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Rattennest (Kiss Me Deadly, 1955) – Filmkritik

„Keine gute Zeit für Schnüffler“

KISS ME DEADLY lebt dabei neben seinen großartigen Darstellern auch von dem wendungsreichen Skript, weshalb dieser Text bewusst etwas kürzer ausfällt. Bereits hier sei gesagt: Dieser „Bastard Noir“ gehört in jede gut sortierte Heimkinosammlung!

RATTENNEST (1955)
© Koch Films

„Der klassische Film noir […] kommt hier zu seinem diabolischen End- und Höhepunkt.“, wussten Frank Schnelle und Andreas Thiemann einst über Orson Welles TOUCH OF EVIL zu sagen. Sicher eine berechtigte Feststellung, aber eigentlich müsste man diese filmhistorische Leistung Robert Aldrich 1955 erschiene Mickey-Spillaine-Adaption KISS ME DEADLY (zu Deutsch: RATTENNEST) zuschreiben.

© Koch Films

In vielen der Standard-Kanon-Nachschlagewerken fehlt die idiosynkratische Noir-Dekonstruktion und zumindest die Uni Hamburg übersieht diese gerne in ihren Filmseminaren. Dank der Veröffentlichung von Koch Films kann aber nun eine schmerzende Bildungslücke geschlossen werden.

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Mike Hammer (Ralph Meeker) zählt zur untersten Garde der Privatschnüffler, ein bedroom dick. Spezialisiert hat er sich darauf, untreue Ehefrauen in flagranti zu erwischen, daraufhin einen Deal mit besagter Dame auszuhandeln und wiederum dem Ehemann aufzulauern, auf das dieser sich in seitensprüngige Abgründe begeben würde. Dank seiner bildschönen Sekretärin Velda (Maxine Cooper) kann man das außereheliche Techtelmechtel natürlich auch mal elegant provozieren.

RATTENNEST (1955)
© Koch Films

Als eines nachts die mysteriöse Christina (Cloris Leachman) buchstäblich in Hammers Auto springt, nur um zehn Minuten später vor dessen Augen kaltblütig ermordet zu werden, hat das Hau-Drauf-Männchen einen neuen Fall.

Antiheld

Die Blu-ray von Koch Films

Nein, ein Charmeur à la Humphrey Bogart ist Mike Hammer mitnichten. Der Schnüffler, von der Statur eines Kneipenschlägers, ist mindestens so brutal und niederträchtig wie die Gangster, die er verfolgt. Kämpfe mit den bad guys sind (nicht nur für die 1950er-Jahre) dreckig und roh. Wozu unnötige Fragen stellen, wenn man das Gegenüber durch Zerbrechen einer wertvollen Schallplatte so einschüchtern kann, dass es einem per Monolog alle wichtigen Informationen zukommen lassen wird? Das Lösen eines Falles wird zur beinahe krankhaften Sucht, die Hammer entgegen aller Rationalitäten vorantreibt. Wir kennen das noch aus den Artusromanen: Ohne aventiure (also Quest) kann der Ritter nicht existieren und genauso verhält es sich mit unseren Trenchcoat tragenden Noir-Nacht-Schwärmern.

RATTENNEST (1955)
© Koch Films

Regisseur Aldrich legt hier den Grundstein für den Dekonstruktivismus von ALPHAVILLE (1965) oder den New-Wave-Vibe eines BLADE RUNNER (1982). Denn am Ende ist nicht der Mensch die größte Bedrohung, sondern, nein, das wäre zu viel verraten. Trotzdem soll erwähnt werden, dass das finale Bild von RATTENNEST sicherlich zu dem Abgründigsten und Bösesten zählt, was das Kino jemals hervorgebracht hat. Und das 1955, um es nochmals zu betonen.

© Koch Films

Fazit

Die Indie-Produktion RATTENNEST macht das Beste aus ihrem geringen Budget und erschafft bis heute faszinierende Effekte und clevere Tricks in der Bildsprache. Da gehört der verkehrt herumlaufende Vorspann noch zu den gemäßigteren Stilmitteln. Seiner Zeit meilenweit voraus, hat nun jeder (von über 18 Jahren) die Möglichkeit, wie ein kleines Kind wieder staunend vor dem Fernseher zu sitzen, begeistert ob der Möglichkeiten, die das Kino bietet.

© Fynn

Titel, Cast und CrewRattennest (1955)
OT: Kiss Me Deadly
Poster
Releaseab dem 13.02.2020 auf Blu-ray erhältlich

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RegisseurRobert Aldrich
Trailer
BesetzungRalph Meeker (Mike Hammer)
Albert Dekker (Dr. G.E. Soberin)
Paul Stewart (Carl Evello)
Juano Hernandez (Eddie Yeager)
Wesley Addy (Lt. Pat Murphy)
Marian Carr (Friday)
Marjorie Bennett (Manager)
Mort Marshall (Ray Diker)
Fortunio Bonanova (Carmen Trivago)
Strother Martin (Harvey Wallace)
DrehbuchA.I. Bezzerides
BuchvorlageNach dem Roman RHAPSODIE IN BLEI von Mickey Spillanes
KameraErnest Laszlo
FilmmusikFrank De Vol
SchnittMichael Luciano
Filmlänge105 Minuten
FSKab 18 Jahren

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