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Still: A Michael J. Fox Movie (2023) – Filmkritik

„Still On the Run“

Die Kontrolle über den eigenen Körper ist für Schauspielerinnen und Schauspieler essenziell. Jede Gestik und Mimik werden in ihren Bewegungen kontrolliert, um eine fiktive Rolle mit Leben zu füllen. Dem Schauspieler Michael J. Fox stand bereits mit Anfang 20 eine glänzende Karriere bevor. Mitte der 1980er Jahre war das 1,65 m große Energiebündel ein Superstar und bis heute ist Fox – dank der besten Filmreihe aller Zeiten – unsterblich mit diesem Hoch verbunden. Doch dann im November 1990 in Florida geschieht etwas, was sein Leben für immer verändern und einschränken wird. Er wacht in einem Hotelbett auf und merkt, wie sich der kleine Finger seiner linken Hand unkontrollierbar bewegt, als ob er nicht zu ihm gehören würde. Das Zucken geht nicht weg und der Besuch bei einem Arzt bringt die Diagnose: Parkinson – sein Geist trennt sich vom Körper.

© Apple TV+

So weit so bekannt, aber Michael J. Fox lebt immer noch – entgegen den Diagnosen seiner früheren Ärzte – und arbeitete bis ins Jahr 2020 als Schauspieler. Jetzt ist an Arbeit nicht mehr zu denken, sein Kurzzeitgedächtnis lässt erheblich nach, so dass er sich keine Textzeilen mehr merken kann, vom stärker werdenden Kontrollverlust seines Körpers ganz zu schweigen. Aber der Künstler und der Mensch ist unverwüstlich – wie eine „Kakerlake“. So nennt er sich in der herausragenden Dokumentation STILL: A MICHAEL J. FOX MOVIE. Der Titel ist doppeldeutig, „still“ kann bedeuten „immer noch anwesend“ oder „ruhig“. Im Herzen ist Fox ein Comedian und auch der Titel ist nicht ohne sein liebenswertes Schwiegersohnlächeln zu verstehen, denn er ist weder derselbe wie im Jahr 1990, noch ist er ruhig – weder körperlich noch kommunikativ. Wenn es mit der Schauspielerei nicht mehr geht, wird es Zeit für die eigene Autobiografie „No Time Like The Future“ – bislang nur in Englisch erschienen – und diesen vielleicht letzten Film.

Es ist ein bewegendes, ehrliches und frisches Portrait des Stars. Regisseur Davis Guggenheim (INSIDE BILL’S BRAIN, DIE UNBEQUEME WAHRHEIT) verabschiedet sich zum Glück vom üblichen Format der Rückblicke, großen Momente und vor allem den kultigen Dingen – sorry ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT-Fans. Der Inhalt bestimmt die Form und dank der Persönlichkeit seiner Hauptfigur wie auch dem Umgang mit seiner Krankheit wird es ein wilder und schonungsloser Ritt.

© Apple TV+

Kein bronzener Heldenüberzug, wie zum Beispiel bei der Biografie SIDNEY (2022), ebenfalls auf AppleTV+, sondern Vitalität ist Programm. Dies gelingt vor allem durch das Mosaik, welches der Regisseur aus Zeitsprüngen (ein bisschen ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT ist dann doch dabei), Interviews, Alltagssituation, Re-Enactment-Sequenzen und Szenen aus seinen Filmen vor uns ausbreitet. Vor allem wird DIE GRELLEN LICHTER DER GROSSSTADT (1988) immer wieder genutzt, um den Karriereaufstieg von Fox darzustellen. Wie er von Pennys auf der Straße lebt und seine Einrichtung nach jedem Casting-Misserfolg weiterverkaufen muss, um über Wasser zu bleiben. Aber auch die nachgestellten Szenen sind liebenswert, respektvoll und vermitteln eine gewisse Fotoalbum-Nostalgie, ohne kitschig zu sein. Stilsicher kommt zum Beispiel alles zusammen, wenn der Schauspieler davon erzählt, wie er zwischen der TV-Serie FAMILIENBANDE (FAMILY TIES) und dem Set von Robert Zemeckis hin und her pendelt. Zwischen seiner vergangenen Erfolgsgeschichte zum Hollywoodstar erzählt der Michael J. Fox aus dem Jahr 2020 schonungslos den gegenwärtigen Kampf um die Kontrolle mit seinem Körper, immer wieder im zuckenden Griff seiner Krankheit. Tabletten bringen ihn wieder zu sich selbst. Sein Gesicht lässt dann erneut Emotionen zu und er erzählt von den Schmerzen der Krankheit, welche auch von vielen Knochenbrüchen durch Stürze herrühren. So treiben wir mit ihm aus der medialen Boulevardwelt direkt hinein, in die Fänge einer gnadenlosen Krankheit. Aber man lacht auch viel, zum Beispiel dank seiner Familie, die ohne Mitleid mit ihm durch Leben schreitet. Dennoch das Herz wird einem schwer, wenn STILL: A MICHAEL J. FOX MOVIE zwischen dem unsterblichen Star und dem 60-Jähigen hin und herschwingt. Das Leben folgt leider keinem Drehbuch.

© Apple TV+

STILL: A MICHAEL J. FOX MOVIE erzählt nicht nur vom Ausnahmetalent, Vater, Ehemann und Kämpfer für die weitere Erforschung der Parkinsonkrankheit. Der Film erzählt von unser aller Leben, wie das Schicksal alles aus dem Tritt bringen kann, von Ängsten, die die eigene Gesundheit auf Spiel setzen und was es bedeutet, ein Leben trotz Hindernisse, weiterzuleben.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewStill: A Michael J. Fox Movie (2023)
Poster
ReleaseAb dem 12.05.2023 im Stream auf AppleTV+
RegisseurDavis Guggenheim
Trailer
BesetzungMichael J. Fox
Tracy Pollan
Sam Fox
Schuyler Fox
DrehbuchMichael J. Fox
KameraJulia Liu
C. Kim Miles
Clair Popkin
MusikJohn Powell
SchnittMichael Harte
Filmlänge95 Minuten
FSKab 6 Jahren

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