Zum Inhalt springen

Swimming Pool (2003) – Filmkritik

„Vergnügen oder Arbeit“

Der Vorteil einer Filmvorstellung eines älteren Werks ist, dass man sich bei Kreativlosigkeit in Ruhe andere Filmkritiken durchlesen kann. Eigentlich vermeide ich das sonst, um den eigenen Eindruck nicht zu beeinflussen, aber bei dem deutungsvielfältigen SWIMMING POOL hat es sich richtig angefühlt. Zum einen war es der erste Film vom französischen Regisseur François Ozon, den ich gesehen habe und zum anderen vollführt die britisch-französische Koproduktion trotz der gelassenen Inszenierung einige Kehrtwendungen in ihrer Wahrnehmung. Etwas Recherche-Hilfe war also nötig. Das Magazin FILM-DIENST bringt es in seiner Kritik auf den Punkt, wenn es bei SWIMMING POOL von einem „anregend, wie delikat ersonnenen Vexierspiel“ spricht. Bevor ihr wie ich bei Wikipedia nachschlagen müsst: Ein Vexierspiel ist ein Geduldspiel, in dem es das Ziel ist, kompliziert ineinander verzahnte Teile auseinanderzunehmen. SWIMMING POOL ist ein erzählerisches Vexierspiel, in dem es mir beim ersten Sehen nicht gelang die einzelnen Handlungssegemente zu erkennen, die François Ozon gelungen ineinander verknüpft hat.

John Bosload (Charles Dance) und Sarah Morton (Charlotte Rampling) // © Studiocanal/Arthaus

Handlung

Auch eine erfolgreiche Krimiautorin ist irgendwann ausgebrannt. Sarah Morton (Charlotte Rampling) ist Schriftstellerin einer beliebten Detektiv-Reihe, kann es aber gar nicht leiden auf der Straße deswegen angesprochen zu werden. Ihr Verleger John Bosload (Charles Dance) bietet ihr an, in seinem Ferienhaus in Südfrankreich dem verregneten Wetter Londons zu entkommen. Auch in der Hoffnung, dass der Hausbesitzer und Ex-Liebhaber nachreist, packt Sarah sofort ihre Koffer. Im ruhigen, idyllischen Landsitz mit dem filmtitelgebenden Ausstattungsmerkmal, ist die kreative Auszeit nicht von langer Dauer, denn Johns Tochter Julie (Ludivine Sagnier) bezieht ebenfalls das Domizil. Dem trotzigen Teenageralter kaum entwachsen, macht sie sich nicht nur im Haus breit, was der akkuraten Britin gar nicht gefällt, sondern lebt auch ihr reges Sexualleben mit der einfachen, aber dankbaren Männerwelt des Dorfs offen aus.

Julie (Ludivine Sagnier) // © Studiocanal/Arthaus

Der Pool als Spiegelung

Die Kamera vollführt keine expressiven Schnörkel und folgt ganz sachlich dem voyeuristischen Blick der Protagonistin. Sarah entdeckt nach der ersten Ablehnung von Julies Lebensstil auch eine große Freiheit darin. Ob sie auf ihre Jugend und sexuelle Freiheit neidisch ist, stellt Regisseur Ozon gar nicht in den Mittelpunkt. Sarah ist eine Schriftstellerin und sieht in Julies ungewöhnlicher Persönlichkeit vor allem eine Vorlage für eine komplexe Figur ihres nächsten Romans. Sarah nähert sich wie eine Forscherin dem Verhalten ihrer unfreiwilligen Mitbewohnerin, fragt sie nach ihrer Vergangenheit, testet ihr Verhalten und provoziert sie zu spontanen Reaktionen. Unweigerlich musste ich an den eher ermüdenden NACH EINER WAHREN GESCHICHTE von Polanski denken, der nicht nur ebenfalls über eine Schriftstellerin als Hauptfigur verfügt, sondern auch von der Verschmelzung zwischen Erfinder und der fiktiven Persönlichkeit stattfindet. Wo Polanski keinen Zugang zum gewollten Krimi findet, lässt sich Ozon in SWIMMING POOL viel Zeit für seine Protagonistin. Wir lernen ihr Essverhalten, ihre Schwäche für Alkohol und ihre Urlaubsvorsätze kennen ohne dass ein Wort darüber gesprochen wird. Allein die Bilder formen die Hauptfigur und die Schauspielerin Charlotte Rampling spielt dies mit britischer Trockenheit und souveränem Französisch auf den Lippen. Dadurch entdecken wir als Zuschauer auch mal einen interessierten Blick am Körper des Kellners oder können ihre Neugier an Julie verstehen.

Julie (Ludivine Sagnier) und Sarah Morton (Charlotte Rampling) // © Studiocanal/Arthaus
Swimming Pool 2003 Filmkritik
Die Blu-ray von Arthaus

Der Pool ist nicht nur zur Abkühlung für heiße Tage da, sondern verändert die Launen seiner Nutzer nachhaltig. Träge und überhitzt springt man in sein kühles Nass und die erfrischende Bewegung verschiebt die Stimmung des Badenden. Der Pool kann als Metapher für die Bewohner dieses Domizils verstanden werden. Die Verschiebung der Launen findet auch bei ihnen statt. Sarah vollführt ihre Beobachtung an Julie solange, bis auch sie Charakterzüge von ihr übernimmt. Wiederkehrende Einstellungen und Bilder mit den wechselnden Damen verstärken diese Entwicklung für uns Zuschauer. Wenn man den Gedanken noch weiterspinnt und davon ausgeht, dass Julie der Fantasie der Schriftstellerin entspringt, wird der komplexe Entstehungsprozess eines Geschichtenerzählers sichtbar. Entweder die Autoren setzen viel der eigenen Persönlichkeit in die Figuren hinein oder ihnen gelingt eine so komplexe Fantasiegestalt, dass diese ihre Schöpfer nachhaltig beeinflusst, vielleicht sogar zu einem Mord verhilft.

Julie (Ludivine Sagnier) // © Studiocanal/Arthaus

Diesen Gedanken kann man durch die ruhige Inszenierung bereits während des Films nachgehen. Jedoch verändert François Ozon immer wieder unsere Wahrnehmung und streut ablenkende Hinweise in den Handlungsverlauf. Immer wieder muss man bei diesem Geduldspiel neue Teile zuordnen und alte entfernen. Am Ende glaubt man eher einen Tagtraum gesehen zu haben als einen Film.

Fazit

Für Fans von Kriminalromanen und solche, die sich an einer ruhigen Geschichte erfreuen können, welche ihre Komplexität aber erst durch den Zuschauer gewinnt, ist SWIMMING POOL ein Pflichtbesuch. Aber nicht vom Beckenrand hineinspringen.

Titel, Cast und CrewSwimming Pool (2003)
Poster
Kinostartab dem 14.03.2019 auf Blu-ray
Bei Amazon bestellen:
RegisseurFrançois Ozon
Trailer
BesetzungCharlotte Rampling (Sarah Morton)
Ludivine Sagnier (Julie)
Charles Dance (John Bosload)
Jean-Marie Lamour (Franck)
Marc Fayolle (Marcel)

DrehbuchFrançois Ozon
KameraYorick Le Saux
MusikPhilippe Rombi
SchnittMonica Coleman
Filmlänge102 Minuten
FSKab 12 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert