„DC Comeback?“
Auch wenn die Pläne eines großen zusammenhängenden DC-Cinematic-Universe mittlerweile vom Tisch sind, gibt es noch genügend ungenutzte Marken, die das Unternehmen aus dem Ärmel holen kann. Nachdem AQUAMAN sich überraschend gut an den Kinokassen halten konnte und DC damit die dringend benötigte Vertrauensbasis bei den Zuschauern zurückbringt, liegt jetzt der Fokus auf den geplanten Filmen der nächsten Jahre. Es lässt sich erkennen, DC backt erst einmal kleinere Brötchen. Keine großen Crossover, sondern Solo-Abenteuer stehen im Vordergrund. JOKER (2019), BIRDS OF PREY (2020), WONDER WOMAN 2 (2020), THE BATMAN (2021) und aktuell SHAZAM!. Der Superheld mit der etwas komplizierteren Entstehungsgeschichte gibt sein Leinwand-Debüt seit dem 04.04.2019. Der kleine Junge mit großer Macht liefert viel Richtiges und bietet dabei wenig Neues.
Handlung
Als Pflegekind macht es Billy (Asher Angel) seiner Umwelt nicht gerade leicht ihn zu mögen. Ständig reißt er aus und springt von einer Pflegefamilie zur nächsten. Dabei weiß Billy ganz genau, was er möchte: seine leibliche Mutter treffen, die irgendwo auf ihn wartet. Seit die beiden vor Jahren auf einem Weihnachtsmarkt getrennt wurden, ist Billy auf der Suche nach ihr und verdrängt damit alles andere um ihn herum. Auch das neue Zuhause von Rosa (Marta Milans) und Victor (Cooper Andrews) ist mehr als Zwischenstopp geplant. Da ihm aber die Mittel für seine weitere Suche ausgegangen sind, muss sich Billy notgedrungen erst einmal mit seiner neuen Umgebung abfinden. Es hilft, dass sein neuer Zimmergenosse Freddy (Jack Dylan Grazer) als Superheldennerd, zwar anstrengend, aber sympathisch ist. Auch der Rest der Familie scheint in Ordnung zu sein. Da ist es selbstverständlich, dass Billy nicht einfach zusehen kann, wie Freddy von Schulrowdies schikaniert wird. Diese selbstlose Tat zieht die Aufmerksamkeit des Zauberers Shazam auf ihn, welcher Billy gleich zum Felsen der Macht teleportiert. Hier erhält er von Shazam die Kraft von 6 mächtigen Götter.
Einmal kompliziert bitte!
Klingt verwirrend? Ist es auch. Nicht nur die Origin von Shazam ist kompliziert, auch die Comic-Vorlage hat schon den ein oder anderen Rechtsstreit hinter sich. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, sei hier gesagt, ursprünglich hieß Shazam mal Captain Marvel und wurde 1940 das erste Mal in einem DC-Comic eingeführt.
Von den beiden Autoren Bill Parker & C.C. Beck erdacht, erfreut sich der Held wachsender Beliebtheit. Zeitweise übersteigt diese sogar die von Superman. 1953 kommt es zum Rechtsstreit zwischen DC und Marvel Comics. Es folgt eine Umbenennung des Helden im Jahr 1972. Shazam ist geboren.
Neben den Namensverwirrungen ist auch die Herkunft seiner Kräfte etwas komplexer als für Superhelden üblich. Um es auf das Nötigste, sowie Kanon des Films, herunterzubrechen. Billy erhält seine Kraft durch alte mächtige Magie. Sagt er den magischen Namen des Zauberers Shazam, durchfließt ihn die Kraft der Götter: Die Weisheit des Solomon, die Stärke des Hercules, die Ausdauer des Atlas, die Mächte des Zeus, die Geschwindigkeit des Mercury und die Courage des Achilles. Als Shazam ist Billy nun der mächtigste Mensch und somit auch Beschützer aller Schwachen.
Was wäre, wenn?
Damit auch Normalsterbliche den Film verstehen, reduziert David F. Sandberg die ganze Magie und das Götterwirrwar auf ein Minimum. Die Hintergrundgeschichte wird schnell und mit dem Nötigsten von Zauberer Shazam (Djimon Hounsou) abgerissen. Während der Zauberer theatralisch die epische Geschichte der Macht erzählt, sind Zuschauer und Protagonist Billy bereits ganz woanders. Der Fokus und die Unterhaltung liegen bei SHAZAM! nicht in der Geschichte. Diese ist ohnehin typisches Heldenreisen-Ein-mal-Eins und steuert die altbekannten Stationen ab. So belanglos wie die Geschichte ist, ist dann zwangsläufig auch der Bösewicht Dr. Thaddeus. Der talentierte Mark Strong (KINGSMEN) gibt sich alle größte Mühe Bedrohung in den Film zu bringen, wirkt aber meist nur fehl am Platz. Schwerpunkt von SHAZAM! ist vielmehr die Frage „Was würde ein 15-jähriger Junge mit Superkräften anfangen?“
Brilliant komisch
Genau das funktioniert in SHAZAM! auch richtig gut. Die Chemie zwischen dem jungen Freddy und Billys alter Ego Shazam (Zachary Levi) funktioniert hervorragend. Zachary spielt den verspielten Jungen im Herkuleskörper und es entstehen brillant komische Szenen. Hier hat SHAZAM! eindeutig seine stärksten Momente. DC löst sich von seiner alten BAMTMAN-BEGINS-Dogma-Strategie und wirft das dunkle, düstere Image über Bord. Übertrieben bunt und albern wie es ein Marvel Film meistens ist, wird es aber auch nicht. Es bleiben genügend ernste Momente, die auch für sich stehen und dem Humor kurze Zeit Parole bieten. Fast schon bedrückend und unerwartet trifft es den Zuschauer, wenn Billy auf seine leibliche Mutter trifft. SHAZAM! gibt somit dem Zuschauer die Möglichkeit, seinen Helden kennenzulernen. Die beiden Hauptcharaktere Billy und Freddy nehmen ohnehin den Löwenanteil des Films ein und so bleibt wenig Rest für die übrige Familie. Neben Freddy gibt es im Haus Vasquez noch weitere Kinder. Mary, Darla, Eugene und Pedro sind alle zusammen sympathische Figuren, die leider nur wenig Hintergrund bekommen. Etwas über die Stränge haben die Drehbuchautoren unter Henry Gayden bei der Figur von Eugen Choi (Ian Chen) geschlagen. Ich sehe jetzt schon die Kommentare in den üblichen Internetforen zum Thema Stereotypen. Generell sind die Figuren superheldentypisch etwas überzeichnet, aber hier stößt man etwas an die Grenze. Wie das durchgehen konnte, ist ein Rätsel.
Abseits der Familie wird wenig von der bekannten DC-Welt aufgegriffen. Natürlich gibt es Hinweise auf andere Helden, aber die spielen in SHAZAM! keine Rolle. Dadurch bleibt die Geschichte angenehme bodenständig und im überschaubaren Rahmen. Das führt gleichzeitig dazu, dass SHAZAM! sich besonders zum Ende träge und unspektakulär anfühlt. Besonders in Sachen Action benötigt der Superheld etwas Nachhilfe von seinen Kollegen.
Optik und Score mittelmäßig
Schätzungen zur Folge hat Shazam! ca. 100 Millionen US-Dollar an Produktion gekostet. Für vergleichbare Titel ist das wenig. Allein WONDER WOMAN mit 150 Millionen und AQUAMAN mit geschätzten 160 Millionen sind locker eine Gehaltsklasse höher. Primär eingespart wurde an den Effekten und an großer imposanter Action. Beides ist durchaus vorhanden, wirkt aber nicht wie man es sonst bei großen Blockbustern gewöhnt ist. Besonders die Flugszenen wirken fast schon billig. Shazams Kräfte kommen sparsam zum Einsatz und das macht besonders das große Finale zäh. Ein Kampf, der sich über Minuten zieht und bei dem so gar nichts passieren will. Hier hätte man 15 min Laufzeit sparen können. Ebenfalls unspektakulär und vergessenswert wirkt der Score von Benjamin Wallfisch. Dabei hat dieser mit BLADE RUNNER 2049 und ES die letzten Jahre richtige Knaller abgeliefert. Es lässt sich nur spekulieren, ob hier bei der Produktion am Ende ein paar Millionen mehr vielleicht den Unterschied gemacht hätten.
Fazit
SHAZAM! ist ein weiterer richtiger Schritt von DC. Nicht perfekt, aber durchaus unterhaltsam, lernen wir einen neuen Superhelden kennen. Abseits der dominierenden Marvel-Filme gefällt SHAZAM! durch bodenständige Einfachheit. Wer generell nicht viel mit Superhelden anfangen kann, wird auch bei SHAZAM! Innovation vermissen. Alle anderen können getrost reingehen.
Fragt sich, ob DIE NACKTE KANONE noch eine Chance auf einen Oscar hat / kann Käsekuchen nicht widerstehen / sollte ohne Korrekturlesen nichtmal ’ne SMS schreiben.