Zum Inhalt springen

The Reckoning (2020) – Filmkritik

Dass der Engländer Neil Marshall ein Händchen für spannende wie auch ungewöhnliche Filme hatte, bewies er uns bereits mehrfach in beeindruckenden Bildern und spannenden Storys. Darunter waren solch außergewöhnliche Werke wie DOG SOLDIERS (2002), THE DESCENT – ABGRUND DES GRAUENS (2005) oder auch DOOMSDAY – TAG DER RACHE (2008). Ab 2014 arbeitete er bei diversen TV-Serien mit, darunter GAME OF THRONES (2011-2019) oder WESTWORLD (2016-2022). Erst im Jahre 2019 kehrte der in Newcastle geborene Marshall mit HELLBOY – CALL OF DARKNESS (HELLBOY, 2019) zum Kinofilm zurück. Der Mann, der von sich selber sagt, dass JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES (RAIDERS OF THE LOST ARK, 1981) ihn dazu inspirierte Filme zu machen, erntete mit seiner HELLBOY-Version allerdings sehr durchwachsene Kritiken und Ablehnung von einem Großteil der Fangemeinde. Und auch sein neustes Werk THE RECKONING wird keine Begeisterungsstürme entfachen, ganz im Gegenteil.

The Reckoning (2020)
© Capelight Pictures

Handlung

Im Jahre 1665 wütet die Pest gnadenlos in England: Auch Grace (Charlotte Kirk) ihr Mann John Haverstock (Joe Anderson) fällt der Seuche zum Opfer. Kaum ist die junge Mutter mit ihrem Kind allein, taucht schon der schmierige Squire Pendleton (Steven Waddington) bei ihr auf und versucht sich aufzuzwingen. Doch das misslingt und der gekränkte Gutsherr verbreitet wütend unter den Bewohnern das Gerücht, Grace wäre eine Hexe. Nachdem der wütende Mob die harmlose Grace gefangen nimmt, wird umgehend der bekannte Inquisitor Moorcroft (Sean Pertwee) informiert, der einst Grace Mutter als Hexe verbrannte. Ein erbarmungsloser Prozess mit schier endloser Folter beginnt…

© Capelight Pictures

Superwoman vs. Inquisition?

Das Mediabook direkt im Capelight-Shop kaufen

Wer kennt es nicht? Das sadistische Hexenfolter-Kino, deren einziger Sinn und Zweck darin bestand, den Zuschauer mit einer möglichst realistischen Darstellung mittelalterlicher Foltermethoden zu schockieren. Einer der bekanntesten und besten Streifen dieser Art ist ohne Zweifel Michael Reeves DER HEXENJÄGER (WITCHFINDER GENERAL, 1968) mit dem großen Vincent Price in der Hauptrolle. Unausweichlich folgten weitere Werke, und das Blut floss in Strömen wie etwa in HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT (MARK OF THE DEVIL, 1970), IN DEN KRALLEN DES HEXENJÄGERS (THE BLOOD ON SATAN‘S CLAW, 1971) oder HEXEN GESCHÄNDET UND ZU TODE GEQUÄLT (1973). In der Neuzeit verzückte uns Robert Eggers mit seinem Meisterwerk THE WITCH (THE VVITCH: A NEW-ENGLAND FOLKTALE, 2015) und einer einzigartigen Form des Hexenfilms, der ganz ohne Folter auskommt und dem es trotzdem gelingt, das Publikum zutiefst verstört zurückzulassen. Während bei den eben erwähnten Filmen zumeist ein der Zeit angepasster, dreckiger und finsterer Look vorherrschte, überfällt uns Regisseur Neil Marschall in THE RECKONING mit bis in die Fingerspitzen artifiziell und klinisch sauberen Aufnahmen. Zusätzlich gibt es für den empfänglichen Betrachter eine Portion Dramatik, die begleitet wird von einem pompösen Soundtrack, der jeden Gedanken zu erdrücken droht.

The Reckoning (2020)
© Capelight Pictures

Während im Jahre 1665, in dem THE RECKONING spielt, die einfache Bevölkerung froh war, wenn sie etwas zu essen bekam, sieht unsere Protagonistin Grace zu jederzeit einfach klasse aus. Immer perfekt geschminkt, egal ob nach stundenlanger Folter oder einer Nacht im feuchten Kerker. Selbst nach mehreren Tagen in der Gewalt der Folterknechte, einem sicherlich großen Blutverlust, mangelhafter Verpflegung und keinerlei Versorgung der schweren Wunden, die sich übrigens trotz all der Ratten und dem Schmutz nicht entzünden, sieht Grace immer noch so frisch aus wie am ersten Tag. Selbst das Effekt-Kino wird von Marshall ad absurdum geführt, denn wenn es so richtig zur Sache geht und der Inquisitor sein schmutziges Handwerk vollzieht, schaut die Kamera schamvoll zur Seite und verweigert dem Zuschauer jeglichen Blick auf die blutigen Details.

The Reckoning (2020)
© Capelight Pictures

Am Ende hätte es nicht weiter gewundert, wenn Grace sich einen roten Umhang über die Schultern geworfen hätte und mit gestähltem Körper Richtung Sonnenuntergang zu fliegen. Nach all dem Negativen gibt es auch ein klein wenig Gutes, das zumindest kurz erwähnt werden sollte: Zum einen wäre da die opulente Ausstattung und das hervorragende Set-Design. Ich bin zwar kein Experte in dieser Richtung, aber für meinen Geschmack sah das alles hervorragend aus. Zum anderen wäre noch das imposante Auftreten des Teufels in Grace Fantasie zu erwähnen, dass wirklich sehenswert ist. Doch das wenige reicht bei Weitem nicht, um Marshalls neustem Werk etwas Positives abzugewinnen, trotz seiner qualitativ hochwertigen Darstellerriege.

© Capelight Pictures

Fazit

Von dem, was einst Neil Marshall in THE DESCENT – ABGRUND DES GRAUENS so meisterhaft auf die Leinwand brannte, ist hier nichts mehr zu entdecken. Stattdessen bekommen wir einen infantilen Superhelden-Actionfilm vorgesetzt, der zahllose Unzulänglichkeiten für das Genre mit einer schwachsinnigen Story vereint und versucht, das Publikum mit seiner einfältigen Dramaturgie zu fesseln. Vor allem fehlt in THE RECKONING das schreckliche Gefühl hilflos ausgeliefert zu sein, was für solche Filme essenziell ist. Denn in den Händen der Inquisition konnten alle beschuldigten jegliche Hoffnung fahren lassen. Bei diesen „Prozessen“ gab es keine Gerechtigkeit und schon gar keinen Freispruch, so auch nicht für diesen Film.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewThe Reckoning (2020)
Poster
RegisseurNeil Marshall
Releaseab dem 28.05.2021 auf Blu-ray, DVD und im Mediabook

Ihr wollt den Film bei Amazon kaufen?
Dann geht über unseren Treibstoff-Link:


Oder direkt beim Label bestellen >>>
Trailer
BesetzungCharlotte Kirk (Grace Haverstock)
Sean Pertwee (John Moorcroft)
Steven Waddington (Squire Pendleton)
Joe Anderson (Joseph Haverstock)
Suzanne Magowan (Ursula)
Ian Whyte (Lucifer)
DrehbuchNeil Marshall
Charlotte Kirk
Edward Evers-Swindell
KameraLuke Bryant
FilmmusikChristopher Drake
SchnittEoghan Synnott
Filmlänge111 Minuten
FSKab 16 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert