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Superman (2025) – Filmkritik

„Wenn Götter keine Menschen mehr verstehen“

Der neue SUPERMAN von James Gunn macht einfach schlechte Laune und die braucht niemand. Ob nun der heldenhafteste Superheld der Superhelden eine Neuauflage überhaupt braucht, sei dahingestellt, aber vor allem sind solche Neuauflagen gut, die medialen Strömungen und den Zeitgeist ihrer Entstehungszeit zu erkennen. Und im aktuellen SUPERMAN kommen weder die Menschheit noch die kreativen Köpfe hinter der Kamera gut weg. SUPERMAN ist geradezu erschreckend oberflächlich und emotionslos. Die eigenen Gefühle gegenüber dem Film kühlen merklich beim Zuschauen ab. Zum Glück ist da noch das unverkennbare musikalische Superman-Thema von John Williams, was hier von John Murphy und David Fleming sehr schön neuinterpretiert wird, so dass wenigstens noch etwas Blut nach diesen zwei Stunden durch unsere Herzen gepumpt wird. Warum das Ganze nicht nur ein Reinfall ist, sondern auch als Aufruf verstanden werden sollte, sich in der Superheldenschmiede endlich wieder mit dem Menschsein zu beschäftigen, dazu kommen wir gleich. Im Mittelpunkt steht die zentrale Botschaft: Du bist das, wofür du dich entscheidest und das, was du tust. Woher du kommst bzw. was deine Vergangenheit ist, ist unbedeutend. Okay, Kalendersprüche Made in America gibt es also auch. Wofür entscheidet sich James Gunn in SUPERMAN und welche Taten zeigt er?

© 2025 Warner Bros. Entertainment. All Rights Reserved. TM & © DC

Handlung

Der Schock zu Filmbeginn: Superman (David Corenswet) ist verletzt, noch viel schlimmer, er wurde besiegt. Sein Gegner, ein stark gerüsteter „Ultraman“, der von einer Leitzentrale gesteuert wird. Von seinem Posten im Wolkenkratzer gibt Lex Luthor (Nicholas Hoult) die Befehle für den Zweikampf. Luthor hat Superman in den letzten Jahren genau studiert und kennt jede seiner Bewegungen. Wie ein echter Beat-‚em-up-Champion vermöbelt sein Kämpfer den Mann mit dem roten Cape. Nachdem sich Superman in seiner arktischen Festung und dank konzentriertem Sonnenlicht geheilt hat, muss er zurück in seinen menschlichen Alltag als Clark Kent. Er ist schließlich der Einzige, der exklusive Interviews mit dem Mann aus Stahl für den Daily Planet führen darf. Kollegin und Starreporterin Lois Lane (Rachel Brosnahan), weiß aber wer Clark in Wirklichkeit ist, und beide sind seit ein paar Monaten zusammen. Aber auch hier werden die aktuellen Schlagzeilen in der Beziehung zu einer Belastungsprobe, denn Superman hat sich neben Straßenkämpfen mit Ultraman zusätzlich in einen Kriegskonflikt außerhalb der USA eingemischt.

© 2025 Warner Bros. Entertainment. All Rights Reserved. TM & © DC

Wofür steht Superman im 21. Jahrhundert?

Dieser Frage hätte man sich zuerst stellen sollen, bevor man planlos in den Superman-Comics wühlt und eine dünne Handlung zusammenschustert. Ein Beispiel: Im Film SUPERMAN taucht zum ersten Mal Krypto, der Hund mit Superkräften auf. Die Idee gab es bereits 1955 in den Adventure Comics. Der Hund ist Familienspaß fürs Publikum und lockert die Szenen durch sein schlechtes Benehmen immer wieder auf. Dass er so seelenlos wie seine Animation ist, scheint nebensächlich.

Gunn setzt, wie mit Krypto, nur auf Bausteine statt auf gute Überlegungen. Das mag an seinem fehlenden Kernverständnis von der Figur Superman liegen. Durch die unermessliche Stärke Supermans, seine Fähigkeiten und Unsterblichkeit, ist er ziemlich nah am Verständnis eines Gottes. Er kommt vom Himmel, einem anderen Planeten, und ist in seinem moralischen Verständnis genau auf Gerechtigkeit bedacht. Da Superman solche enormen Fähigkeiten besitzt, ist es umso wichtiger, seinen Dienst in die Hände von Unschuldigen und Mittellosen zu stellen, fast schon wie ein Messias. Denn viele, und da zählt sich der Autor dieser Zeilen dazu, würden solche Kräfte schnell zu ihrem Vorteil und zum Leid anderer einsetzen. Mit diesem Verständnis von Superman bricht James Gunn in seinem Remake gleich zu Beginn. Er blutet, er verliert und ein einflussreicher, übermächtiger Gegner steht ihm gegenüber, der eine Aversion gegenüber Außerirdischen besitzt. Wenn man die Comic-Gleichgewichts-Regel von UNBREAKABLE (2000) einbezieht, die besagt, dass außergewöhnliche Kräfte ihr Gleichgewicht finden müssen. Deshalb musste der Antagonist Lex Luthor entstehen, weil es Superman gab. Die Unterschiede sind signifikant: Luthor ist vermögend, smart, narzisstisch, manipulativ und sucht die Aufmerksamkeit. Superman/Clark Kent ist ein interstellarer Migrant mit mittelloser Kindheit aufgewachsen, hat einen Helferkomplex und ist ein Gutmensch. Dies würde doch ausreichen für einen guten, spannenden Film mit einer ordentlichen Portion Medienkritik. Aber es sollte anders kommen…

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Überlegenheit

Die Überlegenheit wird Superman gleich in den ersten Momenten genommen, er rettet noch ein paar Statisten und dann ist er bereits von der Situation überfordert. Braucht er vielleicht nur einen guten Pressesprecher oder eine gute Pressesprecherin? Lois würde sich dafür anbieten. Aber nein, er bleibt im trotzigen Teenagermodus. Sein Handeln besteht ausschließlich in der Rettung von Statisten. Das ist übrigens ein grundlegendes Problem des Films: Menschen ohne Rollen werden nur gaffend und dumm dargestellt. Ein Wolkenkratzer stürzt ein, kaum einer rennt weg. Der einzige Kontakt zur „normalen“ Bevölkerung ist ein Falafelhändler, bei dem Superman einmal etwas gekauft bzw. den er gerettet hat. Dies ist aber nur ein manipulativer Baustein für später.

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Man merkt schnell, dass Regisseur James Gunn seinen eigenen Götterkomplex in diesem Film ausspielt. Wie Lex Luthor in seiner Zentrale, brüllt er alphanumerische Befehle an seine Untergebenen, die dann wie im Drehbuch vorgehen, wild an den Joysticks herumfummeln und auf Displays starren. In keinem einzigen Moment will sich SUPERMAN in eine Figur hineinversetzen bzw. deren Lebensprobleme verstehen. Das Ganze gipfelt in einer Szene, wenn der Held den Schurken geschlagen hat und er sich selbst mit menschlichen Gefühlen wie Liebe, Angst und Unsicherheit beschreibt. Dabei ist es doch nicht das, was ein Mensch und vor allem nicht Superman ausmacht. Es ist der soziale Zusammenhalt. Der Neandertaler war in seiner Anatomie viel stärker als der Homo Sapiens, aber dieser setzte sich durch, weil es ihm gelang als Gemeinschaft stärker zu sein und sich besser kognitiv an seine Umgebung anzupassen. Die uneigennützige Hilfe von Kal-El würde die Menschheit weiterentwickeln, jedoch scheint er sich hier nur Individuen gegenüberzusehen. Der Überlebenskampf wird zur Lachnummer, die anderen Helden (Justice Gang) zu einem arroganten und gelangweilten Hintergrundrauschen. Ein farbenfroher Hintergrund, wenn sie zum Beispiel nachts gegen einen riesigen Augapfel kämpfen.

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Oberflächlichkeit

Was in SUPERMAN aber besonders deutlich ist, ist das Problem des Blockbusterkinos der letzten Jahre und vor allem mit der Welle an aktuellen Comicverfilmungen: Oberflächlichkeit. Die Handlung verkommt zu einem gepitchten Stichwort-Bingo, dem man sich schnell entziehen möchte. Krieg, am anderen Ende der Welt: Man stellt einen alten Typ vor die Kamera, inszeniert ihn als Diktator und verleiht der unterdrückten Bevölkerung durch Menschen in zerlumpter Kleidung ein Gesicht – Menschen, die in einem Steinbruch einer Militäreinheit gegenüberstehen. Wofür sie kämpfen, warum sie ärmer sind als ihre Nachbarn, wird nicht geklärt. Wie in unserer aktuellen Nachrichtenwelt bestimmen Emotionen und Meinungen die ersten Ränge und nicht die richtigen Fragen und Zusammenhänge. Auch wenn die Welt durch die vernetzten Algorithmen zusammengerückt ist, gut recherchierte Informationen sind seltener geworden. Bei SUPERMAN das Gleiche – nur Schlagzeilen wie: Das Vertrauen in Superman schwindet in den sozialen Medien. Die Stadt wird von einem Monster angegriffen. Der Kriegskonflikt spitzt sich zu. Handelt Superman im Auftrag der USA? Schlag auf Schlag, Phrasen ohne genauere Betrachtung. Aber welche Welt gilt es denn hier zu retten?

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Eine Welt der Mächtigen

Die angesprochene Oberflächlichkeit mündet in die Belanglosigkeit und somit will man sich auch gar nicht in diese Welt hineinversetzen. Was aber ernsthaft Sorge macht, ist die latente politische Agenda im Film, vor allem das Frauenbild. Der Bechdel-Test wird nicht ansatzweise erfüllt und jede weibliche Figur wird zuallererst auf ihren Körper reduziert. Die enge Kleiderwahl der auftretenden Frauen, inklusive der Schurkin The Engineer (Maria Gabriela de Faría), steht nur Lois entgegen, die extrem konservativ auffällt, aber das darf sie ja auch, denn sie ist die EINE (früher war es die Prinzessin). Selbst Mutter Kent (Neva Howell) beschränkt sich aufs Stiefelputzen, Vater Kent (Pruitt Taylor Vince) darf hier noch ein paar Worte mehr an seinen verunsicherten Sohn richten – siehe oben, Entscheidungen und Taten. Die Kent-Eltern scheinen aus J.D. Vance‘ Literatur entstiegen zu sein. Das soll nicht herablassend klingen, es zeigt aber,Frage wie wenig sich der Film für eine richtige Familienbeziehung interessiert. Lieber sitzt man hinter dem Haus, schaut in den Sonnenuntergang und unterstreicht noch einmal, wie „einfach“ die Leute vom Land gegenüber denen in der Stadt sind. Das Frauenbild ist mehr als konservativ gezeichnet, passend zur seltsamen Techniknutzung im Film. Technischer Fortschritt besteht ebenfalls nur aus ein paar Stichworten wie Taschenuniversum und Nerds, die helfen, einen Programmiercode zu erstellen, der einen Spalt in einer anderen Dimension schnell wieder zusammenkittet.

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Was noch viel beunruhigender ist, ist das offensichtliche Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen. Die Regierung ist im direkten Kontakt mit dem Schurken Luthor, seine Privatarmee wird nicht infrage gestellt, die Justice-Gang scheint völlig auf sich alleingestellt, keine Kontrollinstanzen nötig. Menschen laufen durch die Gegend und hoffen noch schnell durch Superman vor umfallenden Wolkenkratzern gerettet zu werden. Die Evakuierung von Metropolis findet stumm durch die Feuerwehr statt. Emotionen werden durch Haustiere in ihren Händen erzeugt. Ob die Kinder währenddessen noch in der Kita sind, scheint sich keiner zu fragen. Die Menschheit ist hier eine rein urbane New-York-Bevölkerung, die teilnahmslos ohne Eigenleben dasteht. So kann sich die Wahrnehmung der Filmproduzenten nur entwickeln, wenn man ausschließlich auf Veranstaltungen vor Fans und Publikum auftritt, aber am sozialen Alltag schon lange nicht mehr teilnimmt, mit der U-Bahn fährt oder sich freut, wenn es am Feierabend noch frisches Obst und Gemüse im Supermarkt gibt. Das Vertrauen in Bürokratie und staatliche Institutionen, wichtige Pfeiler einer Demokratie, ist hier nicht mehr vorhanden. Kann es dann der Journalismus kitten? Clark Kent ist nicht beim Daily Planet gelandet, damit er die besten Exklusiv-Interviews mit Superman geben kann. Er hat dort begonnen, weil er an Wahrheit glaubt und darauf vertraut, dass diese vom Journalismus gewahrt und sichergestellt wird. Doch in SUPERMAN scheint kaum noch einer aktiv zu recherchieren, abgesehen von Lois Lane, die ein paar Geldtransaktionen aus dem Drucker zaubert. Die große investigative Story wird vom Redaktionsteam aus dem Fluggerät von Mister Terrific (Edi Carrigan) abgesetzt. Keine Ahnung, wer da noch auf sein Smartphone schaut, während die ganze Stadt den Bach runter geht und jeder an sein Überleben denkt.

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Fazit

James Gunn gelingt es nicht, uns eine Welt zu zeigen, die man gern bewahren möchte. Die Empathielosigkeit ist erschreckend hoch und wird nur von der FSK-12-Freigabe in Zaum gehalten. Alles in diesem Film ist so dermaßen seelen- und belanglos, dass man nach dem Film mit hängenden Schultern und schlappem Cape kaum noch die Kraft hat, aus dem Kinosessel aufzustehen.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewSuperman (2025)
Poster
ReleaseKinostart: 10.07.2025
RegieJames Gunn
Trailer
BesetzungDavid Corenswet (Clark Kent / Superman)
Rachel Brosnahan (Lois Lane)
Nicholas Hoult (Lex Luthor)
Edi Gathegi (Michael Holt / Mister Terrific)
Anthony Carrigan (Rex Mason / Metamorpho)
Nathan Fillion (Guy Gardner / Green Lantern)
Isabela Merced (Kendra Saunders / Hawkgirl)
María Gabriela de Faría (Angela Spica / The Engineer)
Pruitt Taylor Vince (Jonathan Kent)
Neva Howell (Martha Kent)
Wendell Pierce (Perry White)
Skyler Gisondo (Jimmy Olsen)
Mikaela Hoover (Cat Grant
Beck Bennett (Steve Lombard)
Sara Sampaio (Eve Teschmacher)
Frank Grillo (Rick Flag Sr.)
Sean Gunn (Maxwell Lord)
Bradley Cooper (Jor-El)
Angela Sarafyan (Lara Lor-Van)
DrehbuchJames Gunn
MusikJohn Murphy,
David Fleming
KameraHenry Braham
SchnittCraig Alpert,
William Hoy
Filmlänge130 Minuten
FSKab 12 Jahren

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