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Summer of 84 Kritik zum Film

Summer of 84 (2018) – Filmkritik

„The Eighties never die“

Diese 80er-Jahre-Nostalgie-Welle ist schon ein bisschen kurz vor dem Umkippen, so dass es einem auf die Nerven geht. 18-Jährige tragen wieder T-Shirts mit riesigen Retro-Logos, Musikbands bringen ihre Alben wieder auf MC (Musicassette) raus und die Streaming-Dienste schüren mit durchschnittlichen Angeboten weiter das Trend-Feuer. Versteht mich nicht falsch, STRANGER THINGS ist eine clevere, emotionale und spannende Serie, aber sie überstrahlt leider mit ihrer Aufmerksamkeit die anderen Projekte von Künstlern, die sich mit ihrer Kindheit filmisch auseinandersetzen. So ergeht es leider auch derzeit SUMMER OF 84 vom Regie-Kollektiv RKSS, der hierzulande leider keinen Kinostart erhalten hat. Dabei gehört dieser Film förmlich in die Kleinstadt-Kinos mit ausgesessenen Polstern, klebrigen Teppichböden, wo sich Kids noch heimlich in die Vorstellung schleichen. SUMMER OF 84 ist ein Film, der wie ein Fund auf dem staubigen Dachboden eines alten Filmstudios wirkt und weit ab vom Hommage- und Referenz-Dauerfeuer seiner aktuellen Genre-Kollegen sich souverän bewährt.

Summer of 84 Kritik zum Film
© Pandastorm Pictures

Inhalt

Es beginnt wie viele der Filme aus jener Zeit mit vier Freunden in einer Vorstadt: Ipswich Cape May County ist ein Ort, wo sich die Nachbarn kennen und die Kinder nachts mit Taschenlampen Fangen spielen, keiner schließt seine Haustür ab, man vertraut einander. Die Jungs Davey (Graham Verchere), Eats (Judah Lewis), Woody (Caleb Emery) und Curtis (Cory Gruter-Andrew) sind fest im Griff ihrer Hormone, blättern in ihrem Baumhaus durch Erwachsenenheftchen und trinken auch mal den Schnaps der Eltern. Ein Idyll in dem man gern seine Kindheit verbracht hätte. Wäre da nicht das ominöse Verschwinden von Jungen in ihrem Alter. Davey Armstrong, der Zeitungsjunge des Ortes, vermutet einen Serienkiller, der ausrechnet in seiner Nachbarschaft wohnt, den Cop Wayne Mackey (Rich Sommer). Ohne seinen Berufsstand würde er in der Gemeinschaft schon etwas seltsam wirken: Anfang 40, alleinstehend, kauft seltsam viel Material im Baumarkt und hat seine Kellerfenster geschwärzt. Von seiner unheimlichen Art mit 15-jährigen Jungs zu sprechen einmal ganz abgesehen. Aber er ist ein Polizist und die sind in den USA schon immer heilig. Davey muss nicht nur Beweise finden, sondern auch seine Freunde überzeugen, dass er den „Cape May Schlächter“  bereits gefunden hat. Aber ein bisschen Spannung in diesen langweiligen Sommerferien kann nicht schaden.

Summer of 84 Kritik zum Film
Davey (Graham Verchere) // © Pandastorm Pictures

Bewusst ans Werk

Hinter der Bezeichnung RKKS verbirgt sich das kanadische Regie-Dreigespann François Simard, Yoann-Karl und Anouk Whissell, die bereits mit TURBO KID ausgezeichnet bewiesen haben, dass sie es sogar schaffen, einen Film so zu drehen, dass er aussieht wie eine Zukunftsvision aus den 80er-Jahren, die im Jahr 1999 spielt, Doppel-Retro, wenn man so will. Bei SUMMER OF 84 waren sie jedoch nicht für das Drehbuch verantwortlich, welches von Matt Leslie und Stephen J. Smith geschrieben wurde. Es muss noch einmal betont werden, dass es vor 2015 und somit auch vor STRANGER THINGS erdacht wurde. Die Geschichte lässt sich viel Zeit mit der Vorstellung ihrer Figuren, aber nie so, dass auf bestimmte Aspekte mit dem Finger gezeigt werden muss, alles wirkt echt und erzählerisch stimmig. Die vier Freunde geben ziemliche Stereotypen auf den ersten Blick ab: Der korpulente Dale, der Draufgänger Eats, der clevere Curtis mit Brille und unsere Hauptfigur sowie Erzähler aus dem Off, Davey. Alle albern miteinander herum, Deine-Mutter-Witze kommen im Dauerfeuer, aber alle halten zusammen, auch bei den Problemen, die sie Zuhause haben. Das Gefühl von echter Freundschaft kommt auf und selbst als Davey seiner verführerischen Nachbarin etwas näher kommt, freuen sich seine Freunde für ihn ohne Neid zu entwickeln. Auch die kleineren 80er-Gadgets, wie Walkie-Talkies, Bowlingbahnen und Filme auf VHS bekommen ausschließlich einen zweckorientierten Platz in der Geschichte. Ganz ohne ikonische Ausleuchtung von Retro-Design, wie es aktuell so oft der Fall ist. Da sind die Gänge in den Häusern schmal und die Wandfarbe grausam. Viele aktuelle Retrofilme sehen so aus, als ob alle früher in Designer-Wohnungen gelebt hätten.

Summer of 84 Kritik zum Film
Nikki Kaszuba (Tiera Skovbye) und Davey Armstrong (Graham Verchere) // © Pandastorm Pictures

Handwerklich in den 80ern

Summer of 84 Kritik zum Film
Soundtrack (Vinyl) von La Matos © Death Waltz/Mondo

Was SUMMER OF 84 auch so ehrlich macht, ist die Inszenierung, die oft wie aus jener Kinozeit wirkt. Da gibt es den Schwenk zur Zimmerdecke mit einer Überblendung in die nächste Szene oder auch den ein oder anderen unangekündigten Zeitsprung. Durch diese perfekte 80er-Inszenierung lullt der Film seine Zuschauer auch schön gemütlich ein, um dann zum finalen Akt auszuholen. Ich selbst hatte mich schon nach 60 Minuten gefragt, wann denn mal eine Rechtfertigung für die FSK 16 kommen würde. Das Ende rechtfertigt sie auf jeden Fall. Talent beweisen RKKS, wenn sie die schwebende Kamera durch den Hausflur gleiten lassen und sich wie von Geisterhand mysteriös die Treppe zum Dachboden öffnet, dann entstehen ganz große Filmmomente.  Zum Ende und letzten Akt sei nur so viel verraten, damit kann man einfach nicht rechnen. SUMMER OF 84 gelingt der perfekte Schlusspunkt und beendet die 105 Minuten Vergangenheit sowie die Kindheit unserer vier Hauptfiguren auf gnadenlose Weise.

Releases

Summer of 84 Kritik zum Film
VHS-Edition auf 1984 Stück limitiert // © Pandastorm Pictures

Leider ist die schöne VHS-Edition (auf 1984 Exemplare limitiert) mit DVD, Blu-ray, Soundtrack und jede Menge Nerd-Gadget wie Anstecker, Poster, Aushangfotos und einem Booklet von Pandastorm Pictures schon so gut wie ausverkauft. Die Standard-Blu-ray verfügt aber über dieselben audiovisuellen Extras wie Audiokommentar, Outtakes und den RKKS-Kurzfilm/Fake-Trailer DEMONITRON: The 6th Dimension (2010). Wer eine Schwäche für den wieder einmal grandiosen Soundtrack von Le Matos (TURBO KID) und Schallplatten hat, der sollte einen Blick auf das Release von Mondo/Death Waltz werfen, welches im November 2018 erscheint. Am 14.12.2018 bringt Pandastorm das Mediabook inkl. Soundtrack auch auf Audio-CD heraus. Es ist auf 2.000 Stück limitiert und verfügt über die selben Extras, wie die VHS-Edition, kann aber mit einem 16-seitigen Booklet sicher auch manchen Filmsammler überzeugen.

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© Pandastorm Pictures

Fazit

Der Film schaukelt die eigenen Erwartungen auf Horror mit einem cleveren Drehbuch, einer fachkundigen zeitgemäßen Inszenierung und einem tollen Schauspiel-Cast mit echten Freundschaftsgefühlen sanft in den Schlaf, um dann zum perfekten Showdown auszuholen. Ich würde mich freuen, wenn vielleicht eine Weiterführung, wie es zum Beispiel in Stephen Kings ES geschehen ist, passiert. Jedoch freue ich mich erst einmal auf das Sequel zu TURBO KID, welches bereits vom Regie-Team RKKS in den Vorproduktions-Startlöchern steht.

Mediabook von Pandastorm Pictures (2.000 Stück limitiert) Amazon-Affiliate-Link
Titel, Cast und CrewSummer of 84 (2018)

PosterSummer of 84 Kritik zum Film

Release
VHS-Edition (Blu-ray/DVD/Audio-CD) auf 1984 Stück limitiert
Blu-ray ab 26.10.18 erhältlich:

RegisseurFrançois Simard
Anouk Whissell
Yoann-Karl Whissell
Trailer
BesetzungGraham Verchere (Davey Armstrong)
Judah Lewis (Tommy "Eats" Eaton)
Caleb Emery (Dale "Woody" Woodworth)
Cory Gruter-Andrew (Curtis Farraday)
Tiera Skovbye (Nikki Kaszuba)
Rich Sommer (Wayne Mackey)
DrehbuchMatt Leslie
Stephen J. Smith
KameraJean-Philippe Bernier
MusikJean-Philippe Bernier
Jean-Nicolas Leupi
Le Matos
SchnittAustin Andrews
Filmlänge105 Minuten
FSKab 16 Jahren

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