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Nur Vampire Küssen blutig (1971)

Nur Vampire küssen blutig (1971) – Filmkritik

Ein Blick hinter die Kulissen

Jimmy Sangster, Drehbuchautor der ersten Stunde bei Hammer, durfte Anfang der 1970er einige Male den Platz in der Mitte, den Regieposten, übernehmen. Von ihm stammten solch legendäre Drehbücher zu Filmen wie FRANKENSTEINS FLUCH (THE CURSE OF FRANKENSTEIN, 1957), DRACULA (1958), DRACULA UND SEINE BRÄUTE (THE BRIDES OF DRACULA, 1960) oder auch DER SATAN MIT DEN LANGEN WIMPERN (NIGHTMARE, 1964). Seine Feuertaufe als Regisseur feierte er mit FRANKENSTEINS SCHRECKEN (THE HORROR OF FRANKENSTEIN, 1970). Etwas später bekam er eine weitere Gelegenheit beim Thriller NACHTS KOMMT DIE ANGST (FEAR IN THE NIGHT, 1972), was auch mit zu seinen besten Arbeiten in dieser Funktion zählen dürfte. Eigentlich war schon Terence Fisher für die Regie bei NUR VAMPIRE KÜSSEN BLUTIG gesetzt, doch er musste kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen. Sangster war noch in der Nachbearbeitung von FRANKENSTEINS FLUCH, als man ihm den Job anbot und er ohne lange zu überlegen zusagte. Allerdings gab es bei seinem neuen Projekt einen großen Unterschied zu seiner vorherigen Arbeit: Sonst hatte er die komplette Kontrolle über alle relevanten Aspekte des Films gehabt, bei NUR VAMPIRE KÜSSEN BLUTIG musste er mit dem arbeiten, was schon vorhanden war. Die Riege der Schauspieler stand fest und auch das Skript hatte das Produktionsstudio in Stein gemeißelt, welches Sangster jedoch in keiner Weise zusagte, aber aus Kostengründen nicht mehr zu ändern war. Somit blieb ihm nichts anderes übrig, als das Beste aus der Sache zu machen und das merkt man dem Film zu jeder Zeit auch an.

Nur Vampire Küssen blutig (1971)
© Studiocanal

Inhalt

Österreich 1830, der Schriftsteller Richard Lestrange (Michael Johnson) erreicht bei seinen Reisen durchs Land ein Mädcheninternat, das direkt neben dem sagenumwobenen Schloss Karnstein liegt. Fasziniert von dem Schloss und seinen Geschichten, aber noch mehr von den leicht bekleideten Damen des Internats, beschließt Lestrange sich dort als Lehrer zu bewerben. Zur gleichen Zeit trifft eine neue Schülerin ein, die bezaubernde Mircalla (Yutte Stensgaard), in die sich Lestrange Hals über Kopf verliebt. Kurz nach Mircallas Erscheinen beginnt eine Serie von mysteriösen Todesfällen in und um das alte Schloss. Der geheimnisvolle Giles Barton (Ralph Bates), der ebenfalls als Lehrer am Internat arbeitet, scheint der einzige zu sein, der wirklich weiß, wer oder was Mircalla in Wahrheit ist. Plötzlich verschwinden einige der Schülerinnen spurlos, lediglich die junge Lehrerin Janet Playfair (Suzanna Leigh) hat einen ersten Verdacht, doch niemand will ihr glauben, denn alle Anwesenden sind dem Zauber der mysteriösen Mircalla verfallen.

Nur Vampire Küssen blutig (1971)
© Studiocanal

Viel Sex und jede Menge Blut

Der stärkste Moment des Filmes ist gleich zu Beginn die Wiedererweckung von Carmilla. Mächtige Dekolletés und reichlich Blut sprengen förmlich den Bildschirm. Alle wichtigen Motive, die Hammer in den Jahren zuvor bekannt machten, vereint im Überfluss und großartigen Aufnahmen. Danach fällt die Story in eine Art Trance, um erst gegen Ende mit dem üblichen Mob aus dem Dorf wieder zu erwachen und grölend auf Vampir-Jagd zu gehen. Der Film ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Vor allem fehlt es an starken Charakteren: Zum einen haben wir keinen echten Bösewicht. Yutte Stensgaard ist zwar hübsch anzusehen, aber gegen eine Ingrid Pitt, die die Rolle der Carmilla im Vorgänger innehatte, kommt sie nicht an, oder besser gesagt, gibt ihre Rolle nicht mehr her. Die Femme fatale Ingrid Pitt lehnte zuvor in weißer Voraussicht die Rolle ab, weil sie der Meinung war, das Drehbuch sei nicht wirklich gut. Zum anderen fehlt der starke Gegenpol, der bei Hammer-Produktionen fast immer mit Peter Cushing besetzt worden ist. Weder der liebestrunkene Michael Johnson noch der durchgeknallte Ralph Bates schaffen es, glaubhafte Argumente dafür auf die Leinwand zu bringen.

Dazu kommt das durchwachsene Drehbuch von Tudor Gates und eine äußerst dünne Inszenierung von Jimmy Sangster, bei der man den Eindruck hat, dass es hauptsächlich darum ging, viel nackte Haut und lesbischen Vampir-Sex, der gerade im Kommen war, auf die Leinwand zu bringen. Apropos Peter Cushing, der war schon für NUR VAMPIRE KÜSSEN BLUTIG geplant, doch ebenso wie Fisher, musste auch er leider absagen. Der Gesundheitszustand seiner Frau war zu dieser Zeit schon sehr schlecht. Für ihn rückte darum kurzerhand Ralph Bates nach. NUR VAMPIRE KÜSSEN BLUTIG ist der zweite Teil und auch der schwächste, der Karnstein-Trilogie. Im ersten Teil GRUFT DER VAMPIRE (THE VAMPIRE LOVERS, 1970) führte Roy Ward Baker Regie, während im dritten Teil, DRACULAS HEXENJAGD (TWINS OF EVIL, 1971), John Hough den Posten übernahm.

Nur Vampire Küssen blutig (1971)
© Studiocanal

Die Darsteller

Der Engländer Ralph Bates sollte bei Hammer als Nachfolger der Ikonen Christopher Lee und Peter Cushing aufgebaut werden, um den Erfolg der Horror-Schmiede in der Zukunft mit einem bekannten und vor allem günstigeren Gesicht, zu sichern. Ein weiterer Hintergedanke war, mit Bates das jüngere Kinopublikum anzusprechen. Seinen ersten gelungenen Auftritt hatte er in WIE SCHMECKT DAS BLUT VON DRACULA (TASTE THE BLOOD OF DRACULA, 1970). Noch im selben Jahr bekam er die Hauptrolle in FRANKENSTEINS SCHRECKEN, der ein Neustart der Frankenstein-Reihe für Hammer sein sollte. Ein Jahr später drehte er den fantastischen DR. JEKYLL AND SISTER HYDE (DR. JEKYLL & SISTER HYDE, 1971) mit der bezaubernden Martine Beswick an seiner Seite. Noch ein Jahr später kam jedoch das plötzliche Ende seines Engagements bei Hammer mit dem Thriller NACHTS KOMMT DIE ANGST (FEAR IN THE NIGHT, 1972). Daraufhin arbeitete Bates hauptsächlich nur noch in diversen TV-Serien.

Die Engländerin Barbara Jefford kann ebenfalls auf eine lange Filmkarriere zurückblicken. Unter anderem spielte sie in HITLER – DIE LETZTEN ZEHN TAGE (HITLER: THE LAST TEN DAYS, 1973), THE SAINT – DER MANN OHNE NAMEN (1997) oder auch in Roman Polanskis DIE NEUN PFORTEN (THE NINTH GATE, 1999) mit. Die bezaubernde Suzanna Leigh hingegen hatte neben NUR VAMPIRE KÜSSEN BLUTIG noch einen weiteren Auftritt bei den Briten, und zwar in dem weniger bekannten BESTIEN LAUERN VOR CARACAS (THE LOST CONTINENT, 1968). Zwei Jahre zuvor war sie schon bei Hammers Konkurrenten Amicus vor der Kamera aktiv, in DIE TÖDLICHEN BIENEN (THE DEADLY BEES, 1966), bei dem ein weiteres bekanntes Gesicht aus dem Hause Hammer Regie führte: Kameramann Freddie Francis.

Nur Vampire Küssen blutig (1971)
© Studiocanal

Die Karriere der Dänin Yutte Stensgaard hingegen ist sehr überschaubar und ohne große Auffälligkeiten. Begonnen hatte alles 1968 und endete schon wieder 1972. Das Highlight in ihrer Laufbahn dürfte neben der einen Hammer-Produktion, ihr kleiner Auftritt bei Amicus gewesen sein. Dort spielte sie in DIE LEBENDEN LEICHEN DES DR. MABUSE (SCREAM AND SCREAM AGAIN, 1970) an der Seite der Horror-Stars Christopher Lee, Peter Cushing und Vincent Price. Das gleiche Schicksal ereilte Mike Raven, auch er hatte nur einige wenige Auftritte in seiner doch sehr kurzen Karriere. Zum einen bei Amicus in dem weniger bekannten I, MONSTER (1971) an der Seite von Christopher Lee und Peter Cushing. Im selben Jahr war er auch in dem billigen DER LEICHENGIESSER (CURCIBLE OF TERROR, 1971) zu sehen, und ein Jahr darauf in dem nicht wirklich besseren DAS MONSTER MIT DER TEUFELSKLAUE (DISCIPLE OF DEATH, 1972). Danach zog er sich komplett aus dem Filmgeschäft zurück.

Nur Vampire Küssen blutig (1971)
© Studiocanal

Exkurs: Der Untergang des Hauses Hammer

Zu den oben beschriebenen Schwierigkeiten, die Sangster bei der Arbeit an NUR VAMPIRE KÜSSEN BLUTIG vorfand, gesellten sich in dieser Zeit noch einige weitere für das komplette Studio hinzu. Ende der 1960er steckte Hammer in einer tiefen, schöpferischen Krise. Denn der kreative Kopf des Studios, Produzent Anthony Hinds, verließ Hammer 1968 und wollte sein Glück als Autor versuchen. Anthony Hinds ist der Sohn von Hammer-Mitbegründer William Hinds. In einem Interview erklärte Don Sharp die herausragende Stellung des Anthony Hinds mit folgenden Worten: „… andere Produzenten kamen, aber sie waren nur schlechte Kopien. Sie hatten einfach nicht die Inspiration, über die er verfügte. Für mich war Hinds Hammer.“ [1] Mit seinem Weggang hinterließ er eine gigantische Lücke. Dieser Verlust an Kreativität und Fantasie konnte bis zum endgültigen Ende des Studios nicht mehr komplett kompensiert werden. Ein weiterer Faktor war, dass die Budgets der Filme immer kleiner wurden, denn die zumeist amerikanischen Geldgeber waren nicht mehr so überzeugt von den Produkten aus Übersee. Für weiteren Druck in der Hammer-Führungsetage sorgte Anfang der 1970er das BBFC (Britisch Board of Film Censors), die ihre strengen Regeln für Gewalt und Sex auf der Leinwand lockerten. Das führte dazu, dass sich nun auch andere Studios mit diesen typischen Hammer-Motiven intensiv befassten. Also war bei den damals verantwortlichen Köpfen klar, dass sie etwas Neues brauchten, um wieder die Aufmerksamkeit des Publikums und der Kritiker zu erlangen.

