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The Closet (2020) – Filmkritik

Vor Kurzem erst besprachen wir den US-Quark EXORZISMUS 2.0 (THE CLEANSING HOUR, 2019), nun folgt mit THE CLOSET der nächste Exorzismus-Film, diesmal aus Südkorea. Wenn Filmfreunde an Südkorea denken, fallen ihnen ganz sicher als erstes Filme wie ein OLDBOY (OLDEUBOI, 2003), I SAW THE DEVIL (ANG-MA-REUL BO-AT-DA, 2010), SNWOPIRCER (2013), TRAIN TO BUSAN (BUSANHAENG, 2016) oder der letztjährige Oscargewinner PARASITE (GISAENGCHUNG, 2019) ein. Das es auch etwas kleiner und ruhiger geht, zeigt uns Regisseur Kim Kwang-bin mit THE CLOSET.

© Capelight Pictures

Inhalt

Nach dem Tod seiner Frau bei einem schweren Verkehrsunfall zieht der Architekt Sang Won (Ha Jung-woo) mit Tochter Yi Na (Heo Yool) in ihr neues Zuhause außerhalb der Stadt. Verzweifelt versucht Sang Won seine Trauer hinter der Arbeit zu verstecken, vernachlässigt dabei allerdings seine Tochter, die sich zusehends immer weiter von ihm entfernt. Doch schon am ersten Tag im neuen Haus ändert sich Yi Na‘s abweisendes Verhalten, kurz darauf ist sie spurlos verschwunden. Trotz einer aufwendigen Suchaktion und der unermüdlichen Arbeit der Polizei, bleibt Sang Won‘s Tochter unauffindbar. Eines Tages erscheint ein seltsamer junger Mann, der Exorzist Keyong Hoon (Kim Nam-gil) und erzählt Sang Won eine fantastische Geschichte über den Verbleib seiner geliebten Tochter und dass sie nicht mehr viel Zeit für ihre Rettung haben.

© Capelight Pictures

Die Vulkanier der Erde

Gerade in den Ländern Japan und Südkorea ist der Leistungsdruck auf jedes Mitglied der Gesellschaft so hoch, dass es mittlerweile die Regel ist, Kinder sich selbst zu überlassen. Dazu kommen strenge Verhaltensregeln und die Pflicht, die eigenen Gefühle in der Öffentlichkeit zu unterdrücken. Oberstes Ziel eines jeden ist es, 24 Stunden am Tag, zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk zu funktionieren. Kürzlich erst sah ich einen Bericht über Japan, wo jetzt Kurse angeboten werden, in denen die Teilnehmer ungeniert weinen können. Dieser dauerhafte Druck hinterlässt tiefe Spuren, in allen Schichten der Gesellschaft. Besonders hart trifft es die Erwachsenen im Berufsleben, dem sie ihr Privatleben komplett unterordnen müssen. Doch auch deren Kinder stehen ständig unter Strom, gerade in den Schulen. Wer das nötige Kleingeld hat, besorgt sich ein Kindermädchen, was es allerdings auch nicht besser macht. So hält Kim Kwang-bin mit THE CLOSET der starren und gefühlskalten Gesellschaft einen Spiegel vor, in dem er ihnen das Elend vorführt, dass sie ihren Kindern und sich selbst zumuten: Gleichgültigkeit und Vernachlässigung, die tiefe Wunden bei allen hinterlassen. Eine Krankheit, die sich durch Generationen zieht und das Land und seine Bewohner auf lange Sicht verändert.

© Capelight Pictures

Der Schrank des Bösen

Eine thematische Verwandtschaft von THE CLOSET mit James Wans INSIDIOUS (2010) ist nicht von der Hand zu weisen. Gehen wir in der Zeitrechnung noch weiter zurück, finden wir in Tobe Hoopers POLTERGEIST (1982) ein weiteres Familienmitglied. In westlichen Produktionen hat sich der Zuschauer schon an den überzeichneten und durchgeknallten Exorzisten gewöhnt, doch warum Kim Kwang-bin dieses unsinnige Klischee zum Teil übernommen hat, ist mir ein Rätsel. Es wäre langsam Zeit, den Exorzisten wieder als ganz normalen Menschen zu präsentieren.

© Capelight Pictures

Effekte, Masken, Kostüme wie auch die Sets können überzeugen, doch fehlt es letztendlich an dem ein oder anderen Twist, welcher den Zuschauer mit großen Augen und pochendem Herzen vom Stuhl haut, wie wir es von anderen asiatischen Horrorfilmen kennen. Schnell wird klar, dass der Schrank im Zimmer von Yi Na den Hort des Bösen darstellt. Ein Extralob für das Design, denn mit den monströsen Türen sieht er aus wie ein übergroßer Insektenkopf. Öfters gab es Filme in denen Gegenstände verzaubert oder vom Bösen besessen waren, doch schafften es nur die wenigsten, diese zweischneidige Thematik ernsthaft zu vermitteln. Meistens driftet die Story in unfreiwillig komische Momente ab, die dem Film sehr schnell das Genick brachen und den Zuschauer eher zum Lachen als zum Gruseln animierte. Regisseur Kim Kwang-bin gelingt es dagegen spielerisch, genau diese Klippen zu umgehen und den mysteriösen Schrank von Beginn an in seiner Story fest und sicher zu etablieren. Die ruhige, sehr präzise Kameraführung ist genau richtig für die eher bedächtige Entwicklung der Story. THE CLOSET ist Kim Kwang-bins Debütfilm, davor machte er durch einige Kurzfilme auf sich aufmerksam.

© Capelight Pictures

Fazit

THE CLOSET hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Zum einen ist das Thema altbekannt und wurde in zahllosen Filmen immer wieder aufgegriffen. Zum anderen schafft es Regisseur Kim Kwang-bin, mit seinen unaufgeregten Bildern eine erdrückende Stimmung zu erzeugen, die bis zum Abspann anhält. Die Story verbindet geschickt die Probleme der koreanischen Gesellschaft mit einer altbekannten Horrorgeschichte. Die für westliche Augen unbekannte Kultur bringt noch einen Schuss Exotik hinzu. Das Horrordrama ist gut für einen verregneten Sonntagnachmittag, zum ganz großen Wurf hat es letztendlich aber nicht gereicht.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewThe Closet (2020)
Poster
Releaseab dem 14.08.2020 auf Blu-ray und DVD erhältlich.

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RegisseurKim Kwang-bin
Trailer
BesetzungHa Jung-woo (Sang Won)
Heo Yool (Yi Na)
Kim Nam-gil (Kyeong Hoon)
Kim Si-ah (Myung-jin)
Shin Hyun Bin (Seung Hee)
DrehbuchKim Kwang-bin
KameraChoi Chan-mi
FilmmusikJo Yeong-wook
SchnittKim Sang-beom
Filmlänge98 Minuten
FSKab 16 Jahren

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