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The Son (2022) – Filmkritik

„Empathie“

THE SON hat Mut. Den Mut sich einem komplexen Thema zu nähern, was zu gern in unserer auf Effizienz getrimmten Gesellschaft verschwiegen wird und damit in die Öffentlichkeit zu treten. Denn THE SON ist von der Realitätsflucht und Unterhaltung der Kinos weit entfernt. Es ist ein Aufklärungsdrama, was mit seiner exzellenten Besetzung, Handlung und Regie so berührt, dass man gar nicht anders kann als dem Film mindestens eine Träne zu schenken.

© Leonine Studios

Handlung

Nicholas (Zen McGrath) schwänzt schon seit Wochen die Schule. Seine Mutter Kate (Laura Dern) weiß nicht mehr weiter und fragt, ob Nicholas Vater Peter (Hugh Jackman) ihn bei sich aufnehmen kann. Peter lebt nach der Scheidung mit Beth (Vanessa Kirby) zusammen. Beide haben einen wenige Wochen alten Sohn – Nicholas Halbbruder. Nach kurzem Zögern nehmen sie den Teenager auf und hoffen, dass Nicholas in einer neuen Schule und einem frischen Umfeld die Lust am Leben wiederfindet. Doch der Vater hat einen umfangreichen Job als Jurist, vermittelt Nicholas an einen Psychiater und dringt zu dem schweigsamen Jungen kaum durch.

© Leonine Studios

Familien im 21. Jahrhundert

Es ist eine von vielen geschiedenen Ehen in unserer Gesellschaft, die ein einsames, trauriges Kind zurücklässt. Der New Yorker Familie mangelt es dank erfolgreicher Jobs nicht an Geld, aber an gemeinsamer Zeit. Es ist auch nicht die Liebe, die fehlt und das geschiedene Paar redet immer noch offen miteinander, auch wenn die damalige Ehe durch Untreue harsch beendet wurde. THE SON zeigt das ohne große Dramatik, ohne Klischee-Streits und ohne Selbstdarstellung. Der Blickwinkel der Eltern wird stets beibehalten und der Sohn bleibt ein Geheimnis. Wir, das Publikum und die Eltern erleben einen Lernprozess mit diesem Film. Es gibt keine große Aussprache, was Nicholas passiert sein könnte. Es gibt kein Coming Out oder ähnliches, was die Traurigkeit und Orientierungslosigkeit des Jungen erklären würde. Er hat eine psychische Krankheit und das Verständnis dafür fehlt vor allem beim Vater, der gern einen lebensfrohen Sohn haben möchte.

© Leonine Studios

Drei Generationen

Hugh Jackman spielt den Vater liebevoll, verständnisvoll und nachdenklich. Die Figur schaut, dank seines Erfolgs als Anwalt, immer wieder über die wunderschöne Skyline der Stadt und ist in Sorge um seinen Jungen. Er ist kein Patriarch, sucht das Gespräch zu Nicholas und liebt seinen Sohn trotz dessen Lügen innig. Ein paar Erinnerungen blitzen auf, als die Familie Miller noch das Leben im Urlaub genoss. Der Beruf wird zur Trennscheibe und der Erfolg der Eltern scheint wichtiger. Auch Peters Beziehung zu seinem Vater (Anthony Hopkins) ist belastet. Der Großvater ist ein Erfolgsmann, der damals seinen Sohn mit der sterbenden Mutter allein ließ. Eine Wunde, die niemals heilte. Diesen Fehler will Peter mit Nicholas nicht machen. Aber inwieweit können wir uns gegen die Erziehung unserer Eltern auflehnen, es besser machen? In THE SON liegt nicht das Problem in den Erziehungsmethoden, sondern im Umgang mit einer Krankheit. Depression ist ein Monster, was sich nicht mit Liebe besänftigen lässt.

© Leonine Studios

Der urbane Raum, in dem sich THE SON bewegt, ist schön, aber steril. Es mangelt an nichts. Die kühlen Blautöne treffen auf sympathische Figuren ohne Eitelkeit. Es keimen immer wieder Szenen auf, in denen man glaubt, das neue Familiengeflecht könne doch noch halten und reparieren, was defekt ist. Die Eltern stimmen sich ab, es gibt Hoffnung, vielleicht geht Nicholas auf eine Party und die neue Schule scheint Spaß zu machen. Es ist jedoch eine Traumwelt, die sich alle zurechtlegen. Die Lügen des Jungen werden nicht erkannt und es ist ihm kaum anzusehen, wie sehr er leidet. Mit dem Mitgefühl für den Jungen, entscheidet sich auch fürs Publikum, ob es sein Herz in die Geschichte legen will oder mit verschränkten Armen glaubt, dass der Teenager nur eine pubertäre Phase durchlebt.

© Leonine Studios

Offene Inszenierung

Die Szenen in den Wohnungen mögen etwas künstlich anmuten, aber sie geben Raum für die Darsteller, den Dialog und die eigenen Gedanken. THE SON von Florian Zeller (THE FATHER) spielt seine ganze Kraft vor allem in den Momenten der Stille aus. In die besorgten Blicke der Eltern in die Ferne kann man sich hineinfühlen und die Machtlosigkeit gegenüber dem Leiden des eigenen Kindes. Eine Überraschung ist die Filmmusik von Hans Zimmer, dem man derzeit nur noch kräftige Klänge zu großen Blockbustern zutraut. Mit filigranen Melodien nähert er sich diesem sensiblen Jungen und der Liebe in dieser Familie an, die versucht ihren Sohn an dessen fröhliche Kindheit zu erinnern.

© Leonine Studios

Fazit

Mit viel Gefühl und ohne künstliches Drama ist THE SON ein beispielloses Portrait zum Thema psychische Erkrankungen bei Jugendlichen geworden. Wer selbst Depressionen bei sich oder einem geliebten Menschen erlebt hat, wird einen so bedingungslosen Zugang zu THE SON finden, dass es einem das Herz schwer macht. Alle anderen dürfen sich glücklich schätzen, wenn der Film ihnen nicht viel bedeutet.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewThe Son (2022)
Poster
RegieFlorian Zeller
ReleaseKinostart: 26.01.2023
Trailer
BesetzungHugh Jackman (Peter Miller)
Zen McGrath (Nicholas Miller)
Laura Dern (Kate)
Vanessa Kirby (Beth)
Anthony Hopkins (Peters Vater)
William Hope (Andrew)
Hugh Quarshie (Arzt)
Joseph Mydell (Brian)
Akie Kotabe (Mr. Yama)
DrehbuchChristopher Hampton
Florian Zeller
KameraBen Smithard
MusikHans Zimmer
SchnittYorgos Lamprinos
Filmlänge123 Minuten
FSKAb 12 Jahren

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