Doch was? Neue Regisseure wurden engagiert, die ihre modernen Ideen und Ansichten gleich mitbrachten, leider nicht immer zum Vorteil für das angeschlagene Kult-Studio, ein gutes Beispiel hierfür liefert der missglückte DRACULA – NÄCHTE DES ENTSETZENS (SCARS OF DRACULA, 1970) ab. Der typisch gotische Horror der alten Klassiker war plötzlich zugunsten neuer moderner Motive und Monster verschwunden. Unter anderem wurde versucht Graf Dracula in die Neuzeit zu adaptieren mit DRACULA JAGT MINI-MÄDCHEN (DRACULA A.D. 1972, 1972), was jedoch an den Kinokassen zu einem mächtigen Flop wurde. Ein ähnliches Schicksal erleidet bekanntlich auch FRANKENSTEINS SCHRECKEN mit Ralph Bates. Die Kinobesucher waren verwirrt vom neuen Stil der Briten und wussten nicht so recht, was sie mit dieser modernen Aufmachung anfangen sollten. Erst mit Michael Carreras, der die Lücke besetzte, die Anthony Hinds hinterlassen hatte, kehrte eine spürbare Verbesserung zurück. Man blieb zwar dem neuen Gebot der Stunde – noch mehr Sex und Blut – treu, aber die Stories hatten, kurzfristig den Charme und die Klasse früherer Tage wiedergefunden. Das kreative Konzept bekam für kurze Zeit eine Richtung, wie auch die nächsten Filme eindrucksvoll bewiesen: DOKTOR JEKYLL &  SCHWESTER HYDE oder auch HÄNDE VOLLER BLUT (HANDS OF THE RIPPER, 1971). Aber wie gesagt, das war nur ein kurzes Aufflackern, denn wie man an der Dracula-Reihe sehen konnte, ging der Modernisierungsversuch nach hinten los. Beste Beispiele sind auch CAPTAIN KRONOS – VAMPIRJÄGER (CAPTAIN KRONOS – VAMPIRE HUNTER, 1974) oder auch die lauwarme Exorzisten-Kopie DIE BRAUT DES SATANS (TO THE DEVIL A DAUGHTER, 1976). Was bleibt, ist ein sichtbarer Bruch innerhalb der Filmografie, die das Ende des Studios schon vorwegnimmt. Die Qualität der legendären Klassiker, die das Studio so berühmt gemacht hatten, konnte nicht wiedergefunden werden. Auch blieb mit dem Modernisierungsversuch der Erfolg aus, oder man könnte auch sagen, er kam viel zu spät und war verknüpft mit schweren Fehlentscheidungen und den falschen Personen in der Chefetage.

Die Blu-ray

Nur Vampire Küssen blutig (1971)
Die Blu-ray von Studiocanal

Die Qualität der Digital-Remastered-Neuauflage von Studiocanal ist sehr gut. Bild und Ton können überzeugen. Es gibt einige Landschaftsaufnahmen, wo ein leichtes Rauschen festzustellen ist. Ansonsten kann man den Transfer als gut bezeichnen. Der Kontrast, die Farbpalette wie auch der Ton, der in Dual Mono 2.0 auf der Scheibe vorliegt, sind gelungen und rechtfertigen einen Kauf, wie auch einen Neukauf als Ersatz für die alte DVD-Version. Als Extras gibt es einige sehr interessante Dokumentationen und Interviews: Strange Love: Hammerfilms in den 1970ern, Vom Drehbuch auf die Leinwand, Interview mit Judy Matheson und eine Bildergalerie.

Fazit

Was wäre wohl aus NUR VAMPIRE KÜSSEN BLUTIG geworden, wenn der eigentlich dafür vorgesehene Terence Fisher die Regie übernommen hätte und die Hammer-Recken Peter Cushing sowie Ingrid Pitt in ihren Paraderollen vor der Kamera stehen würden? So haben wir nur ein durchschnittliches Werk von Jimmy Sangster, welches lediglich mit nackter Haut und etwas Blut punkten kann. Das allein genügt jedoch nicht, um über die Laufzeit von 95 Minuten den Zuschauer zu unterhalten. Da haben die beiden anderen Teile der Trilogie GRUFT DER VAMPIRE und DRACULAS HEXENJAGD weitaus mehr zu bieten.

© Stefan F.

[1] Osteried, Peter: „The Hammer Chronicles“, MPW Filmbibliothek, 2006, ISBN 978-3-931608-74-3

Titel, Cast und CrewNur Vampire küssen blutig (1971)
OT: Lust For A Vampire
Poster
Releaseab dem 24.10.2019 auf Blu-ray und DVD

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RegisseurJimmy Sangster
Trailer
BesetzungBarbara Jefford (Countess Herritzen)
Ralph Bates (Giles Barton)
Suzanna Leigh (Janet Playfair)
Yutte Stensgaard (Mircalla / Carmilla Karnstein)
Michael Johnson (Richard Lestrange)
Mike Raven (Count Karnstein)
DrehbuchTudor Gates
KameraDavid Muir
MusikHarry Robertson
SchnittSpencer Reeve
Filmlänge95 Minuten
FSKab 16 Jahren

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