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Scream VI (2023) – Filmkritik

„Der letzte Schrei?“

Was ist schlimmer als ein schlechter Film? Ein mittelmäßiger Film. Und was ist schlimmer als ein mittelmäßiger Film? Ein Film, der sehr gut startet und nach einer starken halben Stunde alle spannenden Ideen über Bord wirft, um im Durchschnitt zu verenden. Der Tage startet mit SCREAM IV (oder SCREAIVI, wie uns die Typographie des Titels an die frühen Neunziger erinnern möchte, Hallo SE7EN) solch ein Film der letzten Kategorie. Das wäre alles nicht so bemerkenswert, Filme dieser Klasse werden tagtäglich auf das Publikum losgelassen, würde SCREAM 6 nicht erstaunlich nach nicht nur einem der besten (Horror)film der 90er, vielleicht auch der besten Filme aller Zeiten klingen. SCREAM, Wes Cravens frustrierte Abrechnung mit dem Status Quo des Horrorfilms, kann auch knapp 30 Jahre nach seinem Erscheinen schockieren, erheitern und begeistern.

© Paramount Pictures

Möchte man über die fünfte Fortsetzung von SCREAM reden, dann kommen einem DIE SIMPSONS in den Sinn. Das ist diese gelbe Zeichentrickshow, die schon immer lief und bei der Menschen Ende 30, Menschen in dem Alter der Entität hinter diesem Text, also Anfang bis Mitte 20, gerne erklären, dass sie mal zum innovativsten und frechsten gehörte, was das US-Fernsehen zu bieten hatte. DIE SIMPSONS waren Counterculture und machten sich auf bösartige Weise über die pseudo-heile Fernsehwelt lustig, in der Papa es noch am besten weiß und wir am Ende der 20 Minuten etwas fürs Leben gelernt haben.

© Paramount Pictures

SCREAM setzte sich kritisch mit dem schlimmsten und grausamsten Aspekt des Horrorgenres auseinander, seinen Fans. In einer Zeit vor Reddit, IMDB und Letterboxd konnte man neben all dem Psychopathischen darüber noch herzhaft lachen, vor allem, weil der Film eine seiner größten Kultfiguren, Randy Meeks (Jamie Kennedy) in seiner ersten Installation noch nicht als „coolen Typen“ begriff, sondern als zwar herzlich, aber auch suspekt.

© Paramount Pictures

Diese kritische Distanz zu den eigenen Figuren wich natürlich bereits im Laufe der vier Craven-Teile. Ähnlich wie Homer Simpson wurde der Metaaspekt der Filme von vereinzelten Charaktermomenten, die sich durchaus organisch aus der Story ergaben, zum leeren Signifikant ohne Signifikat, oder um es mit Frederic Jameson zu sagen, eine „blank parody“. Mit SCREAM 6 sind wir jetzt am qualvollen Endpunkt einer Odyssee der Bedeutungslosigkeit angekommen. Der sechste Teil will gar nichts mehr, er will nicht kritisieren, schockieren oder verbessern. Er ist eine Fließbandproduktion ohne Ecken und Kanten, perfekt für das Contentzeitalter, dass bereits beim Sichten wieder vergessen ist. Wie bereits erwähnt wäre das auch gar nicht so schlimm. Das populäre Kino der letzten zehn Jahre hat uns mehr als einmal gezeigt, dass die Personen, die mit Erwartungen in einen Film gehen, am Ende nur die Verlierer sein können. Das wirklich Schlimme an SCREAM VI ist, dass der Film sich seiner rein kommerziellen Identität vollkommen bewusst ist und sich für diese Selbstdiagnosis auch noch feiert. Und es funktioniert. Die Zuschauer:innen wollen offensichtlich gar nicht mehr herausgefordert werden, geschweige denn einen guten Film sehen. Die reine Tatsache, dass ein einst geliebtes Franchise fortgeführt wird, scheint den meisten als Qualitätsmerkmal zu reichen. Das Totschlagargument lautet dann am Ende immer, es sei eben „ein Film für Fans der Reihe“. Gerade als Fan der Scream-Reihe müsste man über diesen Film aber absolut entrüstet sein. Einer der kreativsten und besten Horrorfilme aller Zeiten ist zu einem McDonalds-Besuch verkommen, man weiß genau, was man kriegt und um ein bisschen Vielfalt vorzugaukeln, sind eben zwischendurch auch mal die „Los Wochos“ oder der BigMac kommt mit noch zwei extra Patties dazu.

© Paramount Pictures

SCREAM 6 ist sehr bemüht darin, den Zuschauer:innen im filmischen Text ein Novum zu suggerieren, ständig hört man Figuren davon erzählen, dass es so einen Ghostface-Killer „noch nie gegeben habe“, dass „jetzt alles möglich sei, jede:r könne sterben“, aber das liefert der Film nicht. Unsere Hauptcharaktergruppe, die sich in einem der gelungeneren humoresquen Momente des Films als „Chore Four“ betiteln (Melissa Barrera, Jenna Ortega, Jasmin Savoy Brown, Mason Gooding), tragen eine geradezu lächerliche Plot Armor, es ist eigentlich nur verwunderlich, dass hier noch niemand das Wort Nanobots in den Mund genommen hat.

© Paramount Pictures

Dabei hat das Ende des 2022er-Films uns ein ziemlich faszinierendes Endbild präsentiert, indem die blutüberströmte Sam erkennen muss, dass ihr das Töten der Killer unheimlicherweise eine ziemliche Genugtuung verschaffen hat. Diese spannende Positionierung zur Disposition des Final Girls wäre in der Tat ein Aspekt gewesen, mit der sich ein Scream-Film hätte auseinandersetzen können. Warum entschuldigen wir als Publikum das Morden bestimmter Figuren und verdammen das der Anderen? Placebohaft behauptet der sechste Teil eine Aufarbeitung dessen, um es dann aber, wie sämtliche andere spannende Ansätze, schnell wieder aus der Handlung zu schreiben, um das altbekannte abliefern zu können.

© Paramount Pictures

Es ist natürlich nicht die feine Art, sich einem bis ins Mark zynischen Film mit blankem Zynismus zu nähern. Aber so wie man nicht mit Rechten reden kann, so hat sich auch diese Art von Franchisekino, für das SCREAM 6 synekdotisch und symptomatisch steht, das Recht auf Konversation verwirkt. Es langweilt, es verschwendet unsere Zeit und es macht missmutig. Dies war der letzte Schrei und der nächste folgt garantiert sogleich. Wir wollen es ja nicht anders.

© Fynn

Titel, Cast und CrewScream 6 (2023)
OT: Scream VI
Poster
RegieMatt Battinelli-Olpin
Tyler Gillett
ReleaseKinostart: 09.03.2023
Trailer
BesetzungCourteney Cox (Gale Weathers)
Hayden Panettiere (Kirby Reed)
Melissa Barrera (Sam Carpenter)
Jenna Ortega (Tara Carpenter)
Mason Gooding (Chad Meeks-Martin)
Jasmin Savoy Brown (Mindy Meeks-Martin)
Dermot Mulroney (Detective Wayne Bailey)
Liana Liberato (Quinn Bailey)
Jack Champion(Ethan Landry)
Josh Segarra (Danny Brackett)
Devyn Nekoda (Anika Kayoko)
Henry Czerny (Dr. Christopher Stone)
Tony Revolori (Jason Carvey)
Samara Weaving (Laura Crane)
Skeet Ulrich (Billy Loomis)
Jack Quaid (Richard „Richie“ Kirsch)
DrehbuchJames Vanderbilt
Guy Busick
KameraBrett Jutkiewicz
MusikBrian Tyler
Sven Faulconer
SchnittJay Prychidny
Filmlänge123 Minuten
FSKAb 18 Jahren

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