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Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)

„Bushranger-Punkrock“

Berühmten Verbrechern gelingt manchmal der Sprung zum historischen Idol. Jesse James war nicht nur ein bewaffneter Zugräuber, sondern auch ein Revolverheld, Bonnie und Clyde schafften es sogar in die Boulevardblätter, weil sie einander so liebten und Klaus Störtebeker galt als gefürchteter Pirat der Ost- und Nordsee, aber auch als gern gesehener Gast in den Hafenschenken. In diesen Gesetzlosen vereint sich der Wunsch der armen Bevölkerung, ihrer reichen Obrigkeit ein paar Goldtaler zu stehlen. Der Weg dieser Idole war nicht nur mit Leichen gepflastert, sondern auch mit Charisma. Immer wieder werden solche passionierten Verbrecher in der öffentlichen Meinung zu einer Art Robin Hood erhoben. In ihrer Differenziertheit, Kämpfer für den einfachen Bürger auf der einen Seite und Gesetzesbrecher auf der anderen, sind sie geradezu prädestiniert für Filme, die ihre Lebensgeschichte abbilden. Edward „Ned“ Kelly war Ende des 19. Jahrhunderts in Australien Revolutionär und Polizistenmörder zu gleichen Teilen. Der australische Regisseur Justin Kurzel versucht mit OUTLAWS – DIE WAHRE GESCHICHTE DER KELLY GANG tief in die Psyche dieses Unruhestifters in der entfernten Kolonie des vereinten Königreichs zu blicken, visuell kreativ, wie auch hochkarätig besetzt.

Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)
Ned Kelly (George MacKay) // © Koch Films

Handlung

Der 12-jährige Ned Kelly (Orlando Schwerdt) lebt zusammen mit seiner Mutter Ellen (Essie Davis) und seinen vier Geschwistern in einer Blechhütte im australischen Glenrowan. Eine Gegend mit toten Bäumen und kaum einem grünen Grashalm am Boden. Der Vater ist ein Trunkenbold und landet wegen Viehdiebstahl im Knast, wo er stirbt. Die Mutter versucht die Familie mit Freiern und etwas Schnapsbrennen durchzubringen. In Sohn Ned steckt sie ihre größten Hoffnungen, die Familie einmal zu ernähren, aber zu ihren Bedingungen. Sie verkauft ihn an den Dieb Harry Powers (Russell Crowe) zur „Weiterbildung“. Hier lernt er, was es bedeutet in dieser von den Briten unterdrückten Welt zu bestehen. Sergeant O’Neil (Charlie Hunnam) bekommt den jungen 14-jährigen Ned zu fassen und wirft ihn erstmal über Jahre ins Gefängnis.

Sergeant O’Neil (Charlie Hunnam) // © Koch Films

Die Zeit vergeht und der nun erwachsene Ned Kelly (George MacKay) verdient sich in blutigen Boxkämpfen für die reiche Oberschicht sein Geld. Er lernt den Polizisten Constable Fitzpatrick (Nicholas Hoult) kennen, der aber eine fadenscheinige Beziehung zu ihm pflegt und es auf Neds minderjährige Schwester abgesehen hat. Immer wieder gerät Ned in die Fänge seiner Mutter, die ihr grausames psychisches Spiel mit ihm treibt. Ein Mörder und Revolutionär ist geboren.

Ned Kelly (George MacKay) // © Koch Films

Historie oder Interpretation?

Viele Biopics entscheiden sich meist für einen Weg: Entweder sie versuchen möglichst authentisch das Leben der portraitierten Figur nachzustellen oder es werden fiktionale Geschichten um sie herum erdacht. Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile, können aber sicherlich nie die Historie perfekt abbilden. OUTLAWS – DIE WAHRE GESCHICHTE DER KELLY GANG geht zusammen mit Regisseur Justin Kurzel (MACBETH, ASSASSIN‘S CREED) einen eher künstlerischen, emotionalen Weg. Fast schon wie Tagebucheinträge springt die Handlung immer ein paar Szenen weiter. Fließende Übergänge gibt es kaum und das Gefühl für Zeit geht verloren, eine Punkrock-Inszenierung.

Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)
© Koch Films

Immer wieder tauchen symbolträchtige Einstellungen auf, die in dieser unbekannten Landschaft ein Gefühl von Fremde vermitteln. Dieser Teil gehört in unsere Welt, ist aber gänzlich anders. Es ergeht uns wie auch Ned Kelly als Sohn verschleppter irischer Sträflinge, der auf australischem Land geboren ist und zu einem Leben am gesellschaftlichen Bodensatz verdammt ist. Visuell ist DIE WAHRE GESCHICHTE DER KELLY GANG, dank Kameramann Ari Wegner (LADY MACBETH), fast schon poetisch bebildert. Leider wird der Zuschauer immer wieder hinter eine künstliche, unruhige Handkamera geführt, die einem die Rastlosigkeit dieser Bande vermittelt, aber leider auch extrem anstrengend für die häuslichen Sehgewohnheiten ist.

Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)
Sergeant O’Neil (Charlie Hunnam) // © Koch Films

Besetzung

Man muss 40 Minuten auf George MacKay (1917, CAPTAIN FANTASTIC) warten, aber bis dahin erfüllt der junge Orlando Schwerdt seine Aufgabe spielerisch. Zwischen Mutterliebe, Rebellentum und Zerbrechlichkeit bringt er seine Szenen mühelos zum Leben. Charlie Hunnam (KING ARTHUR, THE GENTLEMEN) zeigt souverän seine Nebenrolle als Polizist und Russel Crowe (GLADIATOR, A BEAUTIFUL MIND) erscheint nur kurz, aber dafür umso bedrohlicher. In seinem massigen Gärtner-Outfit und mit freundlich verquerem Lächeln ist er wie eine Schlange, die nur darauf wartet zuzuschlagen. Ein grandioser Auftritt, aber viel zu kurz, um mit Zitaten über ihn das Blu-ray-Cover zu schmücken.

Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)
Harry Powers (Russell Crowe) // © Koch Films

Geroge MacKay fordert sich selbst für die Rolle des Ned Kelly alles ab, körperlich und mimisch. Sein unschuldiges Gesicht zeigt immer noch den Jungen in ihm, der nur seiner Mutter imponieren will. Er bringt aber auch eine glaubhafte Intelligenz in die Rolle, denn Kelly war vielleicht ungebildet, aber er wusste eine treue Anhängerschaft um sich zu binden, sowie schriftstellerische Qualitäten zu zeigen.

Outlaws – Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)
Constable Fitzpatrick (Nicholas Hoult) // © Koch Films

Familienbande, Frauenkleider und Panzerschiffe

Der Eindruck entsteht, dass in diesen 125 Filmminuten viel gezeigt werden will, aber wenig fokussiert ist. Der Einfluss der verrückten Mutter auf ihren Sohn ist unumstritten erkennbar, aber die sexuell offene Darstellung mit dem Tragen von Frauenkleidern, einem Nicholas Hoult, der alles bespringen will und eine leichte gleichgeschlechtliche Beziehung innerhalb der Bande von Herumtreibern mag vielleicht historische Fakten haben, wirkt aber hier eher wie Fremdkörper. Viel besser wäre eine Konzentration im Drehbuch darauf, wie Ned Kelly endgültig zum Mörder wird, obwohl er sich vorher noch so vehement dagegen gewehrt hat. Mit einmal kippt OUTLAWS – DIE WAHRE GESCHICHTE DER KELLY GANG um, sie ermorden Polizisten und scheinen völlig von Sinnen. Als sogenannte Bushranger wurden früher entflohene Sträflinge in Australien bezeichnet. Ein fließender Übergang von einem Bushranger zur permanenten Zeitungsschlagzeile und gesuchtesten Mann Australiens ist nicht zu erkennen. Auf einmal scheint die Kelly-Gang zu einer wirren britischen Punkrockband geworden zu sein, die von Revolution spricht, wobei Ned eigentlich nur seine Mutter aus dem Gefängnis befreien will. Dieser Blitzwandel hat dennoch seine intensive Seite, denn jetzt ist es rebellisch, heroisch und umso grausamer.

© Koch Films

Eine schöne Metapher sind auch die vielen Panzerungen im Film, symbolisch für die verborgene Persönlichkeit Kellys. Zuerst lebt er noch in einem Haus aus dunklem Blech, was kaum Fenster hat. Dann zieht er mit Harry Powers in dessen Festung: ein stählerner Bunker mit Schießscharten umringt von einem feuchten Schneefeld. Zum Ende fasziniert Ned ein schwimmendes Panzerschiff: Constable Fitzpatrick hat gerahmte Baupläne der USS Monitor in seinem Esszimmer hängen. Ned stellt sich vor, wie er damit, vor Kugeln sicher und mit enormer Feuerkraft, seine Mutter aus dem Gefängnis befreit. Zum Finale wird er selbst zum Panzer. Er und seine Armee lassen sich Rüstungen aus Blechen von Pflügen bauen, um kugelsicher zu werden.

© Koch Films

Fazit

Schon einige Filme haben sich am Mythos Edward „Ned“ Kelly versucht, aber in OUTLAWS – DIE WAHRE GESCHICHTE DER KELLY GANG steckt mehr als man zu Beginn zu sehen glaubt. Wenn die langwierigen, familiären Dramen und die Psychomutter im Mittelteil überstanden sind, sieht man den ganzen Wahn, den diese Person befallen hat. Diese elektrisierende Irrfahrt eines Rebellen und Verbrechers, der gerade einmal 25 Jahre alt wurde, ist vor allem seinem Hauptdarsteller George MacKay zu verdanken.

 

Trivia: Die Geschichte um Ned Kelly wurde bereits mehrfach verfilmt:

  • 1906 und sogar der erste Langfilm der Filmgeschichte: der 70-minütige DIE GESCHICHTE DER KELLY-BANDE. Heute existieren leider nur 17 Minuten des ursprünglichen Films.
  • NED KELLY aus dem Jahr 1970 mit Mick Jagger in der Hauptrolle.
  • GESETZLOS – DIE GESCHICHTE DES NED KELLY (2003) mit Heath Ledger, Orlando Bloom und Naomi Watts prominent besetzt.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewOutlaws - Die wahre Geschichte der Kelly Gang (2019)
OT: True History of the Kelly Gang
Poster
Releaseab dem 20.08.2020 auf Blu-ray und DVD erhältlich.

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RegisseurJustin Kurzel
Trailer
BesetzungGeorge MacKay (Ned Kelly)
Ben Corbett (Red Kelly)
Orlando Schwerdt (junge Ned Kelly)
Charlie Hunnam (Sgt O'Neil)
Russell Crowe (Harry Power)
Nicholas Hoult (Constable Fitzpatrick)
Essie Davis (Ellen Kelly)
Thomasin McKenzie (Mary Hearn)
DrehbuchShaun Grant
Buchvorlagebasiert auf dem Roman "Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang" von Peter Carey
KameraAri Wegner
FilmmusikJed Kurzel
SchnittNick Fenton
Filmlänge125 Minuten
FSKab 16 Jahren

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