Manchmal ist die Geschichte hinter einer Filmproduktion viel aufsehenerregender als der Film selbst. STROMBOLI ist ein solcher Vertreter. Eher langatmig, missmutig und aussageschwach in seiner Rezeption, aber boulevardgeschichtlich eine Besonderheit. Regisseur Roberto Rossellini drehte mit Ingrid Bergman Ende der 1940er Jahre auf der titelgebenden italienischen Vulkaninsel. Bergman und Rossellini verliebten sich ineinander während der Dreharbeiten, dem Umstand zu trotz, dass beide verheiratet waren. Eine überraschende Schwangerschaft der Hauptdarstellerin während der Dreharbeiten untermauerte das leidenschaftliche Abenteuer. Die amerikanische Presse war schockiert und Ingrid Bergman als Filmstar, die vor allem durch ihre natürliche Schönheit begeisterte, fiel in den christlich geprägten USA in Ungnade. Doch es blieb nicht nur bei einer Affäre. Rossellini und Bergman ließen sich von ihren Partnern scheiden und heirateten im selben Jahr. Drei Kinder und sieben Filme „produzierte“ das Paar, bis es sich 1970 wieder scheiden ließ. Klingt nach bekannten Schlagzeilen, die in Hollywood schon seit Jahrzehnten immer wieder zu finden sind. Spannend ist jedoch, dass der Film, seine Handlung und Deutung, die Situation Bergmanns und die Hauptrolle, die sie spielt, in gewissen Aspekten widerspiegelt. Die Fiktion wird zur Realität, was auch passgenau zum dokumentarischen Unterbau von STROMBOLI passt.
Handlung
1948, die Litauerin Karin (Ingrid Bergman) lebt in einem italienischen Flüchtlingslager. Die italienischen Soldaten machen jeden Abend am Zaun den alleinstehenden Damen ihre Aufwartung. Antonio (Mario Vitale) hat sich in Karin unsterblich verliebt und will sie heiraten. Nachdem ihr Visumantrag für Argentinien nicht genehmigt wird, heiratet Karin den jungen Fischer, der sie direkt auf seine Heimatinsel Stromboli bringt. Der Weg ist mühsam und als das Paar auf der steinigen, kargen Insel angekommen ist, ist Karin enttäuscht, welches Leben die Menschen hier führen. Die jungen Bewohner des Dorfs sind zum großen Teil bereits ausgewandert und nur noch die Alten leben in einfachsten Verhältnissen. Fischerei ist der einzige Arbeitgeber im Dorf, dem Antonio für einen geringen Lohn den ganzen Tag nachgeht. Seiner jungen, hübschen Ehefrau begegnet die eingeschworene Gemeinschaft mit Argwohn. Lediglich ein paar alte Männer sprechen Englisch wie auch der Priester (Renzo Cesana), die der trübsinnigen Frau über den Tag helfen. Das Leben auf der Insel ist von permanenter Hoffnungslosigkeit geprägt, die ein ständig brodelnder Vulkan mit Ungewissheit vernebelt.
Selbständiges Frauenportrait
Die Stärke der Inszenierung verdankt STROMBOLI seiner realen bis hin zur dokumentarischen Bildsprache. Das Filmstudio wurde gemieden, das Team drehte direkt am Fuße des Vulkans. Die Authentizität wird auch besonders deutlich, wenn das Dorf zum traditionellen Thunfischfang zusammenkommt und die Bewohner ihren blutigen Fang durchführen. Durch diese Realität wirkt die Protagonistin noch mehr wie ein Fremdkörper. Der italienischen Sprache kaum mächtig, treffen ihre Ansprüche auf eine einfache Behausung, die ihr Ehemann bietet, wie auch windige Fenster und böckelnder Putz an den Wänden. Sie versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten, ein für sich ansprechendes Zuhause einzurichten, scheitert aber auch daran, sich selbst nicht die Finger schmutzig zu machen. Unsere Hauptfigur ist nämlich kaum sympathisch. Sie befehligt die Männer, wie sie die Wohnung zu verändern haben, gibt Stoffe zur Schneiderin und sucht finanzielle Hilfe beim Priester – nicht ohne unterschwellig ihre Reize auszuspielen. In einer kurzen Szene zu Beginn wird nachgefragt, wie es Karin gelang im faschistischen Italien zu überleben. Sie stand wohl in der Gunst eines SS-Offiziers. Und wie sie in diesem Dorf ihren Status herausstreicht, kann man nur ahnen wie sie durch die Kriegszeit gekommen ist.
Dennoch, Ingrid Bergmann verleiht ihrer Rolle ein imposantes und teilweise feministisch starkes Wesen. Stets im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Einmal verprügelt sie ihr Mann, nachdem er Dorftratsch über sie gehört hatte, und zum Finale will sie den Mann und sein Dorf hinter sich lassen, den Vulkan überqueren und ihre Hoffnung auf Flucht im gegenüberliegenden Dorf suchen. Sie scheitert mit ihren Kräften, erhält eine Art göttliche Vision, um sich dennoch ihrem Schicksal, wie auch der Geburt ihres Kindes zu ergeben. Das alles spricht nicht gerade für Feminismus aus erster Hand.
Ingrid und Karin
Bergmann war beim Dreh selbst schwanger, von einem verheirateten Mann, denn sie noch nicht lange kannte. Sie verließ dafür ihren Ehemann – ein gutverdienender Zahnarzt in den USA – und suchte das Abenteuer in Italien mit einem der Mitbegründer des italienischen Neorealismus: Roberto Rossellini. Die Parallelen zu Handlung sind nicht von der Hand zu weisen. Die Schwedin Bergman war ein Star in den USA, umso mehr stieß die Affäre auf wenig Gegenliebe in den Medien. Bergman entschied sich für die neue Liebe und gegen Hollywood. Die Protagonistin Karin entscheidet sich in STROMBOLI gegen die Flucht und bleibt auf der Insel.
Fazit
Es gibt wenig mit dem man sich in STROMBOLI identifizieren kann. Die echten Aufnahmen und der filmgeschichtliche Hintergrund rechtfertigen dennoch einen Blick, und sei es nur dafür, wie wundervoll Ingrid Bergman in der Einöde des Vulkans erstrahlt. Rossellini hatte keine andere Wahl und musste sich in diese Frau verlieben.
Gesehen im Zuge meiner Filmchallenge #FLUXScorseseMasterclass.
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter