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Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse (2022) – Filmkritik

„Harry Potter und die Postmoderne“

„Zurück zur Magie“ steht auf den Plakaten von PHANTASTISCHE TIERWESEN: DUMBLEDORES GEHEIMNISSE, und grundsätzlich kann man den Macher:innen hinter dem dritten Teil der HARRY-POTTER Spin-Off/Prequels/Corporate-Fan-Fictions attestieren, dass hier einiges an Kurs-Korrektur ob der deutlich hinter den (Fan)Erwartungen gebliebenen ersten beiden Teilen betrieben wurde. PT 3 reiht sich damit ein, in eine Reihe von filmischen Texten, deren prominentester Vertreter wohl der Snyder-Cut von JUSTICE LEAGUE sein dürfte, die vielleicht als soziokulturelle Produkte interessanter sind als primäre filmische Genüsse. Das Canceling Rowlings verbannte sie nahezu komplett aus dem paratextuellen Marketing, „Warner Bros. lädt uns nun ein“, wieder ein, in die Wizarding World zurückzukehren und der für sein Chargieren kritisierte Johnny Depp gab den Zauberhut ab und würde als Schurke Grindelwald durch den dänischen Superstar Mads Mikkelsen ersetzt. Doch kehrt in der dritten Installation der magischen Pokémon-Jagd tatsächlich wieder die Magie der alten Harry-Potter-Filme ein?

© 2022 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved. Wizarding World™ Publishing Rights © J.K. Rowling WIZARDING WORLD and all related characters and elements are trademarks of and © Warner Bros. Entertainment Inc. Photo Credit: Jaap Buitendijk

Die PHANTASTISCHE-TIERWESEN-Reihe steht symptomatisch für eine bedenkliche Entwicklung im Hollywood-Blockbuster. YouTube Essayist Nerdwriter1 diagnostizierte vor fünf Jahren anhand des Releases von SPECTRE die Intertextualität als „Hollywood’s new currency“ (Hollywoods neue Währung). Die Enttarnung des von Christoph Waltz verkörperten Franz Oberhauser als Ernst Stavro Blofeld ist für Fans der Bond-Filme eine atemberaubende Enthüllung, aber letztendlich ein leeres Zeichen, dass nur noch auf sich selbst verweist. Man spart sich eine sorgfältige Figurenkonstellation, indem man die Zuschauer:innen mit ihrem popkulturellen Wissen über ein beliebiges Franchise emotionale Arbeit per Assoziation leisten lässt, die in der reinen Historie gar nicht gegeben ist. Bemühte sich der erste Teil der PT-Reihe noch um das Etablieren einer halbwegs eigenen diegetischen Welt, die nur in ihrer Konstruktion auf den größeren Bruder Harry Potter verwies, war der zweite Teil ohne Kenntnis des Harry-Potter-Kosmos kaum verständlich und man entblödete sich auch nicht, einen ähnlichen signifié/signifiant Twist zu vollziehen wie in SPECTRE.

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Natürlich existiert auch DUMBLEDORS GEHEIMNISSE in letzter Instanz nur, um den Harry-Potter-Mythos am Laufen zu halten und mit der Versprechung auf die Rückbesinnung zur Magie eben jene retrospektiv zu verklären (Können Filme wirklich magisch sein?).  Aber immerhin gelingt es in der dritten Installation zumindest, eine halbwegs motivierte Geschichte zu erzählen. Grindelwald (Mads Mikkelsen) schart munter Anhänger:innen um sich. Albus Dumbledore ahnt die drohende Gefahr von Seiten des charismatischen Schweizers, mit dem ihm eine Jugendfreundschaft (oder Liebe?) verbindet und gründet eine Widerstandsbewegung. Mithilfe des etwas fahrigen Biologen Newt Scamander (Eddie Redmayne), seiner Assistentin Bunty (Victoria Yeates), dem Muggel Jacob (Dan Fogler), Lehrerin Professor Hicks (Jessica Williams) und Auror Theseus (Callum Turner) plant man, Grindelwald gehörig die Ernte zu verhageln.

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Mindestens sechs Hauptfiguren, alleine auf der ‚guten Seite‘ und dazu noch mindestens 3 auf der Seite des Bösen, da braucht es wahnsinnigen Skill von Seiten der Drehbuchautorin, um nicht den Film in vollkommenen Kuddelmuddel enden zu lassen (GRINDELWALDS VERBRECHEN, hust, hust). Sich vom simplen Gut/Böse Schema der HP-Reihe zu verschieben und den Versuch zu tätigen, komplexere Figuren in einer sich selbst zerreibenden Welt zu präsentieren, klingt auf dem Papier erstmal gut, führten in der Realität aber zu zwei arg unfokussierten Filmen, die Belanglosigkeit an Belanglosigkeit reihten. Es ist dem dritten Teil zumindest anzurechnen, dass er zum ersten Mal in der Reihe die Motivationen seiner Figuren klar benennt und man als Zuschauer:innen grundsätzlich versteht, warum unsere Figuren gerade tun, was sie so tun. Dennoch will sich nie ein konkreter Sehfluss beim Schauen von DUMBLEDORES GEHEIMNISSE einstellen. Zu sehr reiht man Set Pieces an Set Pieces, die in ihrer Konstruktion recht arbiträr wirken und füllt die amtlichen 142 Minuten allzu häufig mit leeren Referenzen an die Harry-Potter-Filme. Das tragischste Beispiel dafür ist der titelgebende Dumbledore selbst. Es wäre natürlich eine Möglichkeit gewesen, die vor allem in den HEILIGTÜMERN DES TODES ambivalent angekratzte Biografie von Hogwarts beliebtesten Schulleiter zu erzählen. Rowlings Drehbuch beschränkt sich jedoch darauf, nur die den Buchleser:innen bereits bekannten Ereignisse per Dialogform zu referenzieren. Natürlich, Buchleser:innen wissen, wer sich hinter dem Namen Ariana Dumbledore verbindet, aber ihre Nennung und die Erläuterung ihres Todes in diesem Film sind eben kein ‚netter Fan-Service‘, sondern ein peinliches Emotions- und Kontextplacebo.

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DUMBLEDORES GEHEIMNISSE reiht sich damit ein, in die endlose Epidemie an postmodernen Filmen, die mit ihren leeren Zeichen nur noch auf sich selbst verweisen, keine eigene Geschichte erzählen wollen (oder können), sondern stattdessen Nostalgie gezielt Produktisieren und die Zuschauer:innen den Drehbuchautor:innen per Assoziation die Arbeit abnehmen. Und das ist furchtbar Schade. Denn diese absolut zynische und kapitalistische Grunddisposition verhindert, die positiven Aspekte von DUMBLEDORES GEHEIMNISSE würdigen zu können. Da wäre die natürliche Gravitas, die Mads Mikkelsen verströmt. Eine interessante Actionszene zur Halbzeit des Filmes erinnert in ihrer Konstruktion an alte Abenteuerstoffe. Die grundsätzliche Idee, Grindelwalds versuchte Machtergreifung mit der echtweltlichen Machtergreifung zu Parallelisieren, ist in der Konstruktion gelungen, wird im Film schlussendlich aber nicht deutlich genug genutzt.

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PHANTASTISCHE TIERWESEN: DUMBLEDORES GEHEIMNISSE ist nicht der schlimmste Produktfilm, der nur existiert, um seinen eigenen Mythos am Leben zu halten. Schlussendlich sind es aber über zwei Stunden aktives Nichts, das da über die Leinwand in glatten Digitalbildern flimmert. Dieser Film hat keine Relevanz, keine Agenda, nichts Forderndes. So machen Filme keinen Spaß mehr. Nur der Niffler ist süß. Da sollte man sich vielleicht ein Merchandise-Produkt aus dem Shop der Wizarding World zulegen.

© Fynn

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Titel, Cast und CrewPhantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse (2022)
OT: Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore
Poster
RegieDavid Yates
ReleaseKinostart: 07.04.2022

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Trailer
BesetzungJude Law (Albus Dumbledore)
Eddie Redmayne (Newt Scamander)
Ezra Miller (Credence Barebone / Aurelius Dumbledore)
Mads Mikkelsen (Gellert Grindelwald)
Alison Sudol (Queenie Goldstein)
Dan Fogler (Jacob Kowalski)
Fiona Glascott (Minerva McGonagall)
Callum Turner (Theseus Scamander)
Victoria Yeates (Bunty)
Poppy Corby-Tuech (Vinda Rosier)
Jessica Williams (Eulalie Hicks)
Richard Coyle (Aberforth Dumbledore)
Valerie Pachner (Henrietta Fischer)
Oliver Masucci (Anton Vogel)
Hebe Beardsall (Ariana Dumbledore)
DrehbuchJ.K. Rowling
FilmmusikJames Newton Howard
KameraGeorge Richmond
SchnittMark Day
Filmlänge142 Minuten
FSKAb 12 Jahren

2 Gedanken zu „Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse (2022) – Filmkritik“

  1. Wäre es zu viel verlangt gewesen, die handelnden Protagonisten richtig zu benennen?
    Tina ist nicht an der aktiven Handlung beteiligt, Queenie zudem in Grindelwalds Entourage.
    Lally und Bunty kehrst du dafür untern Tisch (obwohl sie im Screenshot zu sehen sind).

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