Auch Japan konnte in den 1960er Jahren New Wave bzw. Nouvelle Vague. Die Stilrichtung, die ihren Ursprung in Frankreich fand, zeichnet sich durch die Freiheit aus, Autoren zu ignorieren. Die Bildästhetik wird zum Erzähler der Geschichte, meist mit für die damalige Zeit ungewöhnlichen Mitteln wie Handkamera, Jump-Cuts und asynchroner Schuss-Gegenschuss-Montage bei Dialogszenen. PALE FLOWER nutzt das beliebteste japanische Subgenre, den Yakuza-Film, als cineastische Leinwand für die internationalen New-Wave-Bewegung. Dennoch ist PALE FLOWER von der erzählerischen Perspektive viel zugänglicher als es die wichtigen Vertreter der Bewegung wie AUSSER ATEM (1960) oder LETZTES JAHR IN MARIENBAD (1961) sind. Das liegt vor allem am Protagnisten und Lieblingsfigur des Genres: Dem Yakuza, der im Zwiespalt aus Pflichterfüllung und Liebe lebt. Er entscheidet sich auch hier für die Loyalität, jedoch war die Alternative nicht gerade ungefährlich.
Handlung
Muraki (Ryô Ikebe) kommt nach drei Jahren Haft wieder aus dem Gefängnis. Seine Strafe für Mord hat er abgesessen. Doch einmal Yakuza, immer Yakuza. Die Situation in seinem Clan hat sich seit seiner Zeit geändert. Es herrscht Waffenstillstand zwischen den befeindeten Gruppen und für Muraki bedeutet es nicht viel zu tun. Auch beim Zusammentreffen mit seiner Geliebten merkt man bereits, Muraki ist noch nicht richtig in der Freiheit angekommen. Die Metropole Tokio hat sich in einen pulsierenden Ort entwickelt. Für Ablenkung sorgt das Glücksspiel. In Räumen mit Männern aus allen Gehaltsklassen fällt eine Dame besonders auf: die junge Saeko (Mariko Kaga). Keiner weiß, woher sie stammt, wer sie ist und vor allem, woher sie die hohen Einsätze hat, die sie aggressiv ausspielt. Sie fragt Muraki, ob er ein Lokal kennt, wo man um noch mehr Geld spielen kann. Sie lernen sich in den langen Nächten besser kennen und Muraki stellt schnell fest, dass Saeko nicht nur ein Suchtproblem hat.
Aber auch Film noir
Neben den New-Wave-Elementen ist PALE FLOWER auch ein bisschen Film noir. Saeko als Femme fatale verdreht dem Protagonisten den Kopf und verströmt Gefahr. Nicht nur ihr Hang zum Tod ist Muraki nach einer wilden Autofahrt klar, sondern auch ihr Verlangen nach Adrenalin. Sie scheint aus gutem Hause zu sein. Die Oberklasse ist ihr augenscheinlich zu langweilig und so sucht sie Leidenschaft im Glücksspiel wie auch im Experimentieren mit Drogen. In ihrem Schatten lebt der zwiespältige Yoh (Takashi Fujiki), der vom Drogenkonsum gezeichnet ist und Muraki zu töten versucht.
Einen großen Plot, wer der Mörder ist wie auch einen Konflikt aus Verbrechern und Gesetzeshütern spart sich Regisseur Masahiro Shinoda aus. Für ihn zählt die ausweglose Situation des Protagonisten. Neben der jungen Saeko heftet sich auch der junge Yakuza-Schüler Reiji (Shin’ichirô Mikami) an seine Fersen. Noch zu Beginn will er Muraki aus Rache töten, stellt sich jedoch nach dem Scheitern des Attentats, und einem Finger weniger, in den Dienst von Muraki. Saeko und Reiji symbolisieren die nächste Generation. Muraki kann ihnen wenig helfen, einzig mit Kontakten und einem Anzug hilft er ihnen aus. Als er auch selbst begreift, wie wenig er hier ausrichten kann und die beiden jungen Menschen vor dem Abstieg bewahren kann, kommt ihm der nächste Auftragsmord gelegen. Jetzt kann er sich wieder ins Gefängnis zurückziehen, wo er erfährt, dass es nicht gut für seine Schützlinge ausgegangen ist.
Fazit
PALE FLOWER sollte man nicht nur als japanophiler Filmfan gesehen haben. Auch wenn die Handlung keiner extremen Spannung folgt, sind die klaren, künstlerischen Schwarz-Weiß-Bilder und die atmosphärische Inszenierung wegweisend und heute noch inspirierend.
// PALE FLOWER ist 2024 in Deutschland im Doppel-Pack mit DEMON POND (1979), ebenfalls von Masahiro Shinoda, auf Blu-ray vom Label Rapid Eye Movies erschienen.
Titel, Cast und Crew | Pale Flower (1964) OT: Kawaita hana |
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Poster | |
Release | seit dem 06.06.2024 auf Blu-ray erhältlich. Direkt beim Label bestellen. |
Regie | Masahiro Shinoda |
Trailer | |
Besetzung | Ryô Ikebe (Muraki) Mariko Kaga (Saeko) Takashi Fujiki (Yoh) Naoki Sugiura (Yasuoka) Seiji Miyaguchi (Gangsterboss) |
Drehbuch | Masaru Baba Masahiro Shinoda |
Kamera | Masao Kosugi |
Musik | Yûji Takahashi Tôru Takemitsu |
Schnitt | Yoshi Sugihara |
Filmlänge | 96 Minuten |
FSK | ab 12 Jahren |
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter