„Bloß keinen Spaß im Kino“
Robert Eggers ist vielleicht neben Ari Aster die Personalisierung des teilweise als Unwort geltenden elevated horror. Eggers Filme THE WITCH (2015) und THE LIGHTHOUSE (2019) waren vordergründig Genrestoffe, die sich aber dezidiert mehr für die linguistischen Dispositionen vergangener Epochen oder das Hypertextualisieren von Sagen- und Mythenstoffen auseinandersetzen. THE NORTHMAN verlässt die Gruselpfade und präsentiert sich als eine häufig ungelenke Mischung aus CONAN (1982) und ANDREJ RUBLIJOW (1966).
König Aurvandil (Ethan Hawke) kehrt verletzt von der letzten Schlacht zurück. Es wird Zeit, seinem Sohn, Prinz Amleth (Alexander Skarsgård), auf die Übernahme der Regierungsgeschäfte vorzubereiten. Fjölnir (Claes Bang), der Bastardbruder des Königs, zettelt jedoch kurzerhand eine blutige Intrige an, die den amtierenden König den Kopf kostet und den jungen Amleth zur Flucht zwingt. Jahre später kehrt er als kampfgestärkter Berserker zurück, um Rache zu nehmen und die alte Prophezeiung, er wäre der rechtschaffende König, zu erfüllen.
Schicksal und freier Wille sind die großen Themen von Robert Eggers THE NORTHMAN. Er präsentiert eine diegetische Welt, in der die Wahrsager:innen und Priester:Innen (u.a. Willem Dafoe und Björk) mindestens genauso viel Macht haben wie die mehr oder weniger legitimierten Herrscher:innen. Zwar hat Amleth durch seine Prophezeiung eine klare Handlungsmotivation bekommen, doch ist diese gerechtfertigt? War sein Vater überhaupt ein kompetenter Herrscher? Ist Fjölnir wirklich der ‚Böse‘ in dieser Geschichte? Eggers begreift seine filmische Welt zumeist als Theaterkulisse, in der sich die Kamera meistens auf der horizontalen Linie bewegt. Statist:innen springen auf fast schon hörbare Regiekommandos in die Szene und geben der ganzen Handlung so eine spannende fatalistische Komponente. Die Geschichte wird sich immer nach vorne entwickeln. Egal, wie sehr ihre Figuren ihr Schicksal verhandeln, Stillstand und freien Willen kann es in der Welt des Kinos nicht geben.
THE NORTHMAN leidet ein wenig unter der absurden Überfrachtung seiner Geschichte. In seinen besten Momenten ist Eggers Wikingerepos purster Camp, der sich genüsslich an dem Nullprozent-Fett-Körper seines Hauptdarstellers weidet oder in unverfrorener Mondo-Manier ‚Rituale‘ der Wikinger ausstellt. Nur gehört Robert Eggers leider zu dieser Art von Filmemacher:innen, für die Spaß im Kino grundsätzlich ein Fremdwort ist und die wirklich alles mit einem pseudo-mystischen Oberbau verklausulieren müssen. Regelmäßig ergeht sich THE NORTHMAN in ermüdenden Visionen und Traumsequenzen, die nicht viel mehr leisten, als vor allem sich selber darauf hinzuweisen, dass sie ganz große Kunst seien.
THE NORTHMAN steht dafür auch symptomatisch für das Kino der Produktionsstätte A24, die längst vom Underground-Qualitätsmerkmal zu ihrer eigenen Parodie wurde. Nicht falsch verstehen, unter deren Flagge erscheinen immer noch spannende und idiosynkratische Filme (Ti Wests X zum Beispiel), aber der Vorwurf, die dort verhandelten Filme seien häufig Kunst um der Kunst wegen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn ganz ehrlich: Die unverfrorene Geradlinigkeit eines CONAN weiß auf lange Sicht mehr zu beeindrucken als das pseudo-artistische eines THE GREEN KNIGHT oder THE WITCH. Das Phänomen, sich für die reine Unterhaltung zu schämen, ist ja kein neues, dass können wir theoretisch bis zu Adorno zurückführen. E und U Kultur und so. Aber wenn wir jetzt so weit sind, dass selbst an sich pulpigen Stoffen alle Freude entzogen wird, um sich in eine snobistische und selbstgerechte Kulturindustrie einzugliedern, sollte man vielleicht rebellieren.
THE NORTHMAN ist Streberkino für Menschen, die sich einiges auf ihre komplette Reclam-Sammlung im Billy-Regal einbilden. Man kann hier beobachten, wie der Regisseur sich selbst und dem Publikum für seine und ihre Intellektualität auf die Schulter klopft. Ein Circlejerk der schlimmsten Sorte, vergleichbar mit dem Schmerz, den man dabei empfindet, wenn Anglistikstudent:innen über David Foster Wallace reden. Wer also zum Lachen in den Keller geht und seit dem Tod von Ingmar Bergman nicht mehr im Kino war, der dürfte seine rechte Freude an der leblosen Selbstbeweihräucherung haben, die THE NORTHMAN ist.