„Party ohne Skript“
„Auf 6,4 Promille komm’ die meisten nicht mehr klar“
Jakob Lass ist eine echte Heiland-Erscheinung. Ohne Drehbuch lässt er seine Schauspieler agieren, gedreht wird an authentischen, echten Originalschauplätzen, meist sogar im laufenden Betrieb – ein angenehmer Adrenalinstoß im deutschen Kino. Dabei verschreibt Lass sich meist einem Oberthema, welches dann angenehm unaufgeregt-planlos ergründet wird – „Liebe“ in LOVE STEAKS, „Gewalt“ in TIGER GIRL und nun, im vierten Langfilm, den puren Exzess.
Handlung
Umgangssprachlich nennen es die hippen Jugendlichen „Bad Hair Day“, ein Tag, der genau so furchtbar ist wie die Haare nach dem Aufstehen. Und Oskars (Niklas Bruhn) Tag ist – salopp gesagt – echt beschissen. Es ist Silvester, auch noch in Hamburg, unter normalen Umständen ja schon belastend. Gleichzeitig ist es aber auch der letzte Betriebstag seines Clubs, bevor dieser am 01. Januar von der Stadt abgerissen werden soll, außerdem hat sich Oskars ehemalige große Liebe Mathilda (Tinka Fürst) zur Armageddonfete angesagt. Ach ja, und dann will der relativ kriminelle Kiezpate Kalle Schwensen (Kiez-Kalle himself, ein echter Besetzungscoup) aus heiterem Himmel 10.000 Euro eintreiben. Diese Probleme gilt es nun im Verlauf des Tages geschickt zu koordinieren. Gar nicht so einfach, wenn man nebenbei einen Clubbetrieb aufrecht zu halten hat, den exzentrischen Mitbetreiber (David Schütter mit interessantem Schnauzer) in Schach halten, die Eintreffenden zu koordinieren und mit dem eigenen, stetig steigenden Drogenkonsum klar kommen zu müssen.
Umsetzung
All das, dient Regisseur Lass aber nur als fragmentarische Handlungsskizze – im Mittelpunkt steht die Party, die „live“, ohne Statistenführung, mit echten Bands und DJs, in einem realen Club (augenscheinlich gedreht im „Südpol“, optisch und stilistisch aber unverkennbar angelegt ans „Übel und Gefährlich“, dessen Besitzer Tino Hanekamp auch die Romanvorlage schrieb) entstand. Ein spannendes Experiment, welches am Ende des Tages aber nur halb aufgeht.
Zunächst ist es für den Filmgenuss von SO WAS DA eklatant wichtig, die Romanvorlage galant zu ignorieren. Mit Hahnekamps bittersüßer Popliteratur-Abrechnung hat dieser Film wenig gemein. Lass spart in der Adaption kurzerhand die erste Hälfte der Geschichte aus, in der der Club vorbereitet wird. Dies hat zu Folge, dass man auf der einen Seite sofort in die Partyaction einsteigen kann, aber keine Gelegenheit hat, zu den vielen Charakteren eine Beziehung aufzubauen. Egal ob Rockstar Andreas „Rocky“ Rockmann („heisskalt“ Sänger Mathias Bloech), der von seinem Ruhm mehr und mehr genervt ist, Nina (Martina Schöne-Radunski), die heute irgendwie anders ist als sonst oder Exfreundin Mathilda. In der Vorlage alles Charaktere mit tatsächlichem Tiefgang und ihrer ganz eigenen Portion Tragik. Im Film verkommen sie zu Stichwortgebern, aus denen Lass per Jumpcut die besten Sätze zusammengebaut hat. Was problematisch ist, denn gewisse Eckpunkte der Geschichte funktionieren ohne Bezug zu den handelnden Figuren einfach nicht. Warum sollte mich das kümmern, wenn es die Regie offensichtlich auch nicht wirklich interessiert?
Selbst Hauptfigur Oskar bleibt blass, obwohl man sich ausgerechnet hier entschied, seine Erzählerrolle beizubehalten. Aus dem Off muss Bruhn furchtbar poetische Sentenzen nach dem Motto: „Meine Tür ist so kaputt wie meine Seele“ aufsagen. Dieser künstliche Diegesebruch mag sich nicht so Recht ins improvisierte Gesamtkonzept einfügen. Immerhin: Lass scheint dies erkannt zu haben und holt Oskar, bevor dieser gedanklich wirklich loslegen kann, stets durch ein Autohupen oder eine Silvesterrakte zurück ins Hier und Jetzt. Denn: „Man muss immer voll das sein, weil es gleich schon wieder vorbei ist.“
Zudem ist es fraglich, ob SO WAS VON DA für Nicht-Hamburger überhaupt einen Sinn ergibt. Versteht man weshalb die Hauptfiguren, relativ zu Beginn des Filmes, wenn sie sich über die schwarze Politik der Innensenatorin (Corinna Harfouch) unterhalten (übrigens auch „Rockys“ Mutter, was später noch für einigen Wirbel sorgen wird) ausgerechnet durch den Freihafen fahren, und welche Bedeutung dieser Ort bezüglich des sich wandelnden Stadtbild Hamburgs hat? Die Exkstase, die eine Szene auf der Fähre 62 hervorrufen kann? Wie clever der Filmclub dem „Übel und Gefährlich“ nachempfunden ist?
Kommen wir zum Herzstück des Filmes – die Partyszenen. Unter Beihilfe von Bands wie den „Leoniden“ („Kids“) und Großstadtgeflüster („Weil das Morgen noch so ist“) zappeln die Menschen über die Tanzfläche. Der Autor dieser Zeilen sah den Film im letzen Sommer beim Schanzen-Open-Air (Hamburger Leser werden es kennen) und kann bezeugen: Mit vernünftigen Boxen, einer größeren, feierwütigen Menschenmasse und genug Bier in der Hinterhand kommt tatsächlich eine schöne Feierstimmung auf. Beim alleinigen Schauen auf dem heimischen Fernseher funktioniert das nicht so ganz. Deshalb die Empfehlung: Freunde einladen, Beamer einschalten und SO WAS VON DA als Vorglühprogramm für den Ausgehabend nutzen.
An die performative Kraft vergleichbarer Filme, wie z. B. CLIMAX reicht SO WAS VON DA dennoch nicht ganz heran. Bei aller Kritik, ob der mangelnden Figurenzeichnung: Immer wieder gibt es Momente im Film, in denen die Improvisation verdammt gut greift, da werden Augenblicke „echter“ Ausgeflipptheit, Trauer und Freundschaft auf die Leinwand gebannt. Da wird in überfluteten Toilettenkabinen getanzt, da regnet es Konfetti beim Küssen und Krebsgeschwüre werden wie Golfbälle durch den Club geschlagen.
Aussagen wie:
„Du moonwalkest durch dein Leben, es sieht aus als gingest du vorwärts, aber du bewegst dich nur nach Hinten“, „Kleb mir ein Dinopflaster auf die Wunde“ oder „Schlepp bloß kein Crushed Eis an, niemals Crushed Ice, wenn dich jemand fragt, dann bist du allergisch auf Crushed Eis“
zeigen indessen, wie improvisierte Dialoge die Atmosphäre aufwerten können. Exzellent besetzt ist SO WAS VON DA auch. Zu dem bereits genanntem Ensemble gesellen sich der Rapper „Swiss“ als gewaltbereiter Türsteher, Bela B. als „toter Elvis“ und Felix Maria Zappenfeld als Drogendealer, dem die Clubgäste vertrauen.
Fazit
Der ganz große Wurf ist SO WAS VON DA am Ende des Tages leider nicht geworden. Für jeden funktionierenden Moment könnte man drei Steine im Getriebe aufzählen. Muss man aber nicht unbedingt. Denn diese Filme zeigen: Das „junge deutsche Kino“ atmet, lebt und hat keine Angst, auch mal ein wenig auf die Schnauze zu fallen.
Schönster Moment des Filmes: David Schütter pustet Konfetti in die Luft und sagt einfach nur, ganz trocken:
„Na, Party“.
SO WAS VON DA erscheint am 25. Januar im Vertrieb bei DCM. Die rezensierte Blu-ray bietet, ein scharfes BIld, außerhalb einiger FIlmtrailer aber leider keine weiteren Extras.
Titel, Cast und Crew | So was von da (2018) |
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Poster | |
Release | im Kino ab dem 16.08.2018 und ab dem 25.01.2019 auf Blu-ray erhältlich Bei Amazon kaufen (Affiliate Link) |
Regisseur | Jakob Lass |
Trailer | |
Darsteller | Niklas Bruhn (Oskar) Martina Schone-Radunski (Nina) David Schütter (Pablo) Mathias Bloech (Rocky) Tinka Fürst (Matilda) Bela B. Felsenheimer (Toter Elvis) Corinna Harfouch (Innensenatorin) Karl-Heinz Schwensen (Kiez-Kalle) |
Kamera | Timon Schäppi |
Schnitt | Gesa Jäger |
Filmlänge | 91 Minuten |
FSK | ab 16 Jahren |