Zum Inhalt springen

Mission: Impossible – Fallout (2018) | Filmkritik

„Nichts ist unmöglich“

Ein kompakter Abriss der M:I-Historie

Im letzten Jahr sprachen wir bei Deep Red Radio zu sämtlichen TV-Staffeln und Kinoablegern von MISSION: IMPOSSIBLE ein recht ausführliches und informatives Special ein, das gerne hier nachzuhören ist. Zusammengefasst bleibt zu erwähnen, dass KOBRA, ÜBERNEHMEN SIE – so die eigenartige Übersetzung ins Deutsche – als sehr erfolgreiche und in der ersten Hälfte auch hochqualitative TV-Serie mit insgesamt sieben Staffeln von 1966-1973 Fernsehgeschichte schrieb. Nachdem Steven Hill als Teamleader Dan Briggs nach der ersten Staffel die Show verlassen durfte, übernahm Peter Graves als Gruppenchef Jim Phelps die Verantwortung über das IMF, die Impossible Mission Force, wie die geheime Einsatztruppe heißt. An seiner Seite blieben bis zuletzt Greg Morris als Technikgenie Barney Collier und Peter Lupus als Kraftprotz Willy Armitage. Die sympathische Bande wurde bis zu gewissen Zeitpunkten bzw. dann ab späteren Staffeln durch weitere Charaktere ergänzt, die u.a. von folgenden bekannten Darstellerinnen und Darstellern verkörpert wurden: Martin Landau, Leonard Nimoy, Barbara Bain, Sam Elliot, Lynda Day George und Lesley Ann Warren. Als Gastrollen bzw. als Gegenspieler tauchten oft nur in einzelnen Episoden auf: John Vernon, Fritz Weaver, Kevin McCarthy, Christopher George, Barbara Rhoades, William Shatner, Anthony Zerbe, Steve Ihnat, Joanna Cassidy, Charles Napier, Sid Haig, Bradford Dillman… die Liste könnte man ewig fortführen.

Peter Graves  als James Phelps // © 1966 CBS Home Entertainment and Paramount Home Media Distribution

MISSION: IMPOSSIBLE machte Ende der Sechziger zwei Themen zum (Fernseh-)Programm, die zuvor die JAMES BOND-Reihe mit Sean Connery im Kino etabliert hatte: Exotismus und Kalter Krieg. Auf ihren „unmöglichen“ Missionen erlebt das Team des IMF allerhand Unberechenbares, ja Überwältigendes und machte sich die Tricktechniken, Maskeneffekte sowie den ultra-coolen Score von Lalo Schifrin (DIRTY HARRY, ENTER THE DRAGON) höchst publikumswirksam zu nutze. MISSION: IMPOSSIBLE war Popkultur und akrobatischer Jazz zugleich. Nicht zuletzt die wagemutigen Kameraperspektiven und unkonventionellen Montagemuster – häufig noch ohne viel Dialog – machten gerade die frühen Episoden zu hochkarätigen Kulturbeiträgen. Meine Lieblingsfolge bleibt Episode 3 der ersten Staffel, „Operation Rogosh“. Ein TV-Exemplar der besonders spannenden und zeitlosen Sorte, das in seiner Erzählstruktur mit den besten Spielfilmen seiner Zeit mithalten kann.

Als die damals letzte Staffel Nummero 7 im Jahr 1973 ihren Abschluss fand, bewegte sich die originale Serie kommerziell, vor allem aber auch künstlerisch in arg seichten Gefilden. Obskur, um nicht zu sagen peinlich-absurd gerieten viele der letzten Beiträge. Der positive Effekt war nach 170 Episoden sichtlich aufgebraucht. 1988 wagte man einen recht glaubwürdigen Neustart, ein Reboot in zwei Staffeln, das neben Peter Graves ein gänzlich neues, jüngeres Team versammelt. Der deutsche Titel wurde dieses Mal mit IN GEHEIMER MISSION übersetzt. Wenige Jahre später erschien dann auch schon Tom Cruise auf der Bildfläche, der nicht nur die Rechte am Namen und der Reihe erwarb, sondern sie mit jeweils sehr unterschiedlichen Einzelfilmen mehr als erfolgreich fürs internationale Kino salonfähig machte. Während Brian De Palmas furioser Erstling (1996) der bis heute klassischste und stilsicherste Teil der Reihe bleibt, wechselten sich im Laufe der nächsten zwanzig Jahre John Woo, J. J. Abrams, Brad Bird und Christopher McQuarrie als Regisseure ab. Einzig Letzterer, mit dem Tom Cruise in den letzten zehn Jahren ganze neun Projekte realisierte, durfte als erster einen zweiten Teil in Folge verantworten. Und J. J. Abrams’ Produktionsfirma Bad Robot bleibt seit seinem ersten Mitwirken an der Fortführung der Kinoreihe beteiligt.

