„Wer nicht spielt, kann nicht gewinnen“
Die Zeit der allgemeinen Poker-Euphorie ist vorbei. Dieses Glücksspiel, welches manche mit Strategie und viel Geduld in den Griff bekommen konnten, ist zu wenigen Onlineseiten zurückgekehrt und die Big Player treffen sich an unbekannten Orten und spielen um hohe Beiträge. Dass extrem reiche Menschen Interesse an diesem Spiel haben und gerne unter ihresgleichen gewinnen oder verlieren wollen, hat die scharfsinnige Molly Bloom erkannt. Sie veranstaltete VIP-Poker-Events mit hohen Einsätzen und Schauspielern wie, Leonardo di Caprio, Ben Affleck, Tobey Maguire oder Andy Beal. Die Mischung der Spieler aus Hedgefond-Managern, Celebreties und reich geborenen Teenagern ist für ihre Pokerrunden entscheidend und sorgt für jede Menge Poker-Action, das heißt ordentlich Geld im Pot. Molly leitet erfolgreich, gewerblich angemeldet und steuerzahlend, Veranstaltungen dieser Art in Los Angeles und New York. MOLLY’S GAME zeigt den Aufstieg und Fall dieser starken Unternehmerin.

© STX Entertainment
Ihre Geschichte wurde jetzt von dem ausgezeichneten Drehbuchautor Aaron Sorkin (MONEYBALL, STEVE JOBS) mit Jessica Chastain als Molly Bloom verfilmt. Idris Elba spielt ihren Anwalt und Kevin Coster den Vater von Bloom, der extremen Einfluss auf ihre Persönlichkeit und Entwicklung hatte. MOLLY’S GAME ist mit knapp 2,5 Stunden nicht gerade kurz gehalten. Die Handlung befasst sich zum größten Teil mit dem Aufbau ihres Geschäfts und den Gerichtsverhandlungen. An Mollys Pokertisch fand nämlich auch das organisierte Verbrechen einen Platz und das entging dem FBI nicht. Sie wurde mehrfach wegen Geldwäsche angeklagt.

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Vom Autor zum Regisseur
Aaron Sorkin hat es endlich von der Schreibmaschine in den Regiestuhl geschafft. Spannende Drehbücher mit der perfekten Balance zwischen Information und Unterhaltung von wahren Ereignissen hat er bereits geschrieben. Dies ist ihm auch wieder bei MOLLY’S GAME gelungen. Zusammen mit Jessica Chastain erschafft er ein starkes Frauenidol, das sich von Niederlagen nicht einschüchtern lässt. Chastain spielt diese Präsenz nicht nur im tiefausgeschnittenen Cocktailkleid hervorragend aus, sondern auch im verbeulten Hauspullover. Ihre Beziehungen oder sogar ihre sexuelle Orientierung bekommen in MOLLY’S GAME keine konkrete Aussage. Sie wird von der Männerwelt, dem FBI oder der Staatsanwaltschaft, ohne Diskretion danach gefragt, aber Molly schweigt hierbei ebenso wie über ihre Stamm-Poker-Spieler, um deren Privatleben zu schützen. Die Charakterisierung der Hauptfigur wird vielschichtig erläutert. Dass Persönlichkeiten mehr sind als das Ergebnis ihrer Erfahrungen zeigt Sorkins in diesem Film auf ganz hohem Niveau.

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Mit etwas Luft nach oben.
Was mich gestört hat, war die nüchterne Bildsprache. Es kam selten das Gefühl auf, dass es sich hierbei um einen Kinofilm handelt. Sicherlich lebt der Film von seinen anspruchsvollen Dialogen, aber mehr Geschichtenerzählung durch Bilder hätte das Filmerlebnis wesentlich aufgewertet. Es wird sogar eine Poker-Runde visuell so dargestellt, wie es bei einer Tunierübertragung der Fall ist. Dies ist vielleicht ein netter visueller Einfall, kratzt mir aber dann doch erheblich am Medium Film. Die Kamera verlässt leider kaum ihre TV-Optik und ein Bezug zum Dokumentarischen ist nicht auszumachen. Die Filmmusik von Daniel Pemberton half erheblich dabei, diesen Makel zu beseitigen. Er schafft es immer auf bemerkenswerte Weise, sich für jeden Film immer neu zu erfinden. Seine Scores zu STEVE JOBS und KING ARTHUR (2017) waren wichtige Grundpfeiler jener Filme.

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Fazit
MOLLY’S GAME ist ein cleveres Portrait einer starken und selbstsicheren Frau, weit ab vom Selbstinszenierungs-Zirkus. Die Thematiken spiegeln nicht nur den gewissenlosen Finanzmarkt wieder, sondern auch Möglichkeiten, die sich ergeben, wenn man nach vielen Stürzen wieder aufgestanden ist und sein Ziel weiter verfolgen. Bitte mehr Molly Blooms auf dieser Welt!
Chefredakteur
Kann bei ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT mitsprechen / Liebt das Kino, aber nicht die Gäste / Hat seinen moralischen Kompass von Jean-Luc Picard erhalten / Soundtracks auf Vinyl-Sammler / Stellt sich gern die Regale mit Filmen voll und rahmt nur noch seine Filmposter