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The Stepfather (1987) – Filmkritik

„Filmtheorie des Serienmordes“

Die 1980er waren auch das Jahrzehnt des Serienmörderfilms. HENRY (1986) oder BLUTMOND (MANHUNTER, 1986) handeln vom Auslöschen ganzer Familien und wie die Täter dies auf Video aufzeichnen.[1] THE STEPFATHER von Joseph Ruben erzählt von der gleichen Thematik, doch kommt hier die Bedrohung von „innen“. Der nette, aufmerksame Mann, der ständig seine Identitäten wechselt, scheint in einem Parallelkosmos zu leben, der amerikanischen Soap Operas entspricht. Er träumt vom Glück im Kreise seiner Familie und zerstört diese auf grausamste Weise, sobald es Brüche gibt.

© Ascot Elite Home Entertainment

Handlung

Grüne Baumkronen, eine amerikanische Vorstadt, in der Zeitungen verteilt werden. Die Kamera richtet sich gezielt auf ein helles Haus und den gespaltenen Rolläden. Ein Mann (Terry O’Quinn) packt seinen Koffer, er steht vorm Spiegel im Badezimmer, wäscht Blut von sich, rasiert sich. Familienporträts kommen ins Bild, der Mann räumt Spielzeuge auf. Im Wohnzimmer liegen Leichen, ein blutüberströmtes Kind ist neben seinem Teddybären zu sehen. Der Mann verlässt eine fröhliche Melodie pfeifend und adrett gekleidet das Haus, er wirkt, als ginge er zur Arbeit.

THE STEPFATHER (1987)
© Ascot Elite Home Entertainment

Nach über einem Jahr wird der Fall auf Intention eines Angehörigen, Jim Ogilvie (Stephen Shellen), neu aufgerollt. Seit den Morden ist der Ehemann und Stiefvater, der sich „Henry Morrisson“ nannte, spurlos verschwunden. Zwischenzeitlich hat der Immobilienmakler „Jerry Blake“ die verwitwete Susan Maine (Shelley Hack) geheiratet. Deren Tochter Stephanie (Jill Schoelen) akzeptiert den neuen Partner ihrer Mutter nicht, zumal sie den Verlust ihres leiblichen Vaters noch nicht überwunden hat und auch schulische Probleme bestehen. Durch „Blakes“ seltsames Verhalten – er faltet aus einer Zeitung, in dem über den ungeklärten Mordfall berichtet wird einen Piratenhut für einen kleinen Jungen, anschließend erlebt Stephanie einen unkontrollierten Wutanfall im Keller – wächst in Stephanie der Verdacht, er könnte der gesuchte „Morrisson“ sein. Bald beginnt „Blake“ wieder nach einer „neuen“ Familie Ausschau zu halten und bereitet den Mord an Susan und Stephanie vor. Stephanies Psychologen (Charles Lanyer), der ihn mit abwertenden Begriffen über Familien provoziert, tötet er grausam mit einer Latte und tarnt den Mord als Verkehrsunfall.

© Ascot Elite Home Entertainment

Der furiose Showdown ist eine groteske Hommage an die Treppensequenzen in den Klassikern des „Familien“-Horrorfilms. Zitiert wird der Mord an den Privatdetektiv Arbogast aus PSYCHO (1960), die wilde Auseinandersetzung zwischen Jack und Wendy aus SHINING (1980) und Stephanies Agieren erinnert daran, wie Nancy in NIGHTMARE ON ELM STREET (1984) in zerfließende Stufen tritt.

© Ascot Elite Home Entertainment

Stellenwert

THE STEPFATHER mit seinen überzeichneten Charakteren wurde als „böse Satire auf die Reagan-Zeit und die Wiederentdeckung der Family Values“ gedeutet und Parallelen zwischen „Jerry Blake“ und dem Witwenmörder (ausgezeichnet: Joseph Cotten) aus IM SCHATTEN DES ZWEIFELS (SHADOW OF A DOUBT) und Harry Powell (genial: Robert Mitchum) aus DIE NACHT DES JÄGERS (THE NIGHT OF THE HUNTER) gezogen.[2] Der Vergleich ist in vielerlei Hinsicht interessant. Die Regisseure Alfred Hitchcock und Charles Laughton zeigten 1943 bzw. 1955 in ihren Filmen „organisierte“ Serienmörder, lange bevor Profiler und Psychologen Begriffe für unterschiedliche Arten von Mehrfachtötungen fanden. So wird von Serienmord bei drei und mehr Tötungen an unterschiedlichen Orten in gewissen zeitlichen Abständen gesprochen. Unterschieden wird zwischen „chaotischen“, „unorganisierten“ Mördern mit geringer Kontrolle bei der Tatausführung und intelligenten Tätern, die hohe Mobilität aufweisen, oft ihren Wohnort wechseln und ihre Spuren verwischen. Sie wahren nach außen hin Normalität, sind meist beruflich hoch qualifiziert, üben aber manchmal eine nicht das vollständige Potential ausfüllende Tätigkeit aus. Sie sind oft Einzelkinder oder das älteste Kind und stehen üblicherweise in einer festen Beziehung. Auslöser für ihre Taten sind oft verstärkter Druck im Berufs- oder im Privatleben. „Jerry Blake“ ist eindeutig der letzteren Gruppe zuzuordnen.

THE STEPFATHER (1987)
© Ascot Elite Home Entertainment

Der Witwenmörder und Harry Powell sind auch „missionsorientiert“, sie handeln aus moralischem bzw. religiösem Fanatismus, aber auch Habgier spielt bei ihren Taten eine große Rolle. „Jerry Blake“ in THE STEPFATHER hingegen findet in all seinen Identitäten eine gut bezahlte berufliche Tätigkeit, er sieht sich als Verteidiger der bestehenden Gesellschaft und ihrer Werte – oder zumindest der Idealvorstellung, die er davon hat. Aber in Anpassung ist immer auch „ein Element des Ressentiments und unterdrückter Wut“ miteingeschlossen.[3] Er ist aber auch paradoxerweise bei dem Gespräch über die unentdeckten Morde der Einzige, der wirkliches Mitgefühl zu zeigen scheint. Während einer der Partygäste ernsthaft argumentiert, man solle die Angelegenheit auf sich beruhen lassen, sagt „Blake“, er könne nicht verstehen, dass ein Vater so etwas seiner Familie antut.

THE STEPFATHER (1987)
© Ascot Elite Home Entertainment

Heute hat THE STEPFATHER sicher vieles von seinem Schrecken verloren. Auf einen modernen Zuschauer wirkt „Jerry Blake“ mit seinem Poker-Face, seiner Mimik und seiner roten Krawatte möglicherweise wie Mr. Bean. Es folgten zwei Fortsetzungen, 2009 entstand ein Remake. All diese Filme reichen jedoch nicht an das Original THE STEPFATHER, der in Deutschland auch unter den Titeln  KILL, DADDY, KILL und SPUR IN DEN TOD 2 bekannt ist, heran. Joseph Ruben wandte sich noch mehrmals dem „Familien-Horror“ zu: DER FEIND IN MEINEM BETT (SLEEPING WITH MY ENEMY, 1991) handelt von häuslicher Gewalt und in DAS ZWEITE GESICHT (THE GOOD SON, 1993) kommt das Grauen in Gestalt eines unschuldig wirkenden Kindes.

© Stefan Preis

Weiterführende Literatur:

  • Höltgen, Stefan (2010): Schnittstellen. Serienmord im Film. Marburg.
  • [1]Krautschick, Lars Robert (2015): Gespenster der Technokratie. Medienreflexionen im Film. Berlin. S. 69
  • [2]Schifferle, Hans (1994): Die 100 besten Horrorfilme. München. S. 88.
  • [3]Horkheimer, Max (1991): Gesammelte Schriften. Band 6. Frankfurt am Main. S. 112.
Titel, Cast und CrewTHE STEPFATHER (1987)
Alternativ: Kill, Daddy, Kill; Spur in den Tod 2
Poster
RegisseurJoseph Ruben
Releaseseit dem 15.07.2014 auf Blu-ray

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Trailer

Englisch
BesetzungTerry O’Quinn (Jerry Blake / Stiefvater)
Jill Schoelen (Stephanie Maine)
Shelley Hack (Susan Maine)
Charles Lanyer (Dr. A. Bondurant)
Stephen Shellen (Jim Ogilvie)
Stephen E. Miller (Al Brennan)
Robyn Stevan (Karen)
Jeff Schultz (Paul Baker)
DrehbuchDonald E. Westlake
KameraJohn Lindley
FilmmusikPatrick Moraz
SchnittGeorge Bowers
Filmlänge85 Minuten
FSKAb 18 Jahren

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