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The Medium (2021) – Filmkritik

Der Film, über den wir heute sprechen, hört auf den Namen THE MEDIUM. Drehbuch und Regie führte der Mann, der erstmals im Jahre 2004 mit seinem Debüt SHUTTER international für Aufsehen sorgte: der Thailänder Banjong Pisanthanakun. Am Drehbuch für THE MEDIUM waren noch zwei weitere Personen beteiligt: Zum einen wäre da der Thailänder Chantavit Dhanasevi der im Laufe seiner Karriere immer wieder mit Banjong Pisanthanakun zusammenarbeitete. Zum anderen der bekannte Südkoreaner Na Hong-jin, den die meisten als Regisseur von THE WAILING: DIE BESESSENEN (GOKSEONG, 2016) kennen, von ihm stammt die eigentliche Story zu THE MEDIUM.

Nach dem ersten Erfolg von SHUTTER ebbte die Begeisterung um Pisanthanakun merklich ab. Aufführungen fanden überwiegend in seiner Heimat statt: Wie etwa bei ALONE (2007) sowie den Horroranthologien SEE PRANG (2008) und HA PHRAENG (2009), an denen er beteiligt war. Doch der Erfolg seines Debütfilms hatte einen langen Atem und gelangte bis in die Staaten, wo sich Hollywood im Jahre 2008 zu einem Remake mit dem gleichen Titel überreden ließ, allerdings ohne Pisanthanakun, sondern mit dem japanischen Regisseur Masayuki Ochiai am Steuer. Übrigens, 2012 durfte sich Pisanthanakun an THE ABC‘S OF DEATH (2012) beteiligen und bekam dafür den Buchstaben N zugewiesen. Dass der in Bangkok geborene Thailänder ein großes Talent ist, der sich zudem in allen Genres wohlfühlt, zeigte er mit seinen Filmen PEE MAK PHRAKANONG (2013), KUAN MEUN HO (2010) sowie ONE DAY (2016), die sich zwischen Komödie, Drama und Liebesgeschichte bewegen.

Handlung

In einem kleinen thailändischen Dorf in der Isan Provinz ist Schamanismus ein selbstverständlicher Teil des Lebens. Als sich die junge Ming (Narilya Gulmongkolpech) nach der Beerdigung ihres Vaters merkwürdig verhält, ist für die meisten klar, dass eine Naturgottheit von ihr Besitz ergriffen hat und sie auf dem besten Weg ist, die nächste Schamanin zu werden. Nur die ältere Schamanin Nim (Sawanee Utoomma) hat ihre Bedenken, doch keiner nimmt ihre Warnungen ernst. Zu spät werden aus Zweifel Gewissheit, das Ming von etwas Bösem besessen ist, was eine Gefahr für das ganze Dorf bedeutet.

Die Schamanen

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Mit THE MEDIUM betreten wir ein Land, in dem der Glaube an diverse Götter und Dämonen, gute und böse Geister so normal für die dort lebenden Menschen ist wie das Atmen. Für uns als angeblich aufgeklärte Zivilisation mag das im ersten Moment schwer zu verstehen sein, doch dort ist der Gang zum Schamanen so normal wie unser Weg zum Arzt. Rituelle Handlungen, Schreine, magische Symbole und dergleichen sind allgegenwärtig. Wie schon aus THE WAILING bekannt, finden wir auch in THE MEDIUM Themen, die hier wie dort ebenfalls ihre Daseinsberechtigung haben. Zum einen beschäftigt sich Regisseur Pisanthanakun mit Vorurteilen und Aberglaube, zum anderen mit der charakteristischen Gruppendynamik, die in jeder kleinen, in sich geschlossenen Gemeinde existiert, egal ob sie nun in Thailand, Deutschland oder den USA leben. Doch es gibt noch einige weitere Gemeinsamkeiten für den Rezipienten zu entdecken.

In der ersten Hälfte von Banjong Pisanthanakuns Film bekommt der Betrachter eine Einführung in das Leben dieser Menschen und ihrer umfangreichen Glaubenswelt. Eingefangen in großartigen Bildern zelebriert Pisanthanakun regelrecht dieses für uns so unglaubliche wie unvorstellbare in sich geschlossene Biotop. Dabei lauschen wir gebannt immer wieder den Worten der Schamanin Nim sowie einigen weiteren Personen aus dem kleinen Dorf in der Isan-Region. Nim ist vom Geist ihres Gottes Bayan besessen, der sie zur Schamanin machte. Diese verantwortungsvolle Position ist schon Tradition in ihrer Familie, denn vor Nim waren sowohl ihre Mutter wie auch ihre Großmutter ebenfalls Schamanen.

Der große Aufhänger in THE MEDIUM ist ein Reporterteam, dass Nim auf Schritt und Tritt begleitet, um eine ausführliche Dokumentation zum Thema Schamanismus zu drehen, ein Film im Film sozusagen. Aber keine Angst, THE MEDIUM ist keiner dieser pseudodokumentarischen Found-Footage-Filme. Lediglich im Finale gibt es einzelne Szenen, in denen die Wackelkamera kurzzeitig zum Einsatz kommt, professionell und äußerst effektiv wohlgemerkt. Obwohl die erste Stunde vollgepackt ist mit Informationen, die wichtig für den weiteren Verlauf der Handlung sind, interessiert den Betrachter vor allem der geistige wie auch körperliche Verfall von Mink. Und hier kommen wir zu meinem kleinen Problem mit THE MEDIUM, denn diese Phase ist eindeutig zu lang geraten. Ich hätte mir einen stringenteren Ablauf und einige beherzte Schnitte an dieser Stelle gewünscht. Stattdessen lässt uns Regisseur Pisanthanakun erneut all die hinlänglich bekannten Bilder und Handlungen besessener Menschen durchleben, die wir nur zu gut aus vielen Billigproduktionen kennen. Sicher, die Aufnahmen sind großartig und es ist in jeder Szene zu spüren, dass der thailändische Regisseur sein Handwerk versteht, trotzdem wäre hier nach meinem Dafürhalten weniger mehr gewesen. Doch das ist jammern auf hohem Niveau.

© Koch Films

Die Apokalypse

Umso überraschender ist der Wandel in Hälfte zwei: Das Geschehen nimmt deutlich an Tempo und Dynamik zu und rast mit einer bis dahin nicht zu erwartenden Geschwindigkeit in Richtung Finale. Die krude Stimmung der ersten Hälfte, die mehr einem körperlichen Unwohlsein entspricht, verwandelt sich in kürzester Zeit in eine beängstigende und verdammt düstere Atmosphäre. Der Zuschauer gerät in einen Hexenkessel, der mit einigen drastischen Momenten aufwartet und schockiert. Regisseur Pisanthanakun dreht genüsslich die Gewaltspirale von Minute zu Minute weiter, um am Ende in einer wahren Apokalypse zu münden, in dem der Wahnsinn alles und jeden vernichtet.

Auch wenn THE WAILING den Kampf zwischen Gott und dem Teufel in den Vordergrund rückte, sind die Parallelen zu MEDIUM offenkundig, aber nicht etwa, weil sie die großartige Vorlage stumpfsinnig kopieren. Banjong Pisanthanakun verarbeitet diese hervorragenden Ideen zu etwas ganz Neuem. Allein der Spannungsbogen von MEDIUM unterscheidet sich signifikant zu THE WAILING. Während in THE MEDIUM es sich eher um einen schleichenden Prozess handelt, schlägt bei der koreanischen Produktion nicht nur die Spannung, sondern die komplette Story wilde Haken wie ein Hase auf Speed und führt den Zuschauer immer wieder auf falsche Pfade und in dunkle Sackgassen. Doch am Ende beider Produktionen gibt es weder Vergebung noch Gnade für die Protagonisten, nur eine blutige Abrechnung. Denn die Sünden der Vergangenheit müssen über kurz oder lang von jemandem beglichen werden, koste es was es wolle.

© Koch Films

Fazit

Möglicherweise ist THE MEDIUM die thailändische Version des US-Klassikers DER EXORZIST (THE EXORCIST, 1973), das werden die gelehrten Filmexperten in den folgenden Jahren überprüfen oder ist es „nur“ ein Film, der die bekannte Thematik kopiert und zu etwas Eigenem umformt. Jedenfalls sticht der außergewöhnliche Beitrag zum Exorzisten- und Besessenheitsgenre aus der Masse unzähliger Billigfilme hervor. Auch wenn die erste Stunde etwas lang geworden ist, entschädigt die zweite Hälfte doppelt und dreifach und präsentiert ein verstörendes wie überraschendes Finale.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewThe Medium (2021)
Poster
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RegisseurBanjong Pisanthanakun
Trailer
BesetzungNarilya Gulmongkolpech (Mink)
Sawanee Utoomma (Nim)
Sirani Yankittikan (Noi)
Yasaka Chaisorn (Manit)
Boonsong Nakphoo (Santi)
Arunee Wattana (Pang)
Thanutphon Boonsang (Lisa)
DrehbuchChantavit Dhanasevi
Na Hong-jin
Banjong Pisanthanakun
Siwawut Sewatanon
KameraNaruphol Chokanapitak
MusikChatchai Pongprapaphan
SchnittThammarat Sumethsupachok
Filmlänge130 Minuten
FSKab 16 Jahren

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