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2001 Odyssee im Weltraum 70 mm unrestored

The Making of Stanley Kubrick´s 2001: A Space Odyssey (TASCHEN) – Buchvorstellung

Es gibt Filmbücher, die sind eine Augenweide, ein Fest für den Betrachter ähnlich der Erfahrung durch einen Film oder im Kino selbst. Und dann gibt es Publikationen wie diese hier: Ein Buch wie ein schwarzer Monolith, geheimnisvoll und erhaben. Doch diesen Monolithen kann man öffnen, in ihn hineinschauen, seine Mysterien erforschen. Der führende Popkultur-Verlag TASCHEN hat seine teure erste Edition von THE MAKING OF STANLEY KUBRICK’S 2001: A SPACE ODYSSEY nach vier Jahren neu aufgelegt. Anlässlich des 50jährigen Jubiläums des wegweisenden Sci-Fi-Epos ermöglicht dieses Buch, nun auch für jedermann erschwinglich, noch tiefer in das weitreichende und komplexe Zeichengefüge von Kubricks Meisterwerk einzutauchen.

The Making of Stanley Kubricks 2001 A Space Odyssey TASCHEN Cover
© TASCHEN

Ich freue mich sehr, meinen ersten Gastbeitrag auf Fluxkompensator anhand dieser enormen Publikation beizusteuern. Ähnlich wie Christoph, der in seinem Beitrag vor kurzem die Erfahrung der aktuellen Kino-Wiederaufführung von Stanley Kubricks 2001: A SPACE ODYSSEY – auf 70 mm-Format in einer rein durch photochemischen Prozess neu restaurierten Kopie – beschrieben hat, kam auch mir kürzlich die große Ehre zuteil, Kubricks eindrucksvolles Spektakel im Schauburg-Kino Karlsruhe von 70 mm-Analogprojektion zu bestaunen. An diesem Abend war sogar Kubricks Schwager und langjähriger Mitarbeiter Jan Harlan, gebürtiger Karlsruher, zu Gast. Harlan drehte nach Kubricks Tod die Dokumentation STANLEY KUBRICK: A LIFE IN PICTURES (2001) und wirkte als Herstellungsleiter (executive producer) an BARRY LYNDON (1975), THE SHINING (1980), FULL METAL JACKET (1987) und EYES WIDE SHUT (1999) mit. Zudem ist er Herstellungsleiter von A.I. – KÜNSTLICHE INTELLIGENZ (2001), jenem Projekt, das ursprünglich von Kubrick selbst realisiert werden sollte und schließlich vertrauensvoll in die Hände Steven Spielbergs gegeben wurde. Hier schließt sich der Kreis, denn Harlan und auch seine Schwester, Kubricks Ehefrau Christiane Kubrick, arbeiten seit längerem als Berater intensiv u.a. mit dem Verlag TASCHEN zusammen. Herausgekommen sind bisher vier Karriere umspannende Werke über den Meister sowie zwei weitere über Einzelwerke, eines davon über den „größten Film, der niemals gemacht wurde“.

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Abbildungen im Buch © TASCHEN

Hier eine kompakte chronologische Auflistung:
Paul Duncan: STANLEY KUBRICK. THE COMPLETE FILMS (2003, 102 Seiten).
Paul Duncan: STANLEY KURBICK. VISUAL POET 1928-1999 (2003, 192 Seiten).
Alison Castle: THE STANLEY KUBRICK ARCHIVES (2005, 544 Seiten).
Luc Sante: THROUGH A DIFFERENT LENSE. STANLEY KUBRICK PHOTOGRAPHS (2018, 328 Seiten) (Review)
Alison Castle: STANLEY KUBRICK’S NAPOLEON. THE GREATEST MOVIE NEVER MADE (2009, 2874 Seiten / 2011, 1112 Seiten)
Piers Bizony: THE MAKING OF STANLEY KUBRICK’S 2001: A SPACE ODYSSEY (2014, 1386 Seiten / 2018, 562 Seiten)

Letztgenanntes ist das hier besprochene Buch. Aus der Auflistung – und TASCHEN ist ja nicht der einzige Verlag, der eindrucksvolle Text- und Bildbände über Kubricks Werk drucken ließ – soll ersichtlich werden, dass über die Jahre auch einige Reprints dieser Originalausgaben in Umlauf gebracht wurden, dann immer für einen erschwinglicheren Preis und in etwas kleinerem Format. So bestand die Erstauflage des hier besprochenen Buches über 2001: A SPACE ODYSSEY aus vier Einzelbüchern, die in einer monolithförmigen Metallbox zu einem Gesamtpaket geschnürt waren. Preis: €1000,- für den ultimativen Sammler (Ausgaben 501-1500 waren beispielsweise zusätzlich von Christiane Kubrick handsigniert). Dennoch, oder gerade deshalb, verdient diese nun vier Jahre später erfolgte Neuauflage eine besondere Würdigung. Nach wie vor im Sonderformat (16,9 x 37,8cm) und in Schweizer Broschur gedruckt, bekommt der auch nur halbwegs an Klassikern interessierte Leser/Sammler für €60,- eine wahre Bibel an visuellen Eindrücken und auch Texten über den Werdegang eines einzigen Films.

The Making of Stanley Kubricks 2001 A Space Odyssey TASCHEN COVER
Ein Buch wie ein Monument // Photo: Stefan Jung

Befindet sich das Buch zu Beginn im hochglänzend laminierten Umschlag, weiß man zunächst noch nicht, ob die Leserichtung hoch- oder querformatig ausgerichtet sein wird. Im Querformat würden die Buchmaße im Verhältnis von 2,23:1 ziemlich exakt an das von Kubrick intendierte originale Cinerama-Format des Films (2,20:1) herankommen. Doch auch die nach dem Öffnen erkennbare hochformatige Ausrichtung des Buches macht Sinn: Stellt man es vorsichtig auf, sieht es doch nicht nur ungefähr aus wie der schwarze Monolith selbst. Die Schweizer Broschur ermöglicht ein bei 562 Seiten starker Bindung optimales Leseerlebnis für das Format, denn das Buch ist 2,5kg schwer und die einzelnen Seiten darin, die teilweise doppelt oder gar dreifach nach außen aufklappbar sind, natürlich vorsichtig zu handhaben.

Inhalt

Der Inhalt gliedert sich in folgende thematische Teile:

– Zusammenarbeit zwischen Kubrick und Arthur C. Clarke
– Gestaltung der Raumschiffe und Ausstattung
– Erschaffung der optischen Effekte
– Filmen der Affenmenschen-Szenen
– Zentrifugen-Bühne und Stunts
– über Stanley Kubrick persönlich
– Kritikerstimmen zu 2001: A SPACE ODYSSEY
– Synopsis (Zusammenfassung der Filmhandlung)

The Making of Stanley Kubricks 2001 A Space Odyssey TASCHEN Cover
© TASCHEN

Zum Inhalt bleibt zu erwähnen, dass es nicht nur brandneue Erkenntnisse gibt, kennt man beispielsweise die Making-ofs auf den DVDs oder der Blu-ray zum Film oder aber die zahlreichen Kapitel über 2001 in den STANLEY KUBRICK ARCHIVES (kein Film ist dort stärker repräsentiert als dieser). Aber das soll es wohl auch nicht. Altes und Neues wird gemischt und in einem attraktiven Gesamtpaket angeboten. Der Autor Piers Bizony ist Wissenschaftsjournalist, Historiker und Publizist über Raumfahrtprojekte und Organisator von Ausstellungen über Weltraum, Geschichte der Technologie und Spezialeffekte. Dieses Buch hier ist streng textlich genommen keine neue Niederschrift. Erstmals 1994 veröffentlichte der Autor sein lange recherchiertes Buch „2001: Filming the Future“, mit Vorwort von Arthur C. Clarke und einem Inhaltsverzeichnis, das sich mit soeben erwähnter Auflistung ziemlich deckt.

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Seitenansicht © TASCHEN

Gestaltung / Eindruck

Zusätzlich zum oben bereits erwähnten Design des Buches soll abschließend die immersive Wirkung auf den Leser durch die Gestaltung beschrieben werden. Denn hier stellt dieses Druckerzeugnis eine erstaunliche Ergänzung zum filmischen Hauptwerk dar, denn so, wie es aufbereitet ist, genießt es nicht nur seine wohlverdiente Berechtigung, sondern ist tatsächlich eine Bereicherung für den Fan in Printform. Zahlreiche Kritiker warfen ja bei Erscheinung des Films dem Macher gar intendierte Langeweile vor, dabei „retteten gerade die jüngeren Zuschauer im Jahr 1968 den Film, die ihn als intensive Erfahrung wahrgenommen hatten“ (Jan Harlan zitiert Stanley Kubrick am Abend nach der Wiederaufführung in Karlsruhe, 27.05.2018). Und so zelebriert dieses Buch, ähnlich wie der Film innerhalb des Narrativs selbst, die Entfaltung der Evolution, später die der futuristischen Technik, daran angelehnt den langgezogenen Verfall zwischenmenschlicher (und technischer) Kommunikation, sowie schließlich die Reise durch Raum und Zeit selbst, den Weg zu etwas Höherem, etwas Unbegreiflichem, Überwältigenden. Das Buch möchte weniger Antworten liefern und Mysterien vollständig entschlüsseln, als vielmehr aufzeigen, was da hinter den großen Bildern auf Leinwand bei deren Produktion vor sich ging – und schließlich, was da alles noch hätte sein können. Denn zahlreiche Konzepte haben es bekanntlich nicht in den fertigen Film geschafft, der dann locker um ein Drittel länger/anders hätte werden können.

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Unboxing // Photos: Stefan Jung

So begibt man sich als Leser, ähnlich wie als Zuschauer des Films, auf eine sehr spannende Reise. Aller paar Seiten klappt man eindrucksvolle Konzeptzeichnung und großformatige Fotos auseinander und wird sich einmal mehr der enormen Dimension von Kubricks Film bewusst. Die prägendsten Grafiken sind nicht nur dem Auge Bekanntes: Versionen von möglichen Welten tun sich dem Leser auf, Vergleiche verschiedener Varianten werden auch bildlich sinnvoll gegenübergestellt. All dies ist regelmäßig, wenn auch nicht in zu hohem Maße durch Untertitel bzw. Bildtext unterfüttert. Oftmals sprechen nur die Bilder für sich selbst. So hätte es wohl auch Kubrick gefallen. Dass nun im Rahmen eines erschwinglichen Sonderformats mit über 500 Seiten nicht die dickste Papierqualität verwendet werden kann, von laminierten Blättern ganz zu schweigen, und auch die aufklappbaren Grafiken nicht ohne zwangsläufige Falzschnittstellen betrachtet werden können, sehe ich nicht als Manko sondern als Bedingung für die Produktion dieses tollen Bands.

Wer 2001: A SPACE ODYSSEY nie so richtig mochte, wird diese Besprechung wohl nicht zu Ende gelesen haben. Wer sich von Kubricks visionärem Film (mehr als einmal) hat überwältigen lassen, wird um dieses Buch nicht herumkommen.

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