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The Hunt (2020) – Filmkritik

Erst wurde der Kinostart, aufgrund der Anschläge in den USA am 3. und 4. August 2019, verschoben. Es folgte die Corona-Krise 2020 und der Kinostart war endgültig vom Tisch. Schließlich wanderte der Film zur Auswertung nach „Amazon Prime“. Glücklicherweise gibt es nun doch noch eine Heimkinoversion in Form einer DVD und Blu-ray. Die Rede ist von Craig Zobels THE HUNT. Dass die kontroverse Idee der Menschenjagd fast schon so alt ist wie die Geschichte des phantastischen Films wissen die wenigsten, darum werfen wir erst einen kurzen Blick zurück…

© Universal Pictures

Als Richard Connell im Jahr 1924 seine Kurzgeschichte „The Most Dangerous Game“ veröffentlichte, ahnte er ganz sicher nicht, dass dieser kleine Teufel bis in unsere heutige Zeit als Vorbild für ähnlich gelagerte Filme dienen sollte. Angefangen hatte alles mit GRAF ZAROFF – GENIE DES BÖSEN (THE MOST DANGEROUS GAME, 1932) von Ernest B. Schoedsack und Irving Pichel. Der Film erstand parallel zu KING KONG UND DIE WEISSE FRAU (KING KONG, 1933), gedreht wurde zum Teil in denselben Dschungelkulissen und mit einem Großteil der Crew aus beiden Filmen. Mehr als Lückenfüller gedacht, wurde GRAF ZAROFF jedoch schnell zu einem Meisterwerk wie auch Meilenstein der Filmgeschichte, ebenso wie sein großer Bruder KING KONG. Im Laufe der Jahre erschienen immer wieder Remakes und Neuinterpretationen des Grafen: A GAME OF DEATH (1945), DER SONNE ENTGEGEN (RUN FOR THE SUN, 1956), OPEN SEASON – JAGDZEIT (1974), INSEL DER VERDAMMTEN (TURKEY SHOOT, 1982), SURVIVING THE GAME (1994), DIE TODESKANDIDATEN (THE CONDEMNED, 2007), DIE JÄGER – THE NEW OPEN SEASON (THE HUNTERS, 2011) um nur ein paar zu nennen. Craig Zobels THE HUNT reiht sich in diese illustre Runde nahtlos ein.

© Universal Pictures

Eine zweite Richtung der Menschenjagd entwickelte sich 1958. Grundlage dafür war die Kurzgeschichte „The Price of Peril“ des US-Amerikaners Robert Sheckley. Der entwickelte aus der perversen Idee des Richard Connell ein Medienspektakel für Alt und Jung. In einer Spielshow, die Live im TV übertragen wird, jagen mehrere Killer eine auserwählte Person. Wenn der Glückliche die Jagd überlebt, winkt ihm ein fettes Preisgeld. Prompt folgten auch hier unzählige Filme mit Variationen aller Art: DAS 10. OPFER (LA DECIMA VITTIMA, 1965), DAS MILLIONENSPIEL (1970), FRANKENSTEINS TODESRENNEN (DEATH RACE 2000, 1975), KOPFJAGD – PREIS DER ANGST (LE PRIX DU DANGER, 1983), RUNNING MAN (1987), BATTLE ROYALE (BATORU ROWAIARU, 2000) oder auch der deutsche IMMIGRATION GAME (2017). Doch kommen wir zurück zu THE HUNT.

Inhalt

Auf einem abseits gelegenen Landsitz, bekannt als „The Manor-Gate“, erwachen eine Handvoll Personen, ohne zu ahnen, wo sie sind und warum sie hierhergebracht wurden. In einem nahegelegenen Bunker versteckt, lauert eine Gruppe von Personen, die ihrem blutigen Hobby frönen: die Menschenjagd. Um das Spiel etwas spannender zu gestalten, erhalten die „Auserwählten“ ebenfalls Waffen. Und um das Ganze auf die Spitze zu treiben, wurde das unübersichtliche Gelände mit einigen Fallen ausgestattet. Der Großteil der menschlichen Jagdbeute ist schnell erlegt, doch einige wenige bieten den Jägern einen erbitterten Kampf, der beiden Seiten einen hohen Blutzoll abfordert.

© Universal Pictures

Die Farm der Tiere

Zu Beginn mag die Story etwas verwirrend erscheinen, doch ich kann versichern, dass im Verlauf des Films alle Unklarheiten beseitigt werden. So richtig startet THE HUNT, als die entführten Personen auf dem weitläufigen Gelände erwachen, mit der Gestalt der jungen Daisy (Emma Roberts). Sofort klammert sich der Betrachter an ihren Charakter in der Hoffnung, endlich den Hauptdarsteller gefunden zu haben. Doch der Schein trügt, denn die Jäger sind in der Nähe und töten, ohne zu zögern. So wandert die Kamera munter umher und dokumentiert eine blutige Tötung nach der anderen, während der verwirrte Betrachter seine Bezugsperson sucht, so wie einst Alfred Hitchcock seine vermeintliche Hauptdarstellerin Marion Crane (Janet Leigh) in PSYCHO (1960) überraschend aus dem Spiel nahm und das Publikum schockte.

Georg Orwells „Die Farm der Tiere“ (Animal Farm, 1945) wird mehrfach in THE HUNT erwähnt, und wenn wir etwas genauer hinsehen, wird diese dystopische Fabel von Regisseur Craig Zobel grandios benutzt, um die Positionen und Ansichten der einzelnen Akteure in seiner bösen Satire zu präzisieren und auch zu visualisieren. Ganz besonders das Gebot: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“ passt wie der Deckel auf den Topf.

© Universal Pictures

Intensivpatient USA

Insbesondere dreht sich vieles in THE HUNT um Mr. Donald-Make-America-Great Again-Trump und den Zustand der USA. Die beiden Drehbuchautoren Nick Cuse und Damon Lindelof haben nicht nur Georg Orwells faszinierende Geschichte in ihre Story eingebaut, sie haben auch jedes aktuelle Thema, ob nun politisch oder sozial, genommen und gehörig durch den Kakao gezogen: Rassismus, Flüchtlinge, Internet, Verschwörungstheorien und natürlich den Präsidenten. Schonungslos bietet THE HUNT eine Bestandsaufnahme eines über viele Jahre misshandelten Landes, das kurz vor dem Abgrund steht. Zwei überaus extreme und zornige Parteien, die gnadenlos gegeneinander vorgehen, die reiche Elite gegen den Rest der Bevölkerung. Alle werden in Craig Zobels blutigen Satire aufs Korn genommen, keiner bleibt verschont, egal auf welcher Seite er steht.

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Die allgegenwärtige und kaum noch zu ertragende „political correctness“ bleibt glücklicherweise außen vor. Die zynische und böse Satire wird durch witzige Momente und schwarzen Humor aufgelockert, beide führen einen raffinierten Tanz auf und doch fühlt sich THE HUNT schmerzhaft real an. Ein Blick in die täglichen Nachrichten verdeutlicht das zu Genüge. Eine besonders scharfe Spitze geht in Richtung der Verschwörungstheoretiker und den Leichtgläubigen, die alles für bare Münze nehmen, was auf den großen Social-Media-Seiten im Netz verbreitet wird. Anhand eines einfachen Gedankenspiels und seinen möglichen Folgen: Was wäre, wenn eine der unzähligen Verschwörungstheorien plötzlich wahr wird, weil die darin angefeindeten Personen aus Trotz das Hirngespinst real werden lässt?

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Nicht nur die Optik und die Sets von THE HUNT können auf ganzer Linie überzeugen, auch der Cast ist bis in die kleinste Nebenrolle mit Profis besetzt. Von all den fantastischen Schauspielern stechen ganz besonders die beiden weiblichen Hauptakteure hervor: Crystal, gespielt von Betty Gilpin und Athena, dargestellt von Hilary Swank. Sie stehen für die beiden unversöhnlichen Lager: Crystal für den Otto Normalbürger und Athena für die mächtige Elite des Landes. Wenn wir schon bei den beiden Damen sind, können wir auch gleich noch ein Wort über die zahlreichen Action- und Splatter-Szenen verlieren. Denn die sind, wie der Rest, hervorragend inszeniert, besonders sticht dabei das Finale in der Küche hervor. Handgemachte, blutige Effekte und CGI geben sich harmonisch die Hand. Die kräftige Farbpalette erzeugt in THE HUNT einen ganz eigenen, realistischen Look.

Fazit

Keiner der zahllosen Epigonen des Grafen Zaroff schaffte es bisher, ihm auch nur ansatzweise das Wasser zu reichen, THE HUNT ist da keine Ausnahme. Doch das war nie das erklärte Ziel von Regisseur Zobels kleinem, fiesen Film. Ganz sicher wird THE HUNT nicht jedem zusagen und zu hitzigen Diskussionen führen, denn nicht jedem Betrachter mag die Symbolik zu entschlüsseln. THE HUNT ist eine unterhaltsame, spannende und auch überraschende Satire mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor und jeder Menge Action und Blut, die unheimlich viel Spaß macht.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewThe Hunt (2020)
Poster
Releaseab dem 03.09.2020 auf Blu-ray und DVD erhältlich.

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RegisseurCraig Zobel
Trailer
BesetzungBetty Gilpin (Crystal)
Hilary Swank (Athena)
Wayne Duvall (Don)
Ethan Suplee (Gary)
Steve Coulter (Der Doktor)
Amy Madigan (Ma)
Reed Birney (Pop)
Emma Roberts (Daisy)
DrehbuchNick Cuse
Damon Lindelof
KameraDarran Tiernan
FilmmusikNathan Barr
SchnittJane Rizzo
Filmlänge90 Minuten
FSKab 18 Jahren

2 Gedanken zu „The Hunt (2020) – Filmkritik“

  1. Ein weiterer Film der in diese Reihe passt ist „Open Season – Jagdzeit“ aus dem Jahr 1974 und auch „Surviving the Game – Tötet ihn!“ von 1994 zeigt parallelen hierzu.

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