Wasser) sehr stark an all die bekannten japanischen Geister und Dämonen erinnern, ganz besonders sei hier Hideo Nakatas DARK WATER (HONOGURAI MIZU NO SOKO KARA, 2002) zu erwähnen, ist sie trotz allem effektiv und unheimlich anzuschauen. Die wenigen Effekte, die dabei zur Anwendung kommen, passen ins Gesamtbild des Films, lediglich das Finale fällt optisch ein paar Klassen ab. Es drängt sich einem unweigerlich der Verdacht auf, dass hier wohl das Budget nicht mehr ganz ausreichte.
Hinzukommt das THE UNHOLY bei näherer Betrachtung in zwei sehr unterschiedliche Hälften zerfällt. Der erste Teil ist ein gut gemachter Kirchen-Thriller auf der Suche nach Wahrheit, Glauben und Heiligen, was durchaus Lust auf mehr macht. Die zweite Hälfte allerdings erschöpft sich sehr schnell in einen von Jump-Scares befallenen typischen US-Streifen. Alles dreht sich um die Frage: Wann ist ein Wunder ein Wunder? Die Handlung zerfasert dabei in Glaubensfragen, Zynismus und Ausbeutung. Fast scheint es so, dass Regisseur und Drehbuchautor Evan Spiliotopoulos die Ideen an dieser Stelle ausgegangen sind. Ein Großteil der spannenden und mysteriösen Atmosphäre vom Beginn geht unwiederbringlich verloren. Erst im Finale schafft es der schon stark schlingernde Dampfer THE UNHOLY halbwegs auf den alten Kurs zurückzukehren.
Doch es gibt auch Positives zu berichten, wie etwa die Idee von Evan Spiliotopoulos, eine mögliche Beziehung zwischen dem Reporter Gerry Fenn und der Ärztin Natalie Gates aus dem Plot zu streichen. Es bleibt bei einigen Andeutungen und Hinweisen, dass sich zwischen den beiden etwas anbahnen könnte, mehr nicht. Und ganz ehrlich, wenn Spiliotopoulos sich für mehr Szenen entschieden hätte, würde es keinerlei Mehrwert bedeuten, weder für die Gesamtstory noch für den Rezipienten.
Zwei Seiten einer Medaille
Interessant ist die Aussage eines verängstigten Anwohners aus Banfield, der sich vor den Wundern der Alice und seinem Gott plötzlich fürchtete: „Er soll lieber dortbleiben, wo er hingehört, nämlich in den Himmel“. Denn was passiert, wenn dieser allmächtige Schöpfer wirklich auf unserer Erde wandelt und mehr dem alttestamentarischen Gott ähnelt, der durchaus sehr reizbar und böse sein kann? Das erinnert dann wohl eher an einen omnipotenten Thanos aus dem Superhelden Universum MCU. Die heutigen Christen sehen nur den fürsorglichen, liebevollen und friedfertigen Gott, doch laut ihrer Bibel hat der noch eine ganz andere Seite, die immer wieder gerne unterschlagen wird. Schön, dass auch einmal diese Seite angesprochen wird. Wo wir gerade bei Aussagen sind, muss man THE UNHOLY zugutehalten, dass die Dialoge äußerst Erwachsen und ausgereift sind. Das ist durchaus ein Punkt, den man nicht so oft in Horrorfilmen findet.
Ebenso interessant ist der Moment, wenn Alice ihre Anhänger zum ersten Mal an den Baum der Erleuchtung führt. Da fühlt sich der Rezipient unweigerlich an den „Rattenfänger von Hameln“ erinnert. Diese alte deutsche Sage, die in Dutzenden Sprachen übersetzt wurde, findet schon seit langem großen Anklang in Japan und den USA, wo sie seit Jahren im Schulunterricht immer wieder besprochen wird. Schlussendlich ist Alice nichts anderes als ein maskierter Rattenfänger, der Wunder verspricht, wo es keine gibt, außer derjenige verkauft seine Seele. Ähnlichkeiten mit der Werbung sind hier nicht von der Hand zu weißen.
Der Cast ist hochkarätig besetzt und kann durch die Bank überzeugen. Allen voran die beiden Haudegen Jeffrey Dean Morgan (THE RESIDENT, 2011 und THE WALKING DEAD 2010 – 2022) und William Sadler (VFW, 2019 und MACHETE KILLS, 2013) die sich ein spannendes Duell liefern. Als relativer Neuling überzeugt die junge US-Amerikanerin Cricket Brwon (DUKELAND, 2020) in der Rolle der Alice. Auffällig ist auch der dissonante Score von Joseph Bishara, der sich als eine verdrehte Mischung von Kirchenklängen und modernem Geistersound präsentiert und sehr gut zur Story passt.
Für Evan Spiliotopoulos bedeutet THE UNHOLY sein Regiedebüt. Bisher war er vorwiegend als Autor und Produzent im Filmbusiness tätig. Sein Drehbuch basiert auf dem Roman „Shrine“ (im deutschen unter dem Titel „Erscheinung“ erhältlich) aus dem Jahre 1983 des bekannten englischen Horrorautors James Herbert (1943 – 2013). Und auch THE UNHOLY ist eines der vielen Filmopfer der letzten Jahre, das unter der COVID-19-Pandemie zu leiden hatte. Neben einer längeren Drehpause Mitte März 2020 gab es anschließend extreme Verschärfungen bei den Dreharbeiten. Zeitweise durften nie mehr als zehn Personen gleichzeitig vor Ort sein, was die Arbeit für Evan Spiliotopoulos nicht gerade leichter machte. Trotz aller Widrigkeiten und Verzögerungen schaffte er es schließlich doch noch, sein Projekt erfolgreich zu beenden.
Fazit
THE UNHOLY ist trotz seiner Höhen und Tiefen ein durchaus solider Horrorfilm, der mehr in Richtung Religion und Mystik tendiert als zum stupiden, blutigen Horror. Doch gerade die Thematik macht ihn so interessant, aber auch, wie der junge Regisseur Evan Spiliotopoulos damit umgeht und welche Schlussfolgerungen er letztendlich daraus zieht. Handwerklich auf hohem Niveau, werden hier die bekannten katholisch-christlichen Ingredienzien vom Kampf der Guten gegen das Böse abgearbeitet. Ein altbekanntes Thema in einem neuen, schicken Gewand. Sicherlich den ein oder anderen Blick wert.
Titel, Cast und Crew | The Unholy (2021) |
---|---|
Poster | |
Release | seit dem 28.10.2021 auf Blu-ray und DVD Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen? Dann geht über unseren Treibstoff-Link: |
Regisseur | Evan Spiliotopoulos |
Trailer | |
Besetzung | Jeffrey Dean Morgan (Gerry Fenn) Cricket Brown (Alice) William Sadler (Father Hagan) Katie Aselton (Natalie Gates) Cary Elwes (Bishop Gyles) Marina Mazepa (Mary of Elnor |
Drehbuch | Evan Spiliotopoulos |
Kamera | Craig Wrobleski |
Musik | Joseph Bishara |
Schnitt | Jake York |
Filmlänge | 99 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren |
Ohne Kaffee geht hier gar nix / Liebt den Phantastischen Film in Wort und Bild / Vor allem alles was vor 2000 entstanden ist / Lieber ein neues Regal mit Filmen als einen Schrank mit Klamotten