Zum Inhalt springen

The Real Eighties – Amerikanisches Kino: Ein Lexikon

Buchvorstellung

Es gibt jede Menge Filmlexika. Viele davon orientieren sich an den Jahrzehnten der Filmveröffentlichungen und versuchen eine Filmdekade in einer Art Zeitkapsel abzubilden. Können aber Bücher mit Titeln wie „Die 50 besten Film der 1980er Jahre“ überhaupt das Gefühl abbilden, was es bedeutet hat, zu dieser Zeit im Kino zu sitzen und sein Verlangen nach Filmen zu stillen? Viele Filmbücher dieser Art orientieren sich bei ihrer Auswahl an Ratings, Zuschauerzahlen oder allgemeinem Kultstatus. Sicherlich haben Filme wie SCARFACE, SHINING, BLADE RUNNER oder ALIENS die Kinocharts in dieser Zeit dominiert und jede Menge Fans gesammelt. Diese Evergreens machen jedoch nicht ein ganzes Jahrzehnt aus. Eine gut erzählte Geschichte lebt nicht nur von den Twists und dem Plot, sondern auch von den ruhigen Momenten, den Zwischentönen. Und seien wir einmal ehrlich, solche Top-Listen gibt es jede Menge im Internet, wobei der Filmsüchtige, wie ich selbst, über 90 Prozent der Filme bereits gesehen hat. Da ist so eine gnadenlos subjektive Auswahl, wie sie in THE REAL EIGHTIES – DAS AMERIKANISCHE KINO DER ACHTZIGERJAHRE: EIN LEXIKON von den Herausgebern Lukas Foerster und Nikolaus Perneczky gemacht wurde, wie ein Aufflammen des Hintergrunds jener genialen Filmepoche.

Body Double Melanie Griffith The Real Eightis Filmlexikon
Body Double (1984) // © Columbia Pictures Industries

Inhalt „The Real Eighties“

Wie der Titel verrät, geht es ausschließlich um das amerikanische Kino der 1980er. Es ist ein Umbruch von der New Hollywood-Ära, symbolisch besiegelt durch Ciminos HEAVEN’S GATE, zur anhaltenden Dominanz des Blockbusterkinos, eingeleitet durch Spielberg, Cameron, Lucas und Co. Das Filmbuch umfasst nicht eine Filmvorstellung nach der anderen, sondern hat wesentlich mehr Fleisch zu bieten, textlich wie auch geistig. Es ist eine Sammlung aus Essays, Kommentaren und Portraits der Achtziger-Filme und das alles immer schön abseits des Mainstreams. Aber der Weg kreuzt auch gern bekannte Gefilde, wie zum Beispiel ein Text über Tom Cruise oder Sylvester Stallone. Im Mittelpunkt stehen die 27 Texte zu Filmen aus der Zeit der Lederjacken und Coolness. Hier nur ein kleiner Vorgeschmack, welche Filme dabei sind: HARLEM NIGHTS, C.H.U.D., BODY DOUBLE, NO WAY OUT, VICE SQUAD oder PERFECT. Die Vorstellungen werden immer wieder mit Themenschwerpunkten oder Vorstellungen von Personen, die diese Zeit geprägt haben oder zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, aufgelockert. Insgesamt kommt THE REAL EIGHTIES auf 47 Texte auf übersichtlichen 224 Seiten.

CHUD Szenenbild The Real Eightis Filmlexikon
C.H.U.D. (1984) // © C.H.U.D. Productions & New World Pictures

Aufbau und Design

Ich war beim ersten Anblick etwas skeptisch. Großformatige Fotobände haben mich zu verwöhnt. Da kam das Buch im Softcover mit den Maßen 17 x 20 cm verhältnismäßig schüchtern daher. Keine Hochglanzabbildungen und das Textdesign mit einer sehr kleinen Schriftgröße, aber breiten Seitenrändern wollten meinem Cinemascope-verwöhnten Auge gar nicht gefallen. Als ich das Buch jedoch auf der Fahrt zur Arbeit immer dabei hatte, um im Zugabteil in den kurzen Texten zu schmökern, stellte sich das Konzept als überaus praktisch heraus. Die Angst Fingerabdrücke auf den Seiten zu hinterlassen, ist durch das matte Papier nicht gegeben. Das Design hilft ungemein in die teilweise anspruchsvollen Texte gänzlich zu versinken und die ein oder andere Farbabbildung lockert das Textbild gelegentlich auf. Hier bewährt sich das Format, welches der „FilmmuseumSynemaPublikationen-Reihe“ zu verdanken ist, als sichere Wahl.

Perfect Szenebild John Travolta The Real Eightis Filmlexikon
PERFECT (1985) // © Sony/Columbia Pictures

Meinung

Einfluss auf die Filmauswahl in diesem Filmlexikon hatte die, von den beiden Herausgebern kuratierte, Filmreihe des österreichischen Museums THE REAL EIGHTIES (2013). Diese Selektion ist fantastisch und deckt viele weiße Flächen in meiner filmischen Landkarte auf. Die kurzen, bis zu vier Seiten langen Texte, erzeugen das Bedürfnis immer noch ein weiteres Kapitel zu lesen, aber auch zum Nachschlagen, kann man in diesem Büchlein jederzeit versinken. Wie im Beitragsbild zu erkennen ist, hat sich die eigene Watchlist um einige Filme sofort erweitert. Manche Abschnitte haben es filmtheoretisch in sich und man muss sich zwingen, ein paar Absätze erneut zu lesen, was aber mit Wissen und interessanten Gedankenanstößen belohnt wird. Gefreut habe ich mich, einen Text des genialen Filmkritikers Michael Althen zu entdecken. Für mich nach wie vor eine Ikone der Filmliteratur (Buchtipp: LIEBLING, ICH BIN IM KINO! – Michael Althen) , weil er es mit viel Gefühl und einfachen Worten schafft, Dinge auf den Punkt zu bringen und wenn es nur, wie in diesem Buch, um das Lächeln von Tom Cruise geht.

Fazit

THE REAL EIGHTIES ist eine überraschend gut vernetzte Textsammlung zum amerikanischen Kino der Achtzigerjahre, die anspruchsvolle Leser und allwissende Cineasten zum Staunen bringen wird.  Bei jedem Text springt man in die Kinosäle jener Zeit zurück, spürt den klebrigen Teppichboden unter den Füßen, riecht den Zigarettenrauch des Filmvorführers in der Luft und blickt in den Dunst der dunklen Filmszenarien.

Cover The Real Eighties

The Real Eighties
Amerikanisches Kino der Achtzigerjahre: Ein Lexikon

Lukas Foerster und Nikolaus Perneczky (Hg.)
FilmmuseumSynemaPublikationen 31
Wien 2018, 224 Seiten, in deutscher Sprache
ISBN 978-3-901644-71-9
Inhaltsverzeichnis (PDF)

Im Shop des Filmmuseums online kaufen (22 €)

Mit Texten von:
Michael Althen, Andrey Arnold, Alejandro Bachmann, Johannes Binotto, Hartmut Bitomsky, Hannes Brühwiler, Andreas Busche, Adam Cook, Brigitte Desalm, Diedrich Diederichsen, Lukas Foerster, Fritz Göttler, Dominik Graf, Frieda Grafe, Friederike Horstmann, Alexander Horwath, Christoph Huber, Michael Kienzl, Ekkehard Knörer, Michelle Koch, John Lehtonen, Hans Christian Leitich, Sulgi Lie, Elena Meilicke, Olaf Möller, Oliver Nöding, Nikolaus Perneczky, Bert Rebhandl, Drehli Robnik, Simon Rothöhler, Joachim Schätz, Hans Schifferle, Alexandra Seibel, Leonie Seibold, Silvia Szymanski, Robert Wagner

 

Ein Gedanke zu „The Real Eighties – Amerikanisches Kino: Ein Lexikon“

  1. Oh, das hört sich sehr interessant an, gerade weil meine eigene filmische Sozialisation vornehmlich in den 80ern stattfand. Ist vorgemerkt, danke!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert