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Renfield (2023) – Filmkritik

„Selbsthilfe“

Nicolas Cage wollte schon immer einmal Superman spielen. Er ist wohl einer der größten/reichsten Fans des Mannes aus Stahl. Als Beweis schaut doch gern einmal nach, welchen Namen sein Sohn trägt. Die Superheldenrolle hat bekanntlich (noch) nicht geklappt und deswegen sucht er sich Rollen, die dennoch Übermenschliches leisten – gegen Honorar eines A-Klasse-Schauspielers versteht sich. Der Graf des Schreckens ist mit seinen Fähigkeiten ziemlich nah an Superkräften dran und so wird es ihn gefreut haben, Graf Dracula in Chris McKays RENFIELD seinem Repertoire hinzuzufügen. Aber der Film heißt nun einmal nicht DRACULA, sondern er trägt den Namen seines Handlangers: RENFIELD. Also geht es nicht um Obervampir-Probleme, sondern um Konflikte aus der zweiten Reihe. Das stört Cage sicherlich ebenso wenig, denn sein Zeitaufwand sinkt mit einer Nebenrolle erheblich, bei gleichbleibender Bezahlung versteht sich. Auch das Publikum wird Draculas geringe Screen time kaum stören, denn die Grundstory liest sich auf dem Papier frisch und unverbraucht. Der Pitch vor dem Produktionsstudio lief damals in diese Richtung: Was wäre, wenn der Assistent von Dracula versucht in einer Selbsthilfegruppe über die toxische Abhängigkeit (Co-Abhängigkeit) zu seinem Chef hinwegzukommen? Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden sich bestimmt in diese Rolle hineinfühlen können. Wer mag schon seinen Boss? Und dann machen wir das Ganze noch lustig, wie auch blutig. Die Antwort lautete: „Deal, hier bekommt ihr ein paar Millionen Dollar.“ und wir bekommen RENFIELD und zwei Nic(h)olas.

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Handlung

Dem Vampirobermeister Graf Dracula (Nicolas Cage) wurde bei einem Angriff ordentlich zugesetzt – Tageslichtverbrennungen Stufe 4. Deswegen müssen er und sein Handlanger Renfield (Nicholas Hoult) fliehen, nach New Orleans. Sie tauchen in einem verlassenen Krankhaus unter, während Renfield unschuldige, junge Frischware zu seinem Boss karrt, der mit jedem Bluttropfen seine alten Stärken und sein gutes Aussehen wiedererlangt. Renfield verbringt tagsüber seine Zeit in einer Selbsthilfegruppe, die sich bei Co-Abhängigkeiten in toxischen Beziehungen und Arbeitsverhältnissen weiterhilft. Als Renfield eines Nachts beschließt seinen Therapiefreunden einen Gefallen zu tun und sie von ihren Ausbeutern zu befreien und deren Blut zum Meister zu bringen, rutscht er direkt ins organisierte Verbrechen der Stadt. Das wird knallhart von Bellafrancesca (Shohreh Aghdashloo) und ihrem geistig umnachteten Sohn Teddy (Ben Schwartz) geleitet. In den Kämpfen mischt auch noch eine Verkehrspolizistin mit, die den Tod ihres Polizistenvaters rächen will. Rebecca Quincy (Awkwafina) wird es aber mit mehr aufnehmen müssen als Gangstern, sondern auch noch mit einem Untoten.

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Das Neue

Das Thema passt gut in unsere Zeit. Beziehungen werden hinterfragt, ob sie gleichwertig sind oder vielleicht eine Seite die andere ausnutzt. Selbst im Bereich Karriere ist ein ungesundes Verhältnis zu seinem Chef im Jahr 2023 immer noch kein Sonderfall. Auch wenn der Protagonist in RENFIELD vielleicht noch zur unterwürfigen Sorte gehört, hat man ihm übermenschliche Kräfte angedeihen lassen. Wie ihm das gelingt, soll hier nicht verraten werden, aber es kommt schnell die Frage auf, ob die Kräfte des Handlangers, denen seines Meisters ebenbürtig sind. Die Szenerie New Orleans wirkt in diesem Kontext unverbraucht. Meisterlich war das Böse zuletzt in ANGEL HEART (1987) in der Stadt am Mississippi, aber seitdem hat sich die Art Filme zu machen und die Stadt an sich gewandelt. Leider macht sich die RENFLIED-Produktion kaum die Mühe an Originalschauplätzen zu drehen und wir erleben Studioaufnahmen, die wie eine Cocktailbar ausgeleuchtet sind. Zudem ist die Horrorkomödie ordentlich blutig und Kämpfe werden mit dem typischen Knochen-Knirsch-Geräuschen vertont. Aber auch die blutigen Schlachten unterliegen den bequemen Wegen und die kommen größtenteils aus Nullen und Einsen daher, was Dracula-Fans der alten Riege nicht gefallen wird.

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Das Alte

Apropos, respektvoll mit den alten Dracula-Filmen (Bela Lugosi, Christopher Lee oder Boris Karloff) wird nicht umgegangen. Das einzig Alte in RENFIELD ist das Outfit von Cage, was aber stets den Geruch von Mottenkugeln verströmt. Assistent Renfield (Hoult) lässt sich zu Beginn noch als Reinkarnation alter BUFFY-FOLGEN mit geschminkten Augen und Wuschelhaaren sehen, was beim heutigen Aufleben der 90er-Jahre-Popkultur ein feines Extra gewesen wäre, aber nach ein paar Selbsthilfebüchern wird er zum pastellfarbenen Hofnarren mit schlechten Witzen. Das Duo Hoult und Awkwafina treibt die offensichtlichen Pointen nur so vor sich her. Das Klischee der Polizistentochter, die dem Mord an ihrem Vater auf Streife Gerechtigkeit widerfahren lassen will, ist fast so alt wie die Geschichten über einen unsterblichen Grafen aus Osteuropa. Wenn man bereits in die Kiste der Stereotypen greift, nimmt man die lächerlichen Gangster gleich noch mit. Es verwundert wenig, dass sich Shohreh Aghdashloo (THE EXPANSE) zum Finale still und heimlich aus dem Rampenlicht verdrückt.

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Beim nächsten Mal

Selbsternannte Filmkritiker nörgeln gern, gehen zum Lachen in den Keller und wissen sowieso nicht, was ein Unterhaltungsfilm ist. Deswegen ein paar Vorschläge, wie man RENFIELD zumindest ein paar Grad auf der Rotten Tomatoes Skala nach oben hätte treiben können.

Tipp Nummer eins: Verrate nie deine beste Figur gleich zu Beginn. Es hätte nicht geschadet Dracula viel später zum ersten Mal auftauchen zu lassen. Der Kampf zu Beginn, inklusive unsinnigem Zeitsprung, verrät außerdem die besten Vampirmoves wie auch die Fähigkeit ihn zu besiegen. Das bringt die Spannung nie über den Ruhepuls und Cage hätte sich über noch mehr Freizeit kaum beklagt. Wenn Dracula in der Szene mit der Selbsthilfegruppe zum ersten Mal komplett zu sehen gewesen wäre, dann hätten wir einen Auftritt des grausamen Herrschers gehabt und nicht diese ständigen improvisierten Wiederholungen von Cage-Auftritten.

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Tipp Nummer zwei: Kill your Darlings. In diesem Fall trenne dich von allem, was RENFIELD angeblich mit Leben in dieser Untoten-Geschichte füllen soll. Sorry Awkwafina, sorry Ben Schwartz, ihr bringt die Geschichte nicht weiter, könnt mit den anderen nicht mithalten, selbst wenn ihr euch noch so viel Mühe gebt. Die Mafia-Obermutter Bellafrancesca mit übermenschlichen Kräften und vielleicht einer Liebschaft zum dunklen Grafen, das wäre ein Gegner gewesen. Aber RENFLIELD vergisst sich in belanglosen Nebenrollen.

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Tipp Nummer drei: Kenne deine Zielgruppe. Okay, junge Leute mit Lust auf Unterhaltung sind im Fokus der Werbekampagne von RENFIELD. Die größte Gruppe bei den Kinokartenkäufern sollte also von ihnen vertreten sein. Die sitzt aber lieber auf der Couch und schaut Serien. Nicolas Cage (geb. 1964) ist fast so alt wie deren Großeltern und Nicholas Hoult verkommt leider zu einem zweiten Ryan Reynolds, nur eben nicht im Direct-to-Stream Business. Es spricht alles dafür sich a) an die treuen Cage-Fans zu wenden und b) die Retroschiene zu fahren. Passt beides übrigens hervorragend zusammen *hust* MANDY. Das bedeutet jedoch, sich von digitalen Effekten zu trennen und wieder selbst die rote Farbe anzurühren. Die Reklame über der New-Orleans-Bar sollte man auch selber bauen, Handwerker erfahren gerade ohnehin ein Gesellschafts-Comeback.

© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.

Fazit

RENFIELD ist weder Blut noch Knochen. Für einen Cage-Film reichen seine wenigen Auftritte aus, aber seien wir ehrlich, die Latte im Cage-Sub-Genre liegt nicht hoch. Auch wenn bei der Horrorkomödie selten Langeweile aufkommt, fragt man sich permanent, was hätte besser laufen können. Die Antwort kommt in Form des Abspanns, wenn Momente aus dem Film im Grindhouse-Look und dem dröhnenden Sound von Marco Beltrami eine düstere Stimmung verbreiten. Aber dann ist es bereits zu spät für Kreativität.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewRenfield (2023)
Poster
ReleaseKinostart: 25.05.2023
RegisseurChris McKay
Trailer
BesetzungNicholas Hoult (Renfield)
Nicolas Cage (Graf Dracula)
Awkwafina (Rebecca Quincy)
Ben Schwartz (Tedward „Teddy“ Lobo)
Adrian Martinez (Chris Marcos)
Shohreh Aghdashloo (Bellafrancesca)
James Moses Black (Captain J. Browning)
Caroline Williams (Vanessa)
Brandon Scott Jones (Mark)
DrehbuchRyan Ridley
KameraMitchell Amundsen
MusikMarco Beltrami
SchnittRyan Folsey
Giancarlo Ganziano
Mako Kamitsuna
Filmlänge94 Minuten
FSKab 16 Jahren

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