Vor acht Jahren begann die Reise mit dem Yakuza Ôtomo durch die Verbrecherwelt Japans. Er war ein loyales Mitglied, hatte seine Untertanen, aber auch seine Verpflichtungen dem Clan-Oberhaupt Tokyos – dem Kaichu – gegenüber. Ôtomo wollte sich nie in der Hierarchie nach oben kämpfen, aber er ließ sich ungern auf der Nase herumtanzen. Das wurde auch zum Verhängnis für die selbsternannten Strippenzieher des organisierten Verbrechens und unsere Hauptfigur der OUTRAGE-Trilogie teilt aus, steckt ein, schießt um sich, wird angeschossen, hält seinen Brüdern die Treue und nimmt gnadenlose Rache an seinen Peinigern. Das Interessante an dieser Filmfigur ist, dass dieser moderne Samurai sich nie in den Vordergrund der Filmreihe spielt. Er schwebt immer in den Gedanken der Zuschauer und materialisiert sich erst dann, wenn er die intriganten Pläne der Konkurrenten zerstört.
OUTRAGE CODA ist nun das langerwartete Finale, welches leider nicht ganz die Erwartungen an einen gelungenen Schlusspunkt der Yakuza-Geschichte erfüllen kann.
Handlung „Outrage Coda“
Nach OUTRAGE BEYOND werden die Strukturen des Yakuza-Clans in Tokyo wieder neu geordnet. Der Hanabishi-Sanno-Clan hat einen neuen Kaichu vor die Nase gesetzt bekommen. Dieser ist nicht einmal ein Yakuza, der sich jahrelang hochgearbeitet hat, sondern war vorher Aktienhändler und ist nur durch eine Heirat an diese wertvolle Position gekommen. Er soll sogar nicht einmal tätowiert sein, ein Skandal. Außerdem schraubt er an alten Traditionen und wir wissen bereits nach den zwei Vorgängerfilmen: Das mögen die alten Yakuza gar nicht.
Ôtomo (Beat Takeshi) hat es dank der Hilfe seines einflussreichen Freundes Chan (Tokio Kaneda) nach Korea in die Isolation geschafft und befehligt dort eine Truppe koreanischer Ganoven, die vielleicht nicht besonders clever, ihm aber treu ergeben sind. Als in einem Hotel ein Freier beginnt Prostituierte, die unter dem Schutz Ôtomos stehen, zu schlagen, stellt sich dieser als Yakuza aus der alten Heimat heraus. Er zahlt sein Strafgeld für die „Beschädigung der Ware“ nicht und lässt sogar einen koreanischen Bruder als Warnung am Strand abstechen. Hamada, so heißt jener Freier mit masochistischen Vorlieben, hat durch dieses unüberlegte Handeln einen Konflikt zwischen „Herrn Chan“ und dem Clan Tokyos ins Rollen gebracht, den – zum Glück für uns Kitano-Fans – Ôtomo ordentlich aufpolieren wird.
Das Neue gegen das Alte
OUTRAGE CODA folgt einem ähnlichen Pfad wie sein Vorgängerfilm, denn auch hier kämpfen aktuelle Einflüsse mit den altehrwürdigen Traditionen der Yakuza. Dies personifiziert sich vor allem in der Figur von Hanada (Pierre Taki), der durch sein Verhalten in Korea den Krieg erst auslöst. Er handelt nicht nur mit Frauen als Prostituierte, sondern auch mit der Droge Chrystal Meth. Der Drogenhandel ist nicht gern in den Yakuza-Traditionen gesehen. Sie verdienen ihr Geld eher mit Erpressungen und Schutzgeldern. Hanada wird als starker Gegner Ôtomos eingeführt, kriecht aber leider den Rest des Films auf Knien vor den Vorgesetzten. Das ist sehr schade, weil hier der „junge Wilde“ gleich zu Beginn den trägen, alten Bossen Platz macht. Da fehlt die Spannung zwischen dem Alten und Neuen.
Gleiches wird durch den neuen Hanabishi-Clan Boss, dem ehemaligen Aktienhändler, aufgegriffen. Aber auch ihm fehlt jedes Charisma und sein Vorstand kann die einfachsten Intrigen direkt vor seinen Augen einfädeln. Durch dessen Kleidung mit vielen bunten Polo-Shirts erkennt man, dass Kitano ihn nicht als starken Gegner im Film haben wollte und er eher als Witzfigur anzusehen ist. Die wahren Kontrahenten sind nämlich die beiden Helfer des Osaka-Clans, die am Ende von OUTRAGE BEYOND Tokyo übernommen haben: Nishino (Toshiyuki Nishida) und Nakata (Sansei Shiomi). Wer bei den vielen Akteuren nicht durchblickt, hat dieses Mal leider nicht die Chance sich mit dem Booklet des Mediabooks von Capelight zu behelfen. Wir empfehlen euch hierzu die Asian-Wiki-Seite von OUTRAGE CODA.
Finale mit Abzügen
Sicherlich waren die Erwartungen nach dem spannenden zweiten Teil der OUTRAGE-Trilogie an ein spektakuläres Finale sehr hoch. Aber man hätte es bei Kitano ahnen müssen: Man bekommt nie das, was man erwartet. Dies ist aber auch der besondere Reiz seine Regiearbeiten. Nichtsdestotrotz kann man CODA starke Spannungslücken unterstellen. Wo die Teile vorher immer noch mit Szenen aufwarten konnten, die völlig überraschend waren, weil die Charaktere auf einmal ein Eigenleben entwickelten und sich nicht mehr an übliche Geschichtskonventionen hielten, lässt der dritte Teil solche unerwarteten Momente vermissen.
Die fünf Jahre, die vor OUTRAGE CODA vergangen sind, kann man auch in den Gesichtern der Schauspieler sehen, das gibt diesem Epos etwas Authentisches. Die Hoffnung auf einen starken Detectiv Shigeta (Yutaka Matsushige) in dieser Geschichte konnten leider nicht erfüllt werden. Er bleibt eine Nebenfigur und muss aufgeben, weil er gegen dieses Syndikat nicht ankommt. Ganz stark wird jedoch noch einmal die Rolle von Mr. Chan (Tokio Kaneda) ausgespielt. Äußerlich wirkt er vielleicht wie ein uralter Schlagersänger mit seinen gefärbten Haaren und reduzierten Gesten, aber seine Art Dinge zu regeln ist in dieser Kriecher-Gesellschaft ein Fels der Aufrichtigkeit. Nicht ohne Grund ist „Herr Chan“ auch Ôtomos Boss.
Das Mediabook von Capelight
Die Aufmachung dieses Releases bleibt seinen Vorgängern optisch treu. Jedoch gibt es dieses Mal einen umfangreichen Text zur Filmgeschichte der Yakuza von dem Journalisten Daniel Wagner. Der Text ist auf jeden Fall lesenswert, aber dennoch ist die fehlende Charakter-Übersicht, wie bei den beiden Mediabooks vorher sehr schade. Es gibt keine Extras zum Film auf der Blu-ray, was sehr schwach ist. Der Eindruck, dass der Produktionsfirma Office Kitano ein bisschen zum Ende der Filmreihe die Luft ausgegangen ist, spiegelt sich auch hier wieder. Aber man sollte dennoch zum Mediabook greifen, denn es gibt den in Deutschland noch nie veröffentlichten Film GETTING ANY? (1994) auf Blu-ray als dickes Extra. Diese schräge Komödie handelt von Asso (Beat Takeshi), der im erwachsenen Alter endlich mal Sex haben will. Der Film in OmU ist von und mit Takeshi Kitano und zeigt seine Talente als Komiker. Hier geht es zur Review von GETTING ANY? im Zuge des #Japanuary.
Fazit
OUTRAGE CODA wird den eigenen Erwartungen nicht gerecht, vor allem das Ende lässt den Kitano-Fan etwas enttäuscht allein zurück. Wenn man jedoch darüber nachdenkt, macht dieses Ende umso mehr Sinn, denn Kitano wollte sicher eine Idolbildung von Ôtomo vermeiden. Durch dieses Finale erkennt man auch, dass sich Ôtomo als einziger Yakuza in der kompletten OUTRAGE-Trilogie treu geblieben ist. Kitano-Fans sollten versuchen zu den Mediabooks zu greifen. Filmliebhaber von Yakuza-Streifen und Werken aus Japan können die neu erschienene Trilogie-Box von capelight für einen schmalen Euro bedenkenlos in den Einkaufswagen packen.
Das Beitragsbild wurde im SAKE KONTOR, Berlins Adresse Nr. 1, wenn um Sake geht, aufgenommen. Abgebildet ist eine 15 Jahre alte Flasche OIGAME -> hier geht es zum Online-Shop des SAKE KONTORS
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter
Die wechselnden Intrigen in der zweiten Hälfte sind etwas ermüdend, aber ich fand es schon mutig von Kitano, hier eine reinrassige Yakuza-Satire abzuliefern. Hatte der zweite Teil schon einige parodistische Ansätze, überzeichnete er hier die Figuren maßlos, und Hanada ist sogar das Comic-Relief, der als Spielball der Alteingesessenen für einen (lustigen) Running Gag herhalten muss. Und wie schon im ersten Film, verschwindet Kitanos Otomo selbst nach dem starken Anfang für gut eine Stunde von der Bildfläche, bzw. verweilt in Südkorea, während sich die Geschichte komplett in Japan abspielt. Ich habe mich köstlich amüsiert, auch wenn der Film ziemlich an meinen Erwartungen vorbei ging.