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Silent Night – Und morgen sind wir tot (2021) | Filmkritik

Horrorfilme, die um und an Weihnachten angesiedelt sind, gibt es viele. Die Motive und Themen sind vielfältig und abwechslungsreich: JESSY – DIE TREPPE IN DEN TOD (BLACK CHRISTMAS, 1974), STILLE NACHT – HORROR NACHT (SILENT NIGHT, DEADLY NIGHT, 1984), DEAD END (2003), DER EISIGE TOD (WIND CHILL, 2007) oder auch A CHRISTMAS TALE – RARE EXPORTS (2010), um nur ein paar zu nennen. Gleiches trifft auf die prominenten und beliebten Komödien zu, die sich ebenfalls der besinnlichen Jahreszeit verschrieben haben. Die neuste Produktion von Regisseurin Camille Griffin dagegen fällt eher aus diesem Rahmen, als das sie sich den bekannten Schemata unterordnen lässt. Die Werbung spricht zwar von einer rabenschwarzen Komödie, was jedoch nur einem kleinen Teil der Wahrheit entspricht. Viel treffender für SILENT NIGHT wäre die Bezeichnung als Hybrid, der sehr erfolgreich mehrere Genres in sich vereint. Und dieser hat es wahrlich in sich und wird den Rezipienten noch lange zum Nachdenken wie auch Schmunzeln anregen.

© capelight pictures / Robert Viglasky

Handlung

Der Baum ist perfekt geschmückt, das großzügige Festmahl vorbereitet und der Klang nostalgischer Evergreens erfüllt die vielen Räume. Als Nell (Keira Knightley), Simon (Matthew Goode) und ihr Sohn Art (Roman Griffin Davis) ihre langjährigen Collegefreunde willkommen heißen. Das gemütliche Cottage auf dem Land ist für ein perfektes Weihnachtsfest vorbereitet – bis auf die Tatsache, dass keiner der Anwesenden den nächsten Morgen erleben wird …

© capelight pictures / Robert Viglasky

Tod unter dem Weihnachtsbaum

Der Beginn mag an all die Familienkomödien erinnern, die wir jedes Jahr zu Weihnachten konsumieren, doch diese scheinbare Idylle hält nicht lange vor. Denn SILENT NIGHT verändert sich stetig, Schritt für Schritt, sehr subtil und durchaus etwas eigenwillig. In der ersten Hälfte werden wird Zeuge der alljährlich stattfindenden weihnachtlichen Apokalypse einer Gruppe erfolgreicher Menschen, die seit dem College befreundet sind. Weniger als Situationskomik und mehr auf verbaler Art nimmt Regisseurin Camille Griffin die „schönste Zeit des Jahres“ dieser Personen und ihrer aufbrechenden Konflikte nach bekannten Regeln auf die Hörner. Die Qualität der Dialoge schwankt dabei zwischen der Familie Griswold aus SCHÖNE BESCHERUNG (NATIONAL LAMPOON‘S CHRISTMAS VACATION, 1989) und Roman Polanskis genialem DER GOTT DES GEMETZELS (CARNAGE, 2011). Doch von Beginn an ist ein düsterer Unterton mit von der Partie, der bei jedem Dialog und in jeder Szene unsichtbar im Hintergrund lauert. Eine verzweifelte Verbitterung und Traurigkeit verbirgt sich darin, die für den Rezipienten noch nicht greifbar ist. Der Plot liefert einige kleine Puzzlestücke, die sich nicht zu einem Ganzen verbinden lassen. Es vergehen weitere Minuten, ehe vage Vermutungen deutlicher ausformuliert werden. Doch nun ist es zu spät und der Plot macht eine 180-Grad-Wendung, die wahrlich schockiert. Vergessen sind all die lustigen Momente und Konfrontationen der sehr unterschiedlichen Pärchen und wir starten in ein verstörendes, herzzerreißendes Drama. Während im inneren des Cottage noch die bunten Lichter strahlen und rockige Weihnachtsmusik die Anwesenden erfreut, nähert sich über das sterbende Land der Tod in Form von Giftgaswolken.

© capelight pictures / Robert Viglasky

Ungeachtet des bedrückenden Themas liefen die Dreharbeiten mit all den Stars problemlos über die Bühne, wie Regisseurin Camille Griffin in einem Interview erzählte. Auch wenn mit dem Beginn der realen Pandemie sich zwangsläufig einiges an den gewohnten Abläufen verändern musste. Trotz dieser zusätzlichen Widrigkeiten durch COVID-19 und einem sehr begrenzten Budget überrascht SILENT NIGHT mit grandiosen Bildern und einer packenden Story. Das SILENT NIGHT für Griffin das Spielfilmdebüt darstellt, überrascht, denn der Film ist auf einem handwerklich hohen Niveau für einen Erstling. Die Kamera ist zu jeder Zeit sehr nahe am Geschehen und katapultiert den Zuschauer mitten ins Geschehen. Das chaotische Treiben wird von bekannten Weihnachtsliedern großer Stars wie Irene Caras, Boney M oder Sting begleitet und setzt den Film zeitweise in die richtige Stimmung. Dass die tödlichen Giftgaswolken auch als Metapher für unsere aktuelle COVID-19-Pandemie herhalten können, ist nicht von der Hand zu weisen, trotz der Tatsache, dass Camille Griffin das Drehbuch bereits einige Zeit vor der Pandemie fertigstellte. Werfen wir noch einen Blick auf die unterschiedlichen Charaktere, dann fällt sofort auf, dass wir hier einen politisch korrekten Querschnitt durch die Bevölkerungsstruktur haben. In der heutigen Zeit ist das mittlerweile zum Standard erwachsen, dem sich scheinbar keine neue Produktion mehr verweigern möchte. Doch trotz aller Unterschiede und Differenzen der einzelnen Akteure ist es spannend anzusehen, wie jeder von ihnen mit dem Unvermeidlichen umgeht, dass so bedrohlich vor ihnen liegt.

© capelight pictures / Robert Viglasky

Der Cast

Die großartige Besetzung strotzt nur so vor Stars und Sternchen und fährt alles auf, was der Markt zu bieten hat. Allen voran Keira Knightley als penible und kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehende Nell (FLUCH DER KARIBIK (PIRATES OF THE CARIBBEAN: THE CURSE OF THE BLACK PEARL, 2003), STOLZ & VORURTEIL (PRIDE & PREJUDICE, 2005), THE IMITATION GAME: EIN STRENG GEHEIMES LEBEN, 2014). An ihrer Seite ist Matthew Goode (WATCHMEN: DIE WÄCHTER, 2009; THE IMITATION GAME: EIN STRENG GEHEIMES LEBEN, 2014) in der Rolle des leicht überforderten Familienvaters Simon. Daneben glänzen vor allem die junge Annabelle Wallis (ANNABELLE, 2014; MALIGNANT, 2021) und Sope Dirisu (THE HUNTSMAN & THE ICE QUEEN (THE HUNTSMAN: WINTER‘S WAR, 2016), GANGS OF LONDON, 2020 – ) in der Rolle des erfolgreichen Arztes.

© capelight pictures / Robert Viglasky

Neben all den großartigen Darsteller und Darstellerinnen sticht jedoch einer ganz besonders hervor und das ist der 14-jährige Roman Griffin Davis. SILENT NIGHT ist erst sein zweiter Spielfilm, sein Debüt feierte er in dem erfolgreichen JOJO RABBIT (2019) an der Seite von Scarlett Johansson. Griffin spielt seine erfahrenen Schauspielkollegen mit einer Leichtigkeit an die Wand, die faszinierend und auch sehr ergreifend ist. Mit der Unbekümmertheit eines Kindes und der Professionalität eines alten Hasen interpretiert er seine Rolle und packt eine Intensität und Kraft hinein, die begeistert. Seine Zwillingsbrüder Hardy und Gilby Griffin Davis sind ebenfalls mit dabei und bekamen von ihrer Mutter, Regisseurin und Drehbuchautorin Camille Griffin einige sehenswerte Auftritte in SILENT NIGHT spendiert.

© capelight pictures / Robert Viglasky

Fazit

Es gibt nicht viele Produktionen, die heutzutage zwischen Oberflächlichkeiten und bedeutungslosen Mainstreamproduktionen das Potenzial haben, den Zuschauer vom Hocker zu hauen, doch SILENT NIGHT ist zweifellos solch ein Kandidat. Ein echter Anti-Weihnachtsfilm, ein festliches Endzeit-Drama, eine rabenschwarze Komödie. Wie immer das Label am Ende auch lautet, es fühlt sich an, als hätte der Rezipient einen heftigen Schlag in den Magen kassiert, ganz besonders im Angesicht der aktuellen Pandemie. Mit einer gehörigen Portion an britischem Humor zieht sich die Schlinge weiter und weiter zu, bis dem Zuschauer das Lachen schlussendlich im Hals stecken bleibt: schöne Weihnachten.

© Stefan F.

Titel, Cast und CrewSilent Night (2021)
Poster
Releaseab dem 10.12.2021 auf UHD, Blu-ray und DVD

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RegisseurCamille Griffin
Trailer
BesetzungKeira Knightley (Nell)
Matthew Goode (Simon)
Annabelle Wallis (Sandra)
Lily-Rose Depp (Sophie)
Lucy Punch (Bella)
Kirby Howell-Baptiste (Alex)
Roman Griffin Davis (Art)
Lily-Rose Depp (Sophie)
DrehbuchCamille Griffin
KameraSam Renton
MusikLorne Balfe
SchnittPia Di Ciaula
Martin Walsh
Filmlänge90 Minuten
FSKab 16 Jahren

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