Wie soll man mit dem Thema Krieg in Filmen umgehen? Verharmlosend, radikal und ehrlich, humoristisch, oder angstverbreitend? Wie sehr geht man inhaltlich in die Tiefe? Und wie sehr lässt man den Zuschauer mitleiden? Regisseur Danis Tanović entschied sich in seinem Film NO MAN’S LAND von 2001 für eine Kriegssatire.
Inhalt
Hintergrund der Story ist der Krieg in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Jugoslawienkriege Anfang der 1990er. In einem Schützengraben zwischen den Fronten, im sogenannten „Niemandsland“, treffen 1993 zwei Menschen aufeinander: Ciki (Branko Đurić) und Nino (Rene Bitorajac). Der eine ist Serbe, der andere Bosnier. Die Feindschaft zwischen den beiden Soldaten ist sofort spürbar. Allerdings erschießen sie einander nicht, denn noch eine dritte Person spielt eine entscheidende Rolle. Zwischen den beiden liegt ein verletzter bosnischer Soldat (Filip Šovagović) auf einer Springmine, die explodiert, sobald dieser sich von der Mine entfernt. Weder Ciki noch Nino sind im Stande, die Bombe zu entschärfen. Um ihre jeweiligen Lager auf die aussichtslose Situation aufmerksam zu machen und Hilfe zu bekommen, ziehen sie sich bis auf die Unterhosen aus und wedeln mit weißen Unterhemden. Einige Männer der UN-Friedenstruppen werden daraufhin in den Schützengraben geschickt. Entgegen deren Vorschriften versucht Marchand (Georges Siatidis), jemanden zu organisieren, der die Mine entschärfen kann. Schließlich bekommen auch noch die lokalen Fernsehsender von der Dilemmasituation mit und berichten live aus dem Kriegsgebiet.
Die Welt ist ein Minenfeld
Die Eröffnungsszene begrüßt uns mit blau-schummrigem Licht: Die Kamera muss sich die freie Sicht erst noch erobern. Sanfte Musik führt zu einer Gruppe von Soldaten hin, bis sich das Bild klärt. Diese Musik wird in Erinnerung bleiben, denn sie ist eine der wenigen melodischen Hintergrunduntermalungen, die NO MAN’S LAND uns bietet. Die Akustik besteht neben wenigen Gesprächen vor allem aus Stille und wird komplettiert von Fliegen-, Grillen- oder gedämpften Panzergeräuschen. Ebenso vorsichtig erobert sich der Zuschauer die Handlung: Mit langsamen Kamerafahrten und weiten Landschaftsaufnahmen durchtastet er das Minenfeld als hätte er Angst, selbst eine auszulösen. Regisseur Danis Tanović skizziert ganz behutsam den Kriegsalltag – so authentisch, dass man sich sogar als Zuschauer kaum noch traut, zu atmen. Jederzeit könnte eine Mine hochgehen oder eine Schießerei beginnen. Was als stilistisches Mittel zur Einführung in die Handlung so gut geeignet ist, verändert sich aber leider den ganzen Film über nicht: Sowohl Hintergrundmusik als auch Ort des Geschehens weisen wenige Variationen auf.
Bei NO MAN’S LAND handelt es sich um das erste Regiewerk des Bosniers Danis Tanović. Er schrieb zudem das Drehbuch und komponierte auch die Filmmusik. Die Charaktere sind zurückhaltend gezeichnet. Mit dem Bosnier Ciki und dem Serben Nino treffen zwei Welten aufeinander: Ciki tritt mit verblichenem Rolling-Stones-Shirt, zernarbtem Gesicht, einfachen Chucks und immer einer Zigarette im Mund auf – Rein vom Aussehen würde man ihn eher für einen Rockstar halten. Er stellt den erfahrenen und unerschrockenen Veteranen dar und versucht, seinem auf der Mine liegenden Kameraden in dessen misslicher Situation so gut es geht beizustehen. Dabei lehnt er jede Hilfe seines Gegners Nino ab: Für ihn ist klar, dass er mit dem Serben nicht mehr Kontakt haben wird als unbedingt für die Rettung seines Freundes nötig. Bei dem viel jüngeren Nino sieht das anders aus: Mit Glatze und ca. 20 Jahren mimt er den Kriegsneuling mit weißer Weste. Er versucht nicht nur, zwischen Ciki und den UN-Truppen zu vermitteln, sondern auch, etwas mehr über den Bosnier zu erfahren. Der Gedanke, dass die beiden verfeindet sind, ist noch nicht sehr in Nino verankert. Für ihn sind Ciki und er nicht Gegner, sondern einfach zwei Fremde, die sich nun gemeinsam eine Lösung für die Mine einfallen lassen müssen.
Fazit
Nach einem starken Anfang verläuft der Film irgendwie im Sande. Über die nur grob skizzierten Charaktere erfährt man wenig. Der Großteil der Handlung spielt sich im Schützengraben ab und ist daher zu einseitig. Fehlende inhaltliche Wendungen sowie die verhaltene Filmmusik sorgen dafür, dass die 98 Minuten Spielzeit sehr lang für den Zuschauer werden. Die Idee, eine Dilemmasituation im Schützengraben abzubilden, um die Absurdität des Krieges aufzuzeigen, ist ungewöhnlich. Aber die zurückhaltende Umsetzung lässt NO MAN’S LAND eher zu einem Film für nebenbei werden und das darf es bei dieser Thematik nicht sein.
© Maxi