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THE MECHANIC (1972) – Filmkritik

Kritische Theorie der planvollen Organisation

Mit dem thematisch verwandtem LE SAMOURAI (1967) teilt sich Michael Winners Actionfilm THE MECHANIC (1972), dass die ersten Minuten völlig ohne Dialog auskommen. Gezeigt wird jeweils ein Auftragsmörder bei seiner routiniert wirkenden Arbeit. Während Jean-Pierre Melville seinen Anti-Helden Jeff Costello (Alain Delon) eine schizoide Persönlichkeitsstörung attestierte, entwirft Winner das Psychogramm des bereits älteren, von Anti-Depressiva abhängigen Berufskillers Arthur Bishop (Charles Bronson), der seine Taten im Auftrag einer sich selbst als „Organisation“ bezeichnenden Verbrechergruppe ausführt. Vor jedem Mord erhält er eine Akte mit persönlichen Angaben über die Opfer.

© 1972 Metro-Goldwyn-Mayer Studios

Die „Organisation“ fungiert wie ein betriebswirtschaftlich kalkulierendes Unternehmen: „Die Industrie ist an den Menschen bloß als ihren Kunden und Angestellten interessiert.“ Zum Wohlergehen der utilitaristisch funktionierten Gruppe ist das Zurückstellen individueller Bedürfnisse der einzelnen Mitglieder erforderlich, ein im Dialog als explizit demokratisch beschriebenes Prinzip. Vor allem fordert sie Loyalität und Anpassung. Das Erschreckende ist, dass Bishop seine Morde mit einer technischen Präzession ausübt, die routinierten Arbeitsabläufen in einer Fabrik oder einem Büro entsprechen.

Bereits der Titel verweist auf die Seelenlosigkeit der Hauptfigur: einsam lebt Bishop in einem großen Haus, sein einziger Kontakt besteht zu einer Prostituierten (Jill Ireland), die seine Geliebte darstellen und ihr diktierte Liebesbriefe verfassen muss. Bishops Einsamkeit und Unfähigkeit echte Beziehungen aufzubauen, stellen ihn als moderne, zynische Variante des entfremdeten Facharbeiters dar. Max Horkheimer und Theodor Adorno haben geschrieben: „Amüsement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus. Es wird von dem gesucht, der dem mechanisierten Arbeitsprozess ausweichen will, um ihm von neuem gewachsen zu sein.“ Und: „Vergnügen heißt allemal: nicht daran denken müssen, das Leiden vergessen, noch wo es gezeigt wird. Ohnmacht liegt ihm zu Grunde.“[1] Bezeichnenderweise werden immer wieder Ausschnitte aus Hieronymus Boschs Malerei DIE HÖLLE in THE MECHANIC eingeblendet.

© 1972 Metro-Goldwyn-Mayer Studios

In einer unheimlich anmuteten in der Dämmerung gefilmten Szenerie tötet Bishop mit der üblichen Perfektion den Mann (Keenan Wynn), der ihm einst als Kind das Leben rettete. Bei der Beerdigung begegnet er dessen Sohn Steve (Jan-Michael Vincent), der zu seinem Assistenten wird, in gewisser Weise eine Ausbildung zum Berufsmörder absolviert. Als beide einen Auftrag der Organisation in Italien ausführen sollen, beginnt Bishop Steve zu misstrauen und vermutet, dieser sei selbst angestiftet worden, ihn zu töten. Vor Ort werden sie von mehreren Männern attackiert, es gelingt ihnen jedoch alle Angreifer zu töten.

Tatsächlich war Bishop, ebenso wie Steves Vater, der ein hochrangiges Mitglied der Organisation war, ins Visier seiner Auftraggeber geraten. Steve wird Bishop später vergiften, aber nicht aus Rache (er ging sogar davon aus, dass sein Vater einem Herzinfarkt erlegen wäre), sondern als acte gratuit. Bishop hatte Steve beigebracht, dass jeder Mensch eine Schwäche habe. Wenn diese erkannt ist, sei es auch einfach, diesen Menschen zu töten. Steve sagt geradeheraus, dass Bishops Schwäche die Angst vor dem Alleinsein war. Die Namen der beiden Mörder verweisen auch ins Profane: auf den ersten Ritter der Tafelrunde und einen hohen Grad in der katholischen Kirche einerseits sowie einen christlichen Märtyrer andererseits.

© 1972 Metro-Goldwyn-Mayer Studios

Dargestellt wird Arthur Bishop von Winners bevorzugten Schauspieler Charles Bronson, mit dem er später DEATH WISH (1974) inszenieren sollte. Auch dieser Film handelt von der Nicht-Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols, aber nicht durch eine Organisation, welche eigene Normen und Regeln festlegt, deren Überschreiten streng bestraft wird. Ein Architekt übt in New York nach der schrecklichen Gewalttat an seiner Familie und der Unfähigkeit der Ermittlungsbehörden zur Aufklärung Selbstjustiz, indem er mehrere Kriminelle erschießt, ohne jemals die tatsächlichen Täter zu finden. Die Medien feiern ihn als Helden. Vor THE MECHANIC verkörperte Bronson die Titelrolle in dem Western CHATO’S LAND (1972), einer grimmigen Allegorie auf den Vietnam-Krieg.

THE MECHANIC verdeutlicht dem Zuschauer auf tragische Weise, wie fremdbestimmt und mechanisch das Leben der Menschen geworden ist.

Simon West drehte 2011 ein zwar dramaturgisch gelungenes Remake von THE MECHANIC, welches jedoch an die psychologische Tiefgründigkeit der Figuren und die Gesellschaftskritik des Originals nicht heranreicht.

© Stefan Preis

[1]Alle Zitate: Horkheimer, Max und Theodor  W. Adorno (2008): Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt am Main.

Titel, Cast und CrewKalter Hauch (1972)
OT: The Mechanic
Poster
RegisseurMichael Winner
Releaseseit dem 14.04.2011 auf Blu-ray und DVD

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Trailer

Englisch
BesetzungCharles Bronson (Arthur Bishop)
Jan-Michael Vincent (Steve McKenna)
Keenan Wynn (Harry McKenna)
Jill Ireland (The Girl)
Frank DeKova Frank DeKova (The Man)
James Davidson (Intern)
Lindsay Crosby (Policeman)
DrehbuchLewis John Carlino
FilmmusikJerry Fielding
KameraRichard H. Kline
Robert Paynter
SchnittFrederick Wilson
Michael Winner
Filmlänge100 Minuten
FSKab 16 Jahren

 

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