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

FALLOUT als superbes Blockbuster-Kino

McQuarrie – Oscar für DIE ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN, Regie/Drehbuch bei THE WAY OF THE GUN – behält beim aktuellsten Eintrag ins Franchise seinen direkten, unmittelbaren Stil bei, den er bereits mit MISSION: IMPOSSIBLE – ROGUE NATION (2015) oder der vorherigen Cruise-Kollaboration JACK REACHER (2012) zur Reife gebracht hatte. Im Gegensatz zu J. J. Abrams’ fahrigem dritten Teil oder Brad Birds spektakulär-verspieltem GHOST PROTOCOL holt McQuarrie die überlebensgroßen Einsätze um Ethan Hunt und sein Team auf ein zutiefst menschliches Level zurück, ohne dabei zu verkopft oder zu ernst zu wirken, wie etwa die letzten beiden James Bond-Epen von Sam Mendes.

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Die Drehbücher der letzten beiden MISSIONEN sind die stringentesten, gelungensten, die es bisher innerhalb des Franchise gab. Auch wenn FALLOUT an Humor etwas eingebüßt hat, er bleibt – und übertrifft – bestes Mainstreamkino, er ist massentaugliche Unterhaltung mit der nötigen Prise Anspruch und überragender technischer Performance. Insgesamt wirkt der Film wie ein durchweg gelungenes Best-of der Reihe. Mit der Absicht, jeden Stunt möglichst selbst, jede Actionsequenz vor naturgetreuer Kulisse zu drehen, holt FALLOUT eine authentische Nähe, eine Unmittelbarkeit ins effektgeladene Blockbuster-Kino zurück, die mit jedem weiteren Marvel-Film in immer weitere Ferne rückt. Dass sich Cruise nach zig Halo-Sprüngen, Helikopterflügen und weiteren Drahtseilakten bei einem Sprung zwischen Häuserfronten doch auch einmal ganz unangenehm den Fuß gebrochen hatte, trägt zu dieser Direktheit nur noch mehr bei.

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Bevor Ihr Euch fragt: zur Handlung von MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT erfahrt Ihr hier kaum etwas. Das ist kein übler Wille, aber diejenigen, die den Film tatsächlich noch nicht gesehen haben und es nun auf Blu-ray oder UHD nachholen möchten, sollten sich diesen Teil tatsächlich so unvoreingenommen wie möglich anschauen. Dann ist beste Unterhaltung garantiert. Am besten war der Film natürlich im Kino, nicht zuletzt aufgrund der epischen Maßstäbe und spektakulären Bilder (teils gedreht mit IMAX-Kameras), die es so tatsächlich noch nicht zu sehen gab. (Dies scheint mit jedem neuen Kinofilm der Reihe zur Floskel zu verkommen, es stimmt aber wirklich und darf und sollte weiterhin im positiven Sinne benutzt werden.) Doch erscheint FALLOUT dabei nicht als bloße Aneinanderreihung einer Tom-Cruise-Stuntshow, um die an dünnen Fäden der Rest des Plots durchhängt, sondern als das wirkungsvolle Gegenteil.

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Das Drehbuch, ersonnen von McQuarrie, verwebt viele wichtige Figuren und auch vormalige Handlungsstränge aus dem M:I-Universum zu einem gelungenen Ganzen. Sean Harris als Solomon Lane, der Gegenspieler aus dem vorherigen Teil ist wieder mit dabei, ebenso Alec Baldwin als Vorgesetzter Alan Hunley und Rebecca Ferguson in der Rolle der Ilsa Faust. Auch ein weiter Bogen zum ersten Kinofilm wird gesponnen, doch für die Fans ist wohl vor allem wichtig, dass auch Ving Rhames als Luther Stickell und Simon Pegg als Benji Dunn wieder mit von der Partie sind, letzterer wie oben bereits erwähnt vielleicht etwas kürzer und humorloser als gewohnt, aber Laune macht der Film auch so. Ein echter Zugewinn ist zuletzt Henry „Superman“ Cavill als August Walker. Mit seiner beeindruckenden Physis wie auch dem differenzierten Spiel bringt er nach Cruise das Meiste in diesen Film als Darsteller mit ein.

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Ein (filmischer) Raum entsteht

Es gibt eine Szene in FALLOUT – abseits der drei, vier überlebensgroßen Stunts – die ist so schön klassisch und zugleich von direkter Härte, dass ich sie in ihrer Kinematografie am meisten genossen habe. Es ist eine Kampfsequenz, nur mit Fäusten und Füßen und ohne jegliche Feuerwaffen, die in einer blendend weißen Luxus-Herrentoilette spielt. Hunt und Walker spüren einen Verdächtigen auf und ein unglaublich heftiger Kampf bricht vom Zaun, in seiner Choreografie an die besten Martial-Arts-Sequenzen des jüngeren südostasiatischen Kinos erinnernd. Besonders auf der Kinoleinwand strahlte das Uniforme, deckend weiße Licht dieses filmischen Raums derart, dass dieser zunächst gar nicht als solcher sichtbar erschien. Die Ränder und Abgrenzungen verschwammen. Erst mit dem Fortgang des Kampfes, mit der Demolierung der zuvor spiegelglatten, sauberen Marmorflächen wird nach und nach mehr dieses Raums sichtbar.

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Die physischen Ecken und Kanten der durchtrainierten Männer bringen Spiegel zum splittern, Flächen zum brechen. Ein Oberkörper kracht durch glänzende Keramik hindurch, offenbart das brüchige Raue dessen Innenlebens. Die Körper der Figuren lassen den Raum als solchen entstehen. Hier verbinden sich semiotische herleitbare Bildgestaltung, die ganze Raffinesse des Regisseurs mit seinem Kamerateam mit von Darstellern betontem Actionkino zu einer furiosen Bilderfolge, die einen anschließend zwar wieder zu Luft kommen lässt, dem Zuschauer jedoch nachdrücklich vermittelt hat, dass er soeben in eine besondere (Film-)Welt eingetaucht ist, die ihn alles um sich herum vergessen ließ.

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Nicht alles Sequenzen sind in dieser direkten Ausdruckskraft gehalten, mit 147 Minuten ist FALLOUT auch etwas lang geraten – obwohl man noch mehr Ideen für Einstellungen und Sequenzen hatte, wie im Bonusmaterial der Blu-ray nachzusehen ist. Doch ist das Gesamtergebnis wirklich sehr gut geworden und gerade im Blockbuster-Kino bin ich mit dieser Einstufung mittlerweile äußerst vorsichtig. (Das liegt daran, dass das Actionkino seit Ende der 1990er Jahre immer mehr aufweicht, es existieren kaum noch echte Kulissen und mit ihnen das Gefühl, etwas Wirkliches in Bewegung zu sehen.) Besonders eindrücklich ist der Halo-Jump, der auch das Cover des UHD-Steelboks ziert. Dass auch dieser echt gedreht wurde, dass sich das Antlitz des Hauptdarstellers im freien Fall in einem ganz bestimmten Abstand an eine IMAX-Helmkamera annähern musste, das konnte man bereits anhand der perfekt getimten Bilder im Kino erfahren. Auch hier wird mit dem filmischen Raum gespielt. Im freien Fall aus einigen Kilometern Höhe, dort wo nichts ist außer Luft und Leere, wird durch die exakt abgestimmte Wechselwirkung von Darsteller- und Kamerakörper erst eine Perspektive ermöglicht. Es sind Bilder, die stark faszinieren aber nicht unangenehm überwältigen, sondern konsequent mitreißen. Sie verlieren in ihrem Aufbau niemals den Zuschauer, dessen Blick und dessen Aufmerksamkeit. Somit ist FALLOUT zuletzt auch ein großes Werk, das seine Zuschauer ernst nimmt und ihnen nichts vorspielt. Das schaffen nur ganz wenige Actionspektakel.

Die Blu-ray von Paramount

Quelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Zugegebenermaßen: MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT ist ein Kinofilm und dort gehört er hin (am besten ins IMAX). Ähnlich wie jüngst bei BLADE RUNNER 2049 oder DUNKIRK hat man mit den Blu-rays auf dem heimischen Bildschirm immer auch das Gefühl, eine eingeengte, auch etwas unkenntlich gemachte Version des jeweiligen Werks zu sehen. Doch wer eine einigermaßen vorzeigbare Heimkinoanlage sein Eigen nennen darf, der wird mit der Blu-ray/UHD-Version von FALLOUT mehr als belohnt. Das Bild ist hervorragend, betont die klassische, filmische Herangehensweise an das Sujet. Der Ton ist im Englischen grandios (Atmos auf der UHD, 7.1 auf der Blu-ray), in weiteren Sprachen, so auch auf Deutsch, in einem leicht komprimierten 5.1 Sound vorhanden, der immer noch beeindruckt. Die Kapazität der Medien Blu-ray/UHD werden bestmöglich ausgenutzt. Als Bonus existieren einige Featurettes, insgesamt über 60 Minuten an Interviews, Making-of, B-Rolls usw. die einen vortrefflichen Einblick in die aufwendige Produktion von FALLOUT vermitteln. Hierzu möchte ich anmerken, dass der Fokus eindeutig auf der Kollaboration Cruise-McQuarrie liegt, der Planung und Durchführung komplizierter Szenen durch die beiden. Die Nebendarsteller verkommen in diesen Features häufig zu Randgestalten, die als sympathisches Füllmaterial das Großartige dieses Filmprojekts häufig nur abnicken. Am informativsten fand ich tatsächlich die Audiokommentare, in denen auch viel zur Bildgestaltung (Kamera/Ton/Schnitt) erörtert wird. Der Bild-Ton-Vergleich (leider nur 5 Minuten) durch Komponist Lorne Balfe besitzt ebenfalls einen interessanten Mehrwert, auch wenn er kaum als Lehrvideo für Studierende der (Film-)Musik taugt.

Auf Youtube gibt es übrigens einen 30 Minuten langen, chronologischen B-Roll-Zusammenschnitt der größten Actionszenen aus FALLOUT. Dieser wird in dieser Form jedoch nicht als offizielles Bonusmaterial auf den Heimmedien präsentiert. Das Eindrückliche dieses Videos ist die ungefilterte Darstellung von Hinter-den-Kulissen-Videomaterial entlang für den finalen Film vorgesehener Einstellungen, sukzessive aneinandergereiht und nicht durch Interview-Schnipsel unterbrochen oder mit montierten Übergängen durch Hintergrundmusik. Bei diesen Sequenzen denkt man wirklich, man ist selbst live mit bei den Dreharbeiten dabei und begleitet Mr. Cruise persönlich bei seinen Stunts. Gerade auch aus diesem Video erwächst eine Unmittelbarkeit, die sehr gut zur bildlichen Sprache des Films selbst passt.

Fazit

Wer MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, den besten Blockbuster des letzten Jahres, im Kino verpasst hat, der sollte dies unter bestmöglicher Voraussetzung im Heimkino nachholen. Es ist einer der Filme, wie sie heute kaum noch gedreht werden: Direkt und unmittelbar, zugleich unterhaltsam und mitreißend. Überaus souveränes Handwerk trifft auf coole Ideen und die nötige Portion Wahnsinn, um diese auf Film zu bannen. Tom Cruise hat mit Christopher McQuarrie nach nunmehr zehn Jahren seinen wichtigsten Filmpartner gefunden und es bleibt zu hoffen, dass die beiden womöglich noch einmal das Unmögliche möglich machen.

Bilderquelle: DVD/Blu-ray/4K Ultra HD MISSION: IMPOSSIBLE – FALLOUT, Paramount Pictures

Titel, Cast und CrewMission: Impossible - Fallout (2018)
Poster

Release
ab dem 13.12.2018 auf DVD, Blu-ray und 4K-UHD erhältlich
Bei Amazon kaufen:
RegisseurChristopher McQuarrie
Trailer
DarstellerTom Cruise (Ethan Hunt)
Henry Cavill (August Walker)
Ving Rhames (Luther Stickell)
Simon Pegg (Benji Dunn)
Rebecca Ferguson (Ilsa Faust)
Sean Harris (Solomon Lane)
Angela Bassett (Erika Sloane)
Vanessa Kirby (The White Widow)
Michelle Monaghan (Julia)
Alec Baldwin (Alan Hunley)
DrehbuchChristopher McQuarrie
MusikLorne Balfe
KameraRob Hardy
SchnittEddie Hamilton
Filmlänge147 Minuten
FSKab 12 Jahren

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert