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No Man of God (2021) – Filmkritik

Distanz zu anderen Menschen kann manchmal schwierig werden. Fremde Leute kriechen haarscharf am Bahnsteig an einem vorbei, in einem leeren Kinosaal setzten sich die Zuspätkommer direkt hinter einen oder der Sitznachbar im Wartezimmer hat ordentlich Knoblauch gegessen. Alles nichts im Vergleich zu diesem Mann, mit dem sie nicht in einem Zimmer sitzen wollen, selbst wenn es im Gefängnis ist und er sogar Hand und Fußfesseln trägt: Ted Bundy. Serienmörder von mindesten 30 Frauen in den 1960er bis in die 1970er Jahren. Er tötete brutal junge, schöne Frauen, die meist naiv auf den gutaussehenden Gentleman zugingen, der zur Täuschung um Hilfe bat. Ted Bundy ist der erste prominente Serienmörder nicht nur für die Medien, sondern auch für das damalige FBI, welche den Begriff des Profiling prägte. Um in den irren Kopf eines solchen Geistes vorzudringen, muss man erst einmal besagten Raum mit ihm teilen, stundenlange Gespräche führen und vielleicht so etwas wie sein Freund werden, damit er sich einem anvertraut. FBI-Analyst Bill Hagmaier hat das getan und NO MAN OF GOD erzählt davon.

© Capelight Pictures

Handlung

1984, Ted Bundy (Luke Kirby) sitzt bereits im Hochsicherheitsgefängnis und kämpft sich von einem Berufungsverfahren ins nächste. Da er wegen vielen Morden in unterschiedlichen Bundesstaaten verurteilt wurde oder sogar noch gegen ihn ermittelt wird, wird sich seine Hinrichtung noch bis ins Jahr 1989 hinziehen. Bill Hagmeier (Elijah Wood), der einer der ersten Analysten einer völlig neuen Abteilung im FBI ist, befragt verurteilte Serienkiller, um zu verstehen, wie sie denken. Die Informationen sollen helfen bessere Profile für die Ermittlung gesuchter Mörder zu entwickeln. Bill ist der Einzige, der sich an Ted Bundy heranwagt, der als schwierig gilt. Bundy redet ohne Zweifel gern mit anderen, vor allem über sich selbst und hat sogar einen Bestseller im Hochsicherheitstrakt geschrieben, aber vom FBI hält er Abstand. Dennoch, Bill Hagmaier gelingt es erst über Briefe und dann über viele intensive Gespräche zu Bundys Persönlichkeit durchzudringen. Es ist jedoch die Frage, ob man das ohne psychologische Schäden überstehen kann.

© Capelight Pictures

Von Angesicht zu Angesicht

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Fans des Serienkiller-Genres können sicher ohne Probleme eine Handvoll Verfilmungen zu Ted Bundy bzw. fiktionale Geschichte, die von Taten Bundys inspiriert wurden, aufzählen. Allein der Schreiber dieser Zeilen, kam in diesem Jahr an zwei sehr sehenswerten Produktionen nicht vorbei: Einmal die von Netflix produzierte Mini-Serie CONVERSATIONS WITH A KILLER: THE TED BUNDY TAPES (2019) und den fiktiven Spielfilm mit Fokus auf Bundy‘s Verlobte Liz EXTREMELY WICKED, SHOCKINGLY EVIL AND VILE (2019), beide von Joe Berlinger. Aber NO MAN OF GOD ist wesentlich anders, denn es ist eher ein Kammerspiel, in dem sich zwei verschiedene Männer versuchen miteinander abzugleichen. Wie viel steckt von dem einen in dem anderen? Und das gänzlich ohne die Darstellung der Morde, der Detektivarbeit oder dem Medienrummel.

Aleksa Palladino als Bundy’s Anwältin Carolyn Lieberman // © Capelight Pictures

Elijah Wood ist sehr nah am echten Bill Hamaier dran, der übrigens den Film als Produzent begleitet und erstmalig einem Filmteam Zugang zu seinen über 200 Stunden Aufnahmen gewährte. Hamaier ist gottesgläubig, unauffällig im Auftreten und nimmt sich in den Gesprächen zurück. Er ködert Bundy – übrigens die beliebte Metapher in diesem Film: das Angeln – mit der Andeutung eines Schülers vom Meister zu lernen. Wie ist es Bundy gelungen so lang unentdeckt zu bleiben? Wie ist es möglich solch grauenhaften Taten zu begehen? Hamaier sagt auch zu Filmbeginn etwas sehr Einprägsames, er müssen ja nicht schlauer als Bundy sein, um ihn zu verstehen.

Robert Patrick als FBI-Agent Roger Depue // © Capelight Pictures

Die Inszenierung

NO MAN OF GOD umfasst vier Kapitel, die nach Jahren unterteilt sind: 1984, 1986, 1987 und 1989. Aus dem Kennenlernen, wird eine Zusammenarbeit an anderen ungelösten Fällen bis hin zum privaten Gespräch über die eigenen Kinder. Regisseurin Amber Sealey gelingt es, den eintönigen Ort des Gefängnisses verschwinden zu lassen und das Bild für die hervorragende Schauspielleistung freizugeben. Luke Kirby hat dank der vielen Aufnahmen des echten Bundy jede kleinste Nuance in seiner Mimik und Gestik verinnerlicht. Selbst das schüchtern wirkende Kopfschieflegen, um dann verschmitzt zu lächeln – wohl Bundys Vorstellung von Charme – geht Luke Kirby in Fleisch und Blut über.

© Capelight Pictures

Aber auch Elijah Wood bekommt den feinfühligen Ton Haimeiers hin, ohne aufgesetzt zu wirken. Zum Finale kippt der Film etwas, da es mit den Geständnissen schnell gehen soll, die Hinrichtung in wenigen Tagen ist und Bundy eine Mischung aus Medienrummel und juristischer Hoffnung entstehen lässt. Hier will der Film etwas zu sehr gefallen und künstlich auf Tempo setzen. Für jemanden, der die Todesstrafe ablehnt und mit Religion nichts anfangen kann, wird das Ende eine reine Beobachtung und kein Erleben sein.

© Capelight Pictures

Fazit

NO MAN OF GOD ist ein guter Film geworden, der sich nicht nur einfach in der langen Vita der Ted-Bundy-Verfilmungen einreiht. Zwei auf den Punkt spielende Schauspieler zeigen, was es bedeutet ein Kammerspiel an sich zu reißen, so dass man förmlich an ihren Lippen hängt. Bei jedem Satz glaubt man zu wissen, was sie denken. Eine Masterclass in Schauspiel auf bekanntem Terrain.

© Christoph Müller

Titel, Cast und CrewTed Bundy: No Man of God (2021)
OT: No Man of God
Poster
Releaseab dem 03.12.2021 im Mediabook (Blu-ray + DVD) und auf Blu-ray bzw. DVD

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RegisseurAmber Sealey
Trailer
BesetzungElijah Wood (Bill Hagmaier)
Luke Kirby (Ted Bundy)
Aleksa Palladino (Carolyn Lieberman)
Robert Patrick (Roger Depue)
W. Earl Brown (Warden Wilkenson)
Gilbert Owuor (Paul Decker)
Christian Clemenson (Dr. James Dobson)
DrehbuchKit Lesser
KameraKarina Silva
MusikClarice Jensen
SchnittPatrick Nelson Barnes
Filmlänge100 Minuten
FSKab 16 Jahren

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