The Fog – Nebel des Grauens
Review der neuen Sammler-Edition(en) inkl. weiterer Carpenter-Titel
„Stimmungsvoller Grusel vom Meister des Grauens“
THE FOG (1980) fand ich schon immer besser als HALLOWEEN. Angenehm bedächtiger entfaltet sich dieser hoch stimmungsvolle Grusler vom „Fürst der Dunkelheit“ John Carpenter. Der Film ist nicht perfekt und hat zugegebenermaßen auch ein, zwei Hänger. Doch die wiederholt langen, unheilverkündenden Einstellungen, das beschauliche Setting der kleinen Hafenstadt Antonio Bay – allein der Leuchtturm als Radiostation! – einfach sein gelungenes Gesamtpaket machen THE FOG zu einem der am besten gealterten Filme Carpenters, ganz dicht hinter dem zeitlosen ASSAULT – ANSCHLAG BEI NACHT (ASSAULT ON PRECINCT 13).
Mit Zensur und Schnittversionen beschäftige ich mich stets am Rande, doch bei THE FOG ist es interessant: da gibt es, wenn man den Film sieht, bis auf eine Sequenz zu Beginn kaum offensichtliche Gewalteffekte, also keine Einschusswunden, wenig Blut, keine permanent penetrierenden Waffen (wie etwa beim ebenfalls blutarmen, originalen HALLOWEEN zumindest noch in einer Szene recht deutlich). Bereits früher sah ich immer Parallelen zur Bildgestaltung von Alfred Hitchcocks PSYCHO (1960), wo das Massaker ebenfalls vorrangig angedeutet wurde. So existiert von THE FOG auch eine lediglich dezent entschärfte TV-Version und wäre der Film wohl erst fünf Jahre später erschienen, er hätte vielleicht gar ein PG-13-Rating erhalten. Oder andersherum: Carpenters vorab gezeigte Version von THE FOG war noch viel bedächtiger als die seit Kinostart offizielle. (Damals waren die Filme dankenswerter Weise ohnehin viel ruhiger erzählt, von daher schätze ich sie auch so sehr.) Erst als der Regisseur die kaum vorhandene Aufregung inmitten des Testpublikums zu seinem Nachteil vorhersah, schnitt er ihn etwas zackiger und fügte noch diese und jene Szene als zusätzlichen Thrill mit ein. Hierzulande sind die meisten Carpenter-Filme ohnehin ab 16 Jahren freigegeben, doch THE FOG geht in zahlreichen Ländern mit einer Freigabe zwischen 12 und 16 durch, in England etwa mit dem milderen 15 der BBFC.
Entscheidet man sich heute also erneut für THE FOG, so darf man keinen roten Farbrausch erwarten wie etwa bei THE THING zwei Jahre später. Vielmehr machen zahlreiche Verbindungen zum klassischen Horrorkino Carpenters frühen Einstand in die 1980er-Jahre in seiner Art einmalig. Da ist natürlich Janet Leigh, deren Auftritt in THE FOG zum einen Carpenters Bewunderung an Altmeister Hitchcock stark reflektiert, dessen Prämisse des Suspense auch Carpenter stets in seine Filme mit einbaute; zum anderen war Leigh die Mutter von Kelly Curtis und Jamie Lee Curtis… und Letztere spielte nun nach HALLOWEEN auch in THE FOG die erste Nebenrolle (und war dabei noch vor Adrienne Barbeau auf dem Originalplakat zu sehen, ihr Image als „Scream-Queen“ versprach eben Profit).
THE FOG trägt viel Lovecraftʼsche Qualität in sich: das Grauen, das nicht greifbar ist, dieser Nebel, der sich unerklärlich und unausweichlich über das Städtchen Antonio Bay setzt. Außer der rauchigen Erzählerstimme eines alten Fischers im Prolog, der in bester Märchenmanier ein paar Kindern die Geistergeschichte von wiederkehrenden Seeleuten im Nebel des Grauens erzählt, wird die Herkunft und Rückkehr der zombiehaften Gestalten wenig diskutiert. So wird etwa Pfarrer Malones verstörte Rekapitulation einer Gründungsgeschichte der Gemeinde – das zwischen dem Mauerwerk einer Hauswand gefundene Buch erinnert nicht ungefähr an Lovecrafts Schöpfung des Necronomicon – von den wenigen Zuhörern als bedauerliches Hirngespinst abgetan. Es ist dieser Zusammenprall zwischen Moderne (dem gegenwärtigen Alltag in Antonio Bay) und dem Klassizismus des gothic horror in Form einhundert Jahre alter, verlorener Seelen, die aus dem nasskalten Grab des Meeres wiederauferstanden sind und die ohne Motivation töten. Carpenter zelebriert mit THE FOG die Kraft altehrwürdiger Schauergeschichten und überträgt deren Geist sinngemäß und effektiv auf die Kinoleinwand einer damals neuen Filmdekade.
So bietet auch THE FOG einen wahren Feiertag des Horrors, und während dieser offensichtlich gut zum nebligen November oder ebenfalls zu Halloween passt, ist im Film selbst vom 21. April die Rede – und der wird von Fans heutzutage ebenso gefeiert, wie Freitag der 13., der blutige Valentinstag oder Muttertag. In der deutschen Synchronisation von THE FOG gibt es übrigens einen durchaus markanten Fehler, denn da wurde das 100. Jubiläum von Antonio Bay eben mal einen Tag nach hinten verschoben (ob das mit der Komplexität zu tun hat, dass bei Mitternacht der Tageswechsel stattfindet? Noch so ein Geheimnis, das im Mysterium des Nebels mit sich getragen wird…).
“11:55, almost midnight. Enough time for one more story. One more story before 12:00, just to keep us warm. In five minutes, it will be the 21st of April. 100 years ago on the 21st of April, out in the waters around Spivey Point, a small clipper ship drew toward land. Suddenly, out of the night, the fog rolled in. For a moment, they could see nothing, not a foot in front of them.” – aus dem Prolog von THE FOG
Jenseits dieses Datumsfehlers bietet auch die deutsche Synchronisation in den weiteren Zeilen des Prologs beste Atmosphäre, mit gelungener, bildhafter Sprache:
„ … Aber dann sahen sie plötzlich ein Licht: das musste das Leuchtturmfeuer sein, das Ufer war also nicht mehr weit. Das Licht war hell genug, den Nebel zu durchdringen und die Männer glaubten sich gerettet. […] Das Schiff wurde gegen die Felsen geschleudert, alles krachte, splitterte, der Mast knickte um wie ein Streichholz […] Das Meer hatte alles verschlungen, Mann und Maus – und die Elizabeth Dane: sie liegt heute noch tief unten auf dem Meeresgrund, ihre Lungen mit Salzwasser gefüllt und mit weit aufgerissenen Augen starrt sie in die Dunkelheit.“
Zur verehrenswerten Dreieinigkeit der weiblichen Mimen Barbeau, Lee und Leigh möchte ich noch zwei Carpenter-Buddies kurz namentlich erwähnen, die das darstellerische Gesicht von THE FOG mit prägen. Da ist zum einen Tom Atkins, der mit seinem fast durchgängig regungslosen Gesicht bestens der bedächtigen Stimmung des Films entspricht. Atkins sollte zwei Jahre später in dem von Carpenter noch mitproduzierten dritten HALLOWEEN-Film die Hauptrolle spielen. Das war der Teil ohne Michael Myers, der aber meiner Meinung nach trotzdem zu den besseren der Reihe zählt. Etwas aufgeweckter gesellt sich schließlich noch Darwin Joston (Hauptrolle in ASSAULT) ins Geschehen von THE FOG, wenn er als fachkundiger Pathologe in einer vergleichsweise winzigen Rolle mehr Intensität vermittelt als Atkins im gesamten Film.
Zu den neuen Restaurationen
Carpenters THE FOG setzt nachhaltig auf visuelle Atmosphäre. Kameramann Dean Cundey (HALLOWEEN / THE THING) war auch hier für die beeindruckenden Cinemascope-Bilder verantwortlich. Nun gibt es leicht vorab zum 40-jährigen Jubiläum des Films eine neue 4K-Restauration für den Heimkinomarkt zu bestaunen. Studiocanal Deutschland bringt THE FOG, zudem auch SIE LEBEN (THEY LIVE, 1988) und FÜRSTEN DER DUNKELHEIT (PRINCE OF DARKNESS, 1987) hierzulande in schicken UHD-Steelbooks heraus. Das Bild wurde bei jedem dieser Titel in 4K vom Original-Negativ komplett neu restauriert, besitzt nie gesehenen Detailreichtum, Schärfe, Farbkraft und Bildstabilität. Wobei, mit der Farbkraft habe ich persönlich so meine kleinen Probleme. Die Ergebnisse lassen sich in etwa mit der 4K-Restauration von THE THING vergleichen, die letztes Jahr bei Arrow Video erschien.
Mir persönlich – das konnte man z.B. hervorragend zwischen dieser Arrow-Version und dem noch ein Jahr früher (2016) erschienenen 2K-Interpositiv-Remaster von THE THING via Shout Factory vergleichen – entsprach diese 4K-Version mit den durchgängig wärmeren Farbtönen und dem deutlich reduzierten Filmkorn nicht mehr dem originalen Kinobild. Dieses war ursprünglich kühler, entsättigter und reflektierte in seiner kristallinen Bläue besser den filmischen Schauplatz in der Antarktis (gedreht in Alaska). Der Witz bei THE THING war: beide Restaurationen (2K bzw. 4K von jeweils unterschiedlichen Quellen) wurden von den Machern, so etwa beide Male von Kameramann Dean Cundey, offiziell bewilligt. Demnach, so könnte man kritisch bemerken, relativiert sich sogar deren Anspruch nach einem ursprünglichen, eindeutigen Maßstab, wie also der eigene Film nun auszusehen hätte (hier gehtʼs zum THE THING-Bildvergleich für die Detailverliebten unter Euch). Hiermit sei erwähnt, dass eben auch bei diesen neuen Restaurationen von Carpenters Filmen nicht alles nur gut sein muss. Also wie gesagt: der Detailreichtum war nie besser, mit den kontrastreicheren Farben gehe ich nicht ganz konform.
Zeitgleich zu den deutschen UHD-Steelbooks (je 3-4 Discs) finden sich auf dem englischsprachigen Markt noch umfangreichere Digipacks samt dicken Booklets, Artcards und Poster, die zudem teilweise noch unter dem Preis der UHD-Steelbooks hierzulande liegen. Das Beste: auch diese englischen Editionen via Studiocanal UK besitzen den deutschen (und auch französischen) Ton. Diese Sammler-Editionen beinhalten zusätzlich zur UHD ebenfalls den Film auf Blu-ray auf Basis der 2018er Restauration sowie eine bis an den Rand vollgepackte Bonus-Blu-ray (50GB) mit wahrhaft sehenswerten Extras, wovon viel neu Produziertes enthalten ist. Als i-Tüpfelchen gibt es noch die restaurierten und erweiterten Soundtracks auf CD dazu. Aufgrund der Rechtelage erscheint zusätzlich noch DIE KLAPPERSCHLANGE (ESCAPE FROM NEW YORK, 1981) in England im 4-Dics-Digipack samt Soundtrack, Booklet usw. Hierzulande wird es dann fast zeitgleich ein neues Mediabook via Birnenblatt geben, jedoch ohne Soundtrack und nicht auf Grundlage der brandneuen Restauration – wobei, wie ich ja soeben ausführte, kann hier dann auch bei DIE KLAPPERSCHLANGE das „ältere“ Remaster aus dem Jahr 2016 seine ganz eigenen Vorteile haben.
Das soll es jetzt aber vorerst mit den technischen Details gewesen sein. Festzuhalten bleibt: die Jahre 2017 und 2018 stehen europaweit unter dem leuchtenden Stern von tollen Neuauflagen einiger Carpenter-Klassiker – und soviel kann ich schon verraten: auch hierzulande geht es nächstes Jahr munter weiter. Details zu Titel und Label bleiben vorerst aber noch unter Verschluss.
Fazit
Die Neuauflagen der Carpenter-Klassiker sind in jedem Fall relevant und empfehlenswert, was bei der RAMBO-Trilogie unserer Meinung nur bedingt der Fall war. Und ganz gleich, welche Fassungen Ihr nun von THE FOG, DIE KLAPPERSCHLANGE, FÜRSTEN DER DUNKELHEIT oder SIE LEBEN für Eure Sammlungen erwerben möchtet, benutzt am einfachsten unsere direkten Affiliate-Links:
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- THE FOG (englisches Digipack, UHD+2 Blu-rays+CDs, inkl. deutschem Ton)
- THE FOG (deutsches Digipack, 2 Blu-rays+CD, ohne UHD)
- SIE LEBEN (deutsches Steelbook, UHD+2 Blu-rays+CD)
- THEY LIVE (SIE LEBEN) (englisches Digipack, UHD+2 Blu-rays+CD, inkl. deutschem Ton)
- FÜRSTEN DER DUNKELHEIT (deutsches Steelbook, UHD+2 Blu-rays)
- ESCAPE FROM NEW YORK (englisches Digipack, UHD+2 Blu-rays+CD)
Liebt Filme und die Bücher dazu / Liest, erzählt und schreibt gern / Schaltet oft sein Handy aus, nicht nur im Kino / Träumt vom neuen Wohnzimmer / Und davon, mal am Meer zu wohnen
Hallo,
schön zu lesende, detaillierte Rezension, stimme im Großen und Ganzen überein. Aber bei folgender Aussage („…und die ohne Motivation töten.“) war ich etwas irritiert und bin da anderer Meinung, mit Beleg (s. u.).
Zitat: „Es ist dieser Zusammenprall zwischen Moderne (dem gegenwärtigen Alltag in Antonio Bay) und dem Klassizismus des gothic horror in Form einhundert Jahre alter, verlorener Seelen, die aus dem nasskalten Grab des Meeres wiederauferstanden sind und die ohne Motivation töten.“ (??)
Die Wiedergänger haben eine sehr starke Motivation: Sie töten aus Rache (siehe auch: Vergeltung).
Belege (hoffentlich): 1) Sie (Wiedergänger) wollen genau so viele Menschen töten wie sich damals verschworen haben [z. B. Zahl „3“, in der Pathologie von der auferstandenen Leiche (Fischer) in den Boden gekratzt]; 2) Auch der Titel des Bonus-Materials „Vergeltung: John Carpenters ‚The Fog‘ “ verweist darauf.
Vielleicht die sehr gute Rezension nochmal dahingehend anpassen?
MfG Johannes SB