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Pinocchio (2019) – Filmkritik

Ein Märchen, das jeder kennt. Ein Junge, dem das Lügen schwerfällt oder sagen wir mal dem das Lügen ins Gesicht geschrieben steht. PINOCCHIO ist aber vielmehr als die elterliche Ermahnung immer die Wahrheit zu sagen. Der italienische Roman „Die Abenteuer des Pinocchio“ von Carlo Collodi basiert auf seiner Fortsetzungsgeschichte „Le Avventure Di Pinocchio: Storia Di Un Burattino“, die bereits 1881 in einer italienischen Wochenzeitung erschien. Die Nase, die beim Lügen immer länger wurde, ist nur eines der vielen Abenteuer des kleinen Hampelmanns. Es ist die Reise eines Jungen durch die teils grausame Welt der Erwachsenen, wo nur die Fantasie in Form von Elfen und Magie Hilfe schenkt. Pinocchio will ein echter Junge werden, aber das ist an so viele Regeln und Gebote gebunden, dass es nicht leicht ist, wie das Erwachsenwerden selbst. Dem Märchen sind unzählige künstlerische Interpretationen widerfahren, als Bilderbuch, Theaterstück, Hörspiel, Zeichentrick und auch als Literaturverfilmung. 2019 war es so weit und Italien brachte die visuell wohl beeindruckendste und romantreuste Umsetzung in die Kinos: PINOCCHIO von Matteo Garrone.

© Capelight Pictures

Handlung

Der Tischler Gepetto (Roberto Benigni) lebt in Armut. Seine Kleidung scheint nur noch eine dünne, löchrige Haut zu sein, die kaum Wärme spendet. Mit etwas Glück bekommt er immer wieder am warmen Kaminfeuer der Dorfschenke ein kleine Schale Suppe. Als ein Marionettentheater die heruntergekommene Stadt besucht, kommt ihm die Idee sich selbst eine Holzpuppe zu schnitzen, um nicht mehr so allein zu sein. In sein Meisterstück verliebt er sich sofort und verbreitet im Ort die frohe Kunde, Vater geworden zu sein. Die Holzpuppe wird lebendig und Gepetto tauft sie auf den Namen Pinocchio (Federico Ielapi). Nachdem der frisch getaufte Vater beinahe sein letztes Hemd für eine Schulfibel hergegeben hat, kann Pinocchio in die Schule. Doch das Marionettentheater um die Ecke ist für den unerfahrenen Jungen interessanter. Die Fibel wird gegen das Eintrittsgeld eingetauscht und die Abenteuerreise quer durch Italien beginnt. Gute wie auch schlechte Wesen kreuzen seinen Weg. In der echten Welt lernt man doch mehr als in der Schule.

PINOCCHIO (2019)
© Capelight Pictures

Nur in Begleitung der Eltern

Vor allem als Erwachsener ist man immer wieder erschrocken wie grausam alte Märchen sein können. Es werden Wölfen die Bäuche aufgeschlitzt, kleine Mädchen setzen sich vor Kälte selbst in Brand, Jungs werden in der Mühle geschrotet und von Enten gefressen. Da ist der Tod der Eltern in modernen Kindergeschichten wie KÖNIG DER LÖWEN oder BAMBI geradezu leichte Kost. PINOCCHIO steht in seiner Härte den Erzählungen der Brüder Grimm, Hans Christian Andersen und Co. um nichts nach. Das Leben im 19. Jahrhundert war sehr schwer, verbarg viele Gefahren und war meist ein kurzes. Deswegen war es zwingend notwendig den Kindern mit Hilfe der Geschichten Lehren zu erteilen und die grausamen Konsequenzen bei Ungehorsam aufzuzeigen.

© Capelight Pictures

PINOCCHIO gelingt eine ganz besondere Balance. Auf der einen Seite ist die Inszenierung technisch und visuell auf dem hohen Stand der aktuellen Filmtechnik. Allein das Holzgesicht Pinocchios ist unglaublich realitätsnah designt. Es wird sogar im Verlauf älter, durch Risse im Holz und kleine Kratzer. Auf der anderen Seite konzentriert sich die Handlung nah an der Originalgeschichte mit ihren dunklen Gefahren. Zum Beispiel brennen Pinocchio gleich zu Filmbeginn die Füße ab, weil er am Herd einschläft. Von Bösewichten wird er sogar mit einer Schlinge um den Hals an einem Baum aufgehängt. Deswegen sei in unserer behüteten westlichen Welt der Hinweis gegeben, dass die Altersfreigabe ab 6 Jahren unbedingt von den Eltern abgeschätzt werden sollte.

© Capelight Pictures

Malerisch verbunden

Das größte Problem von PINOCCHIO kann man nicht den Filmemachern ankreiden, sondern der Geschichte. Der Hauptfigur fehlt es an Sympathie. Was sich als schwierig herausstellt, da das hölzerne Gesicht kaum über Mimik verfügt. Die kindlichen, echten Augen des jungen Darstellers Federico Ielapi strahlen eine ganz besondere Unschuld aus, aber das ist für ein Mitfühlen des Zuschauers zu wenig. Auch das Verhalten ist das eines unerzogenen, naiven Jungen. Dem Film und seinen Beteiligten gelingt es jedoch, ganz feinfühlig, uns diesen Holzkopf ans Herz zu legen. Immer wieder blitzen kleine Momente der Freude auf, zusammen mit der kindlichen Fee (Alida Baldari Calabria) oder mit dem Feuerfresser/Mangiafuoco (Gigi Proietti). Am Ende freut man sich nur noch für das schöne Leben von Vater und Sohn in ihrem einfachen neuen Zuhause.

PINOCCHIO (2019)
© Capelight Pictures

Wem eine Verbindung zu den Figuren nicht gelingen will oder wer mit der vollumfänglichen italienischen Art, die im Film integriert ist, nichts anfangen kann, den werden die Bilder und Geschichten begeistern. Regisseur Matteo Garrone (DAS MÄRCHEN DER MÄRCHEN, GOMORRAH) und Kameramann Nicolai Brüel gelingt eine symbiotische Melange aus Malerei, Fotografie und Strukturen-Kollage. Die feinen Muster von Stoffen, Steinen und Hölzern bekommt im visuellen Spielraum ein besonderes Gewicht. Noch in einem Moment extrem scharfe Strukturen der Natur und im nächsten Moment spielen Lichter und Unschärfen in den malerischen Totalen. So machen Märchen-Realverfilmungen Spaß. Hinzu kommen die schönen Masken, Kostüme und Requisiten. Es wird eine fast vergessene und arme Zeit Italiens auf die Leinwand gezaubert, wo hinter jeder Ecke ein neues Fantasieabenteuer lauert oder zwei Betrüger namens Fuchs/Volpe (Massimo Ceccherini) und Kater/Gatto (Rocco Papaleo).

© Capelight Pictures

Mediabook

Zur Weihnachtszeit 2019 erschien PINOCCHIO in den italienischen Kinos und 2020 war der Film in Deutschland auf der Berlinale zu sehen. Leider traf die Neuverfilmung auf gemischte Kritiken und so verschwand der Film im unruhigen Kinojahr 2020 in der Versenkung. Capelight Pictures macht Weihnachten 2020 ein bisschen besser und veröffentlicht PINOCCHIO auf Blu-ray und DVD sowie in zwei Mediabook-Versionen (UHD und Blu-ray).

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Für Märchenliebhaber geht die Empfehlung zum liebevoll gestalteten Mediabook. Das Cover ist perfekt ausgesucht und der in Goldfolie geprägte Titel verleiht Weihnachtszauber. Ein Making-of und Trailer sind bei den Extras zu finden. Ein 60-seitiges Booklet bringt leider wenig gehaltvollen Text, aber dafür jede Menge Artworks. Vor allem die Szenenmalereien am Ende sind wirklich ein Genuss. Eine starke Veröffentlichung, die hoffentlich bei vielen Familienabenden und Märchenfans den Weg auf den Fernseher finden wird.

PINOCCHIO (2019)
© Capelight Pictures

Fazit

PINOCCHIO ist bildgewaltig von Anfang bis Ende und wem die Sympathie zur Hauptfigur abhandenkommt, der kann sich an vielen Geschichten rund um den hölzernen Jungen in der Welt Italiens erfreuen, wo die Wunder noch hinter Olivenbäumen zu finden waren. Es ist wahrlich bis dato die beste und romantreuste Umsetzung. Außerdem ist Roberto Benigni in der Rolle des Gepetto viel stimmiger als noch in seiner eigenen Verfilmung von 2002, wo er sogar in die Rolle der Holzpuppe schlüpfte. Man darf gespannt sein, was Guillermo del Toro mit seinem Netflix-Animationsfilm PINOCCHIO (2021) aus den facettenreichen Abenteuern einer Holzpuppe, machen wird. Düster wird es auf jeden Fall.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewPinocchio (2019)
Poster
RegisseurMatteo Garrone
Releaseab dem 16.10.2020 im UHD- und Blu-ray-Mediabook sowie auf Blu-ray und DVD

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Trailer
BesetzungFederico Ielapi (Pinocchio)
Roberto Benigni (Geppetto)
Rocco Papaleo (Kater/Gatto)
Massimo Ceccherini (Fuchs/Volpe)
Marine Vacth (Fee/Fata Turchina)
Gigi Proietti (Feuerfresser/Mangiafuoco)
DrehbuchMatteo Garrone
Massimo Ceccherini
KameraNicolai Brüel
FilmmusikDario Marianelli
SchnittMarco Spoletini
Filmlänge124 Minuten
FSKab 6 Jahren

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