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The Batman (2022) – Filmkritik

„Der Zyklus der Masken“

Seit zwei Jahren streift sich Milliardärssöhnchen Bruce Wayne (Robert Pattinson) des nachts das Fledermauscape um und sorgt als DER BATMAN (die etwas unglückliche, wortwörtliche Übersetzung des Originaltitels THE BATMAN) in Gotham City für Ordnung. So richtig ernst nehmen ihn die Straßengangs noch nicht und auch die Nummer mit dem Fliegen durch die Häuserschluchten hat definitiv noch ausbaubedarf, aber das neue Batsymbol über der Stadt ist vor Allem eins: „A warning“ an das organisierte Verbrechen. Denn es ist ein offenes Geheimnis, das der wahre Regent der Stadt Carmine Falcone (John Turturro) heißt und dass ein Polizist wie Jim Gordon (Jeffrey Wright), der nicht die Hand aufhält, eher die Ausnahme ist. Da kann auch der Fledermausmann nicht viel ausrichten. Bis der Riddler (Paul Dano) mit einer Mordserie an den korrupten Stadtoberen plötzlich das Machtgefüge der düsteren Metropole einzureißen droht.

THE BATMAN (2022)
© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. // Photo Credit: Jonathan Olley/™ & © DC Comics

Comicverfilmungen sind längst nicht mehr counter-culture, sondern der box-office dominierende Mainstream, Kritiker:innen wie etwa David Ehrlich sprechen sogar etwas pessimistischer von einer „Epidemie“. Die Tatsache allein, einen Comichelden auf die Leinwand zu verfrachten, ist schon lange kein Interessengrund mehr, das Marketing verschiebt sich textuell weg von seinen Helden, hin zu Verweisen auf die Filmgeschichte. Gerade JOKER, der letzte große DC Release, wurde in seinen Paratexten geradezu verzweifelt als ‚richtiger Film‘ angepriesen, inklusive Martin Scorssese als Executive Producer, um dann im finalen Produkt eine eher ermüdende 70er Jahre Pastiche zu sein, die vielleicht den Look eines KING OF COMEDY oder TAXI DRIVER übernahm, deren emotionale Tragweiten aber nur placebohaft per Assoziation erzeugen konnte. Pastiche ist eben selten mehr als „blank parody“.

© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. // Photo Credit: Jonathan Olley/™ & © DC Comics

Etwas zitternd konnte man also Matt Reeves‘ Neuinterpretation des dunklen Ritters entgegenblicken. Nach 176 Filmminuten kann man aber aufatmen: Der Jungfernflug der Fledermaus ist geglückt.

Die großen Batmanverfilmungen von Burton, Schuhmacher, Nolan und Snyder erzählten uns auch immer etwas über die politischen Realitäten, in denen sie angesiedelt waren. In Burtons herausragendem BATMAN RETURNS sahen wir ein von den Regan Jahren gebeuteltes Amerika, in dem die überarbeitete und ausgebeutete Selina Kyle sich gegen den bösen Überkapitalisten Max Shrek wehrte und der Penguin die Perversion des alten Geldes verkörperte, auch als Spiegel für Bruce Wayne, der so noch mehr sah, für welche Werte er eintreten musste. Bei Schuhmacher triumphierte der Eskapismus, das war stilistisch teilweise brillant, inhaltlich… nun ja. Nolan entfernte das Fantastische nahezu vollständig aus seiner Trilogie und präsentierte uns ein Gotham City auf der Kippe zwischen Bush und Obama, mit eindeutigen Bezügen auf den War on Terror und den Patriot Act. Zack Snyder stelle die einzige Frage, die er in seinem filmischen Ouevre bisher in der Lage war zu stellen: Wer wacht über die Wächter? Und vergaß ob seiner panischen Angst vor Superman leider, aus Batman eine interessante Figur zu machen. Natürlich ist das alles am Ende des Tages auch Geschmackssache, was man in einem Batman Film sehen möchte.

© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.

Matt Reeves kehrt spürbar deutlich zu den Comicwurzeln zurück und siedelt seinen Film irgendwo zwischen Joseph Loebs quintessenziellen THE LONG HALLOWEEN und Millers THE DARK KNIGHT RETURNS an. Von Loeb übernimmt er den Plot eines Mörders in der Gothamer Ober- und Unterwelt, von Miller die Psychologisierung Batmans. Schockierend war Millers Interpretation vom gealterten, faschistischen Batman. Reeves Batman und Bruce Wayne stehen in THE BATMAN noch ganz am Anfang ihrer Reise und müssen durch die Konfrontation mit dem Riddler lernen, dass Gerechtigkeit häufig sehr subjektiv sein kann. Denn ihre Motive und Ziele sind letztendlich die Gleichen: Reeves Riddler Interpretation ist ein vom System gebeutelter und übergangener Mensch, der die strukturelle Ungerechtigkeit Gotham Citys mit Mord einreißen möchte. Auch sein Kostüm ähnelt dem des dunklen Rächers.

THE BATMAN (2022)
© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. // Photo Credit: Jonathan Olley/™ & © DC Comics

Überhaupt ist THE BATMAN vielleicht der erste Batman-Spielfilm, der aus Bruce Wayne eine interessante Figur macht. Robert Pattinson brilliert als verschüchterter „Prince of Gotham“, der durch den Tod seiner Eltern zu früh erwachsen werden musste. Durch sein Alter Ego versucht er Struktur in ein bröckelndes Leben zu bringen und sich als Figur ohne Herkunft davon abzugrenzen, dass Vater Thomas Wayne vielleicht gar nicht der strahlende Held war, als der Bruce ihn gerne sah. Und welches Recht hat eigentlich ein verzogenes Milliardärskind wie Bruce Wayne, sich zum Rächer der Stadt aufzuschwingen, ein Mensch, der nie finanzielle Not oder Hunger leiden musste? Das sind die wirklich spanenden und vielleicht sogar genre-destabilisierenden Fragen, die Matt Reeves aufwirft. Es ist schade, dass vieles davon nur in Ansätzen stecken bleibt bzw. das Drehbuch hier und da bei den wirklich unbequemen Fragen lieber den genre-typischen Ausweg wählt.

THE BATMAN (2022)
© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. // Photo Credit: Jonathan Olley/™ & © DC Comics

Der grundsätzliche Fatalismus, der den ganzen Film durchwabert, ist aber lobenswert und geradezu schmerzhaft selbstdiagnostisch: Verbrechen und Ungerechtigkeit sind ein Zyklus und können vielleicht durch die Einbuchtung eines Schurken kurzzeitig geklärt werden, aber es wird immer wieder etwas Neues kommen. Da steht vielleicht eine neue Bürgermeisterin am Rednerpult, die Phrasen bleiben die gleichen und in den Zellen von Arkham lauern schon neue Insassen. Dieses resignierende zyklische Erzählen macht THE BATMAN wahnsinnig interessant. Wie auch die Comicverfilmungen in ihrem eigenen Zyklus gefangen sind. Neue Regisseur:innen und Schauspieler:innen, aber schließlich doch die gleichen Geschichten, immer ein bisschen anders aufbereitet.

THE BATMAN (2022)
© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. // Photo Credit: Jonathan Olley/™ & © DC Comics

Der zweite erfreulichste Faktor an THE BATMAN ist sicherlich, dass man die Figur des Batman und auch die Stadt Gotham auf ihre Gothic-Wurzeln zurückführte. Gotham City erscheint als Stadt zwischen Tradition und Moderne, wo Wolkenkratzer neben alten Kathedralen existieren. Die Konfrontation mit dem Vater und dem unaussprechlichen „je ne sais pa“ des Unheimlichen machen die Gothic Literatur aus. Reeves verlagert das Unheimliche weg von den Schurken hin zur Gesellschaft und zum System, dass nur Verlierer:innen produzieren kann.

THE BATMAN (2022)
© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. // Photo Credit: Jonathan Olley/™ & © DC Comics

Es ist sicher auch nicht verwunderlich, dass THE BATMAN ob seiner überbordenden Laufzeit und seiner Vielzahl an Figuren teilweise etwas unfokussiert wirkt und nicht all seinen Figuren die gleiche Aufmerksamkeit widmen kann. Wirklich schade ist das im Falle der von Zoe Kravitz gespielten Selina Kyle, der man zwar einen spannenden Konflikt mit auf den Weg gibt, ihre Figur aber leider immer wieder aus den Augen verliert. Kravitz spielt gut, muss aber gegen das ihr etwas gleichgültig gegenüberstehende Drehbuch ankämpfen. Und wahrscheinlich können wir die Relevanz von THE BATMAN auch erst in ein paar Jahren wirklich beurteilen. Denn das ist am Ende des Tages (und dieser Kritik) vielleicht auch das bemerkenswerteste an diesem Film: Er schafft Raum für Diskussionen und Irritationen, er respektiert seine Wurzeln, um daraus etwas Neues zu erschaffen, er wirft wahnsinnig viel in den Mixer, was aber auch darin resultiert, dass nicht alle Zutaten dieses Smoothies am Ende schmeckbar sind.

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Batman fliegt wieder und man darf gespannt sein, was uns diese Interpretation in Zukunft noch so beschert. Denn wie bereits diagnostiziert: Der nächste Arkham Insasse wartet schon. Und eine Stelle als District Attorney in Gotham ist nach diesem Film auch frei geworden.

© Fynn

Titel, Cast und CrewThe Batman (2022)
Poster
RegieMatt Reeves
ReleaseKinostart: 03.03.2022
ab dem (31.12.2022) auf UHD, Blu-Ray und DVD

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Trailer
BesetzungRobert Pattinson (Bruce Wayne / Batman)
Zoë Kravitz (Selina Kyle / Catwoman)
Paul Dano (Edward Nashton / The Riddler)
Barry Keoghan (Officer Stanley Merkel)
Amber Sienna (Iceberg Lounge Hostess)
Colin Farrell (Oswald Cobblepot / The Penguin)
Peter Sarsgaard (District Attorney Gil Colson)
John Turturro (Carmine Falcone)
Andy Serkis (Alfred Pennyworth)
Jeffrey Wright (James Gordon)
Iana Saliuk (Anna)
DrehbuchMatt Reeves
Peter Craig
MusikMichael Giacchino
KameraGreig Fraser
SchnittWilliam Hoy
Tyler Nelson
Filmlänge176 Minuten
FSKAb 12 Jahren

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