Zum Inhalt springen
Rocketman (2019) Filmkritik

Rocketman (2019) – Filmkritik

„Making biopics (ain’t what it used to be)“

Auch Sir Elton John bekommt nun ab dem 30. Mai die höchste cinematographische Ehre: Ein großbudgetierter Spielfilm über die erste Hälfte seines Lebens erreicht mit viel Tamtam die Lichtspielhäuser. Vielleicht ist der Zeitpunkt nicht der Günstigste: BOHEMIAN RHAPSODY zog viel Kritik mit sich, ein Diskurs über die Schablonenhaftigkeit des (mittlerweile ja schon so zu bezeichnenden) Genres ‚Biopic‘ entfaltete sich. Wie verhält es sich nun mit ROCKETMAN?

Rocketman (2019) Filmkritik
John Reid (Richard Madden) und Elton John (Taron Egerton) in ROCKETMAN © Paramount Pictures

Eine Plotsynopsis könnte man sich theoretisch sparen, der Form halber aber einmal rasch die Eckpunkte:
Elton John, bürgerlich eigentlich Reginald Dwight (Taron Egerton), befindet sich auf dem Höhepunkt seines Erfolgs und leider auch seines Rauschmittel-Konsums. Der Besuch einer Entzugsklinik scheint der letzte Ausweg zu sein. In den Gruppensitzungen beginnt der extravagante Popstar sein Leben fragmentarisch Revue passieren zu lassen. Starpersona typisch, gab es da die schwere Kindheit im englischen Vorort mit der liebenden Mutter (Bryce Dallas Howard) und dem ihn nie akzeptierenden Vater (Steven Mackintosh), das schicksalhafte Aufeinandertreffen mit Songwriter Bernie Taupin (Jamie Bell), die Beziehung mit seinem Manager John Reid (Richard Madden) und natürlich die Musik. Und die Drogen.

Rocketman (2019) Filmkritik
Ivy (Gemma Jones) und junger Reggie (Kit Connor)in ROCKETMAN © Paramount Pictures

„A True Rock Fantasy“ beschreibt ROCKETMAN sich im Paratext selbst. Diesem Ansatz ist es auch zu verdanken, dass der von Dexter Fletcher inszenierte Film dann doch mehr VELVET GOLDMINE als WALK THE LINE geworden ist. Die Bebilderung ignoriert die Chronologie von Elton Johns Songs gekonnt und lässt bereits den 5-jährigen Reggie ‚The Bitch Is Back‘ trällern. ‚Saturday’s Alright‘ wird kurzerhand zum realen Pub-Prügel-Gesang, und wenn Elton das erste Mal in Amerika ‚Crocodile Rock‘ auf ein Publikum loslässt, dann heben die Zuschauer gemeinsam mit dem Sänger buchstäblich ab und schweben episch berührt durch die Szenerie.

Rocketman (2019) Filmkritik
Elton John (Taron Egerton) in ROCKETMAN © Paramount Pictures

ROCKETMAN ist ein Musical und ein verdammt mitreißendes dazu. Egerton sang alle Songs selber, was die PR-Maschinerie nicht müde wird zu betonen und man muss sagen: Er macht seine Sache verdammt gut. Überhaupt schmeißt der ehemalige ‚Kingsman‘ sich mit seinem ganzen Körper in die Rolle, was auch einige Veränderungen im Bauch und Hüftbereich mit sich zieht. Gegen diese unfassbar starke Darstellung verblassen leider sämtliche Nebendarsteller zwangsläufig. Es ist natürlich die Frage, ob dies überhaupt relevant ist. Fans des Sängers werden in erster Linie IHN erleben wollen und das tut man in ROCKETMAN ganz tadellos.

Rocketman (2019) Filmkritik
Elton John (Taron Egerton) in ROCKETMAN © Paramount Pictures

Die Schattenseite der musicalesquen und chronologie-ignorierenden Inszenierung: Ein paar der Songs wird durch die ab und an etwas willkürliche Platzierung im Film die emotionale Wucht geraubt. ‚Tiny Dancer‘, man denke kurz einmal an ALMOST FAMOUS, wird im Film irgendwann gespielt, weil es ja einfach kommen muss. Einen wirklichen Anlass oder Sinn für die Geschichte hat dies dann gerade wenig. Zudem geht dem Film pünktlich zur Halbzeit spürbar die Lust aus. Wenn Elton Johns Kokainsucht Handlungselement wird, verwirft der Film seinen „Rock-Fantasy-Ansatz“ für lange Zeit und wandelt sich zum wenig mitreißenden Rauschdokumentieren. Sehr schade, man mag sich nur ausmalen, wie kreativ Fletcher die Drogentrips vielleicht hätte umsetzen können. Wenn dann aber auf den finalen Metern der titelgebende Evergreen zum Besten gegeben wird, dürfte sich auch der zynischste Zuschauer einer Ehrfurchtsgänsehaut nicht erwehren können.

Rocketman (2019) Filmkritik
Elton John (Taron Egerton) in ROCKETMAN © Paramount Pictures

Am Ende des Tages tut ROCKETMAN also genau das, was man sich von einem Biopic erhofft. Er schafft es auf mitreißende Weise, die Relevanz und Signifikanz der Persona Elton John für die Popkultur der 70er und 80er Jahre zu verdeutlichen, gerät dabei nur selten zum trockenen, verfilmten Wikipedia-Eintrag und wird Hauptdarsteller Egerton sicherlich eine Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller einbringen. Das Kino verlässt man beschwingt mit drei bis sechs festsitzenden Ohrwürmern. 120 Minuten schwersteffektiver Eskapismus, nicht wahnsinnig gehaltvoll, aber unfassbar lecker beim Verzehr. Also ein bisschen wie die Eiscreme, die Elton John während seiner Kokaintrips verputzte (und für die er heute noch eine Schwäche hat, wie die Credits uns verraten).

Titel, Cast und CrewRocketman (2019)
PosterRocketman (2019) Filmkritik
Releaseab dem 30.05.2019 im Kino
ab dem 30.12.2019 auf 4K-UHD, Blu-ray und DVD
Bei Amazon vorbestellen:

RegisseurDexter Fletcher
Trailer
BesetzungTaron Egerton (Elton John)
Jamie Bell (Bernie Taupin)
Richard Madden (John Reid)
Bryce Dallas Howard (Sheila)
Gemma Jones (Ivy)
Steven Mackintosh (Stanley)
Tom Bennett (Fred)
Matthew Illesley (Young Reggie)
Kit Connor (Older Reggie)
Charlie Rowe (Ray Williams)
DrehbuchLee Hall
KameraGeorge Richmond
MusikMatthew Margeson
SchnittChris Dickens
Filmlänge121 Minuten
FSKab 12 Jahren

Ein Gedanke zu „Rocketman (2019) – Filmkritik“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert