„Gemeinsam speisen“
Nach einem anstrengenden Tag, den man draußen bei kaltem, nassem Wetter verbracht hat, gibt es nichts Schöneres als nach Hause zu kommen. Viel besser ist es noch, sich mit der Familie an einen Tisch zu setzen und gemeinsam zu essen. Viele Menschen haben diese Möglichkeit nicht. Sie haben weder ein eigenes Zuhause, noch Freunde oder eine warme Mahlzeit, sie sind obdachlos.
Inhalt
Peter Svatek portraitiert in seinem Dokumentarfilm STERNEKÖCHE IN DER SUPPENKÜCHE eine ungewöhnliche Institution. Der italienische Sternekoch Massimo Bottura hatte die Idee bei der Expo 2015 in Mailand eine ganz besondere Suppenküche zu eröffnen. Er lud dafür 40 internationale Sterneköche ein, um dort für Bedürftige zu kochen. Wenn der energiegeladene und sympathische Massimo einlädt, kommen sie alle: Ferran Adrià, Alain Ducasse, Luca Fantin, Alex Atala, Yoshihiro Narisawa, René Redzepi und Juan Roca. Mit Unterstützung eines Mailänder Pfarrers nutzen sie ein altes Theater, welches zu einem gut designten Ort des gemeinschaftlichen Essens umgebaut wird. Die eigentliche Herausforderung an die Köche ist es, nur Zutaten zu verwenden, die von der Weltausstellung übrigbleiben. Trockenes Brot und kurz vor dem MHD befindliche Lebensmittel wandern in die Kühlkammer der Küche. Massimo macht in dieser Dokumentation mehrmals deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine Wohltätigkeitsaktion handelt, sondern ein Beweis dafür sein soll, dass es genug zu essen für alle gibt.
Luxus trifft auf Armut
Dass es zwischen den Sterne-Köchen aus der Welt des Luxus mit Gerichten im dreistelligen Preisbereich und Menschen, die keine Wohnung haben, nicht auf Anhieb viele Gesprächsthemen geben kann, ist klar. Chefköche sind eher praktisch veranlagt und funktionieren vor allem in dieser Suppenküche. „Was haben wir für Zutaten?“ „Okay, lasst und daraus dieses Drei-Gänge-Menü machen und ein Gefühl von zu Hause erzeugen.“ Die Dokumentation lenkt den Blick gezielt von den Köchen weg, hin zu ihren Gästen und portraitiert diese perspektivlosen Menschen von Mailands Straßen. Geschichten von geflüchteten Müttern aus Afrika, Drogensüchtigen und Obdachlosen, die lieber auf dem Bahnhof schlafen als in einer temporären Unterkunft zu leben, stehen bei STERNEKÖCHE IN DER SUPPENKÜCHE im Vordergrund. Und die Kamera ist immer ganz nah dabei, wenn sie versuchen ein Zimmer für die Nacht zu bekommen oder sich einen Freundeskreis aufzubauen. Ein Gespräch über die eigenen Probleme entsteht bei einem köstlichen Essen viel leichter und das war Massimos Anliegen bei diesem Projekt. Auch wenn der Pfarrer mit gewaltiger Symbolik das Brot mit einem Moslem bricht und dadurch die Dokumentation ein wenig zu gewollt wirkt, werden auch kritische Stimmen gegenüber Massimos Projekt Gehör finden.
Kritik der Haute-Cuisine
Alan Ducasse holt mit großer Polemik aus und erklärt, dass eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern und gleichzeitig eine weitere Milliarde Essen in großen Mengen wegwerfen. Das wirkt etwas plump, wenn der Sternekoch mit den meisten Spitzen-Restaurants auf der Welt dieses Ungleichgewicht anprangert. Viel sympathischer ist dahingegen der Koch Luca Fantin, der in der Küche ängstlich erwähnt, gar nicht zu wissen, über welche Themen er mit seinen Gästen sprechen soll. Aber er springt über seinen Schatten und kann mit den Zutaten seines Gerichts ins Gespräch kommen. Ernste Worte findet hingegen der dänische Koch René Redzepi, der Massimo für dieses Projekt nicht einfach Honig um den Mund schmiert, sondern bemerkt, dass es nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Sein Restaurant spendet bereits jede Woche Essen für die Suppenküche in der Nachbarschaft. Wenn das alle tun würden, gäbe es keinen Hunger in den Städten.
Fazit
Die Menschen, ob Pfarrer oder Sozialarbeiter, die Obdachlosen und Geflüchteten konkret helfen wieder ein zu Hause zu finden, kommen in STERNEKÖCHE IN DER SUPPENKÜCHE etwas kurz. Dies hätte bei THEATER OF LIFE (Originaltitel), der auf der 67. Berlinale aufgeführt wurde, bei weitem den Rahmen gesprengt. Die visuelle Ästhetik des Films nimmt sich gezielt zurück und schwelgt nicht in Lobeshymnen auf die Gerichte, wie es zum Beispiel, die ausgezeichnete Dokumentar-Serie CHEF’S TABLE auf Netflix macht. Die Menschen und ihre Gedanken stehen dort im Mittelpunkt und dadurch bleibt dieses Institutions-Portrait länger in den Köpfen der Zuschauer. Bei einem gemeinsamen Essen konnten schon so manche Probleme gelöst werden.
Titel, Cast und Crew | Sterneköche in der Suppenküche (2016) OT: Theater of Life |
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Poster | |
Regisseur | Peter Svatek |
Trailer | |
Drehbuch | Peter Svatek |
Kamera | Nicola Baraglia Giancarlo Migliore Nicolas Venne |
Musik | Antoine Binette Mercier |
Schnitt | Eric Robichon |
Filmlänge | 93 Minuten |
FSK | ab 0 